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Vor 25 Jahren Sorge um ein städtebauliches Sahnestück

Die Vierlingsgeburt einer Kuh in Schwanewede und die Zukunft der sogenannten Lürssen-Brache am Vegesacker Hafen waren zwei Themen, die die Region vor 25 Jahren beschäftigten.
10.04.2021, 05:00 Uhr
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Von Marina Köglin

Tierischer Kindersegen in Schwanewede: Dort hatte die Kuh „Angel“ Vierlinge zur Welt gebracht. „Herzchen, Igor, Stephan und Hajo sind wohlauf“ war am 10. April 1996 in der NORDDEUTSCHEN zu lesen. Auch die Mutter der vier Kälber erhole sich gut – „sie frisst auch schon wieder.“ Die Vierlinge waren im Vergleich zu anderen Kälbern kleiner und wurden mit der Flasche ernährt. Viermal am Tag bekamen sie jeweils einen Liter Milch. Auch die Nachbarn waren schon „auf Stippvisite“ um die vier Kälber zu bewundern. Die achtjährige Kuh Angel hatte zuvor schon zweimal Zwillinge bekommen. „Mehrlinge müssen bei ihr veranlagt sein“, sagte ihr Besitzer, der Landwirt Johann Diercks. Vierlinge seien eine große Seltenheit. „Vor zehn Jahren gab es einmal in Schwanewede Drillinge“, erinnerte sich Diercks, aber von Vierlingen habe er noch nicht gehört. Der Vater der vier Kälber hieß Union. Er und die frischgebackene Vierfach-Mutter Angel haben sich jedoch nie gesehen; den „Zwischenschritt“ zwischen Stier und Kuh übernahmen Besamungstechniker, in diesem Fall Stephan Prager und Hajo Schmidt. Zwei der Kälber – Stephan und Hajo – waren nach ihnen benannt worden.

In Vegesack ging derweil der Kampf der Vulkanesen um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze weiter. „Mit annähernd 400 Fahrzeugen Flagge gezeigt“ titelte DIE NORDDEUTSCHE am 12. April 1996 auf der ersten Seite. 2000 Vulkan-Mitarbeitende waren am Tag zuvor in insgesamt 360 Autos zu einer Protestfahrt in die Bremer Innenstadt aufgebrochen und hatten dabei erhebliche Staus verursacht. „Unterwegs schlossen sich noch weitere Fahrzeuge dem Konvoi an, der Spruchbänder und IG-Metall-Flaggen mitführte“, hieß es in dem Bericht. Letztendlich war der Autokonvoi mehrere Kilometer lang. Mit Genehmigung der Polizei durften die Wagen auf der Martinistraße geparkt werden. Der Verkehr in der Bremer Innenstadt kam teilweise zum Erliegen. Ziel der Werftarbeiter war das Gebäude am Domshof, in dem der Vulkan-Vorstand residierte. „Wir brauchen Geld für Investitionen und ein Konzept für die Zukunft“, forderte der Vulkanbetriebsratsvorsitzende Hasso Kulla. Der Bund und das Land Bremen müssten sich in die Pflicht nehmen lassen, damit der Schiffbau in Bremen und Bremerhaven eine Existenzgrundlage behält. Während Kulla von Politikern, Banken und Managern verlangte, handfeste Überlebenskonzepte vorzulegen, appellierte der Aufsichtsratsvorsitzende Hero Brahms an die Werftarbeiter aus Vegesack und Bremerhaven, „sich nicht auf Einzellösungen einzulassen.“ Die Zukunftschance liege in einem neuen Verbund. Für ein solches Konzept werde er sich stark machen, versprach Brahms. Auch IG-Metall-Bezirksleiter Frank Teichmüller plädierte dafür, die Verbund-Idee weiterzuverfolgen. An die Adresse der Finanzpolitiker gerichtet, mahnte er: „Es ist allemal billiger, Arbeit zu bezahlen, als Arbeitslosigkeit zu finanzieren.“

Für Aufregung sorgten 1996 auch die Pläne, einen rund 6500 Quadratmeter großen Einkaufsmarkt auf der sogenannten Lürssen-Brache zu errichten. „Kritiker vermissen die Alternativen“ war am 13. April 1996 auf der ersten Seite der NORDDEUTSCHEN zu lesen. Eine Studie der BBE-Unternehmensberatung GmbH Hamburg hatte zuvor im Vegesacker Innenstadtbereich zwar ein leistungsstarkes Angebot in den Bereichen Textil, Schuhe, Leder und Sport ausgemacht, sah aber auch „zahlreiche Angebotsdefizite“. Fachmärkte und Selbstbedienungs-Warenhäuser seien in Vegesack „nur unzureichend vertreten“. Mit einer „richtigen Angebotsmischung soll künftig mehr Kaufkraft vor Ort gebunden werden. Ins Umland abgewanderte Kunden sollen zurückgeholt, neue angelockt werden.“ Für das Gelände an der Hermann-Fortmann-Straße schlug die BBE-Unternehmensberatung die Errichtung eines Fachmarktzentrums mit unterschiedlichen Fachmarktsegmenten vor. Dazu gehörten ein SB-Warenhaus, ein Bau- und Gartencenter, ein Möbelmarkt und ein Fachmarkt für Unterhaltungselektronik. Während einige Vegesacker Beiratsmitglieder darin zunächst nur einen Vorschlag neben anderen sahen, fürchteten andere bereits um das „städtebauliche Sahnestück“ zwischen Lesum und Vegesacker Hafen. So warnte etwa Reinhold Koch (Bündnis 90 / Die Grünen) davor, einen „Einkaufsmarkt, wie man ihn an jeder beliebigen Ausfallstraße finden könne, auf das Lürssen-Gelände zu setzen und macht Front ,gegen eine drittklassige Ansiedlung in erstklassiger Lage', die das Tourismuskonzept gefährdet“. Im Oktober 1995 hatte sich der Ausschuss für Stadtentwicklung, Tourismus und Wirtschaft konstituiert. Sein Ziel war es, „die für Vegesack äußerst bedeutsame Bebauung am Hafen gewissenhaft so zu verfolgen, dass die Ausschussmitglieder dem Beirat jederzeit Bericht erstatten können.“ Die Mitglieder des Ausschusses forderten den Beirat nun, im April 1996, dazu auf, ihnen Einsicht in die Planungen zu gewähren. Unter anderem wollten sie die exakten „Grundrisse vom Gelände und der von den Investoren geplanten Gebäude sehen.“ Außerdem wünschte sich der Ausschuss, „mit Alternativen konfrontiert zu werden.“

Auf dem „städtebaulichen Sahnestück“ zwischen Lesum und Museumshaven wurde kurze Zeit später bekanntermaßen das Haven Höövt erbaut.

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