Mit ihren Reihenhäuschen und kleinen Bungalows gehört die Kolpingstraße zu den eher beschaulicheren Adressen in Hannovers Stadtteil Badenstedt. Doch die Ruhe dort ist dahin, seit die Sackgasse in einer Liste von 50 vordringlichen Straßenbauprojekten der Stadtverwaltung auftauchte. „Grunderneuerung im Bestand“ lautet das Vorhaben im Amtsdeutsch; in der Kolpingstraße soll der mehrere Jahrzehnte alte Klinkerbelag durch Asphalt ersetzt werden. Für einen Teil der geschätzten Sanierungskosten von rund 500 000 Euro will die Stadt die Anlieger zur Kasse bitten.
Wie hoch diese Straßenausbaubeiträge für die einzelnen Eigentümer ausfallen, darüber schweigt sich Hannovers Tiefbauamt aus. „Wir kriegen keine Summe genannt“, kritisiert Karin Wallat, die selbst ein kleines Reihenhausgrundstück ihr Eigen nennt. 10 000 Euro könnten auf sie zukommen, befürchtet die Grundschullehrerin.
Mit ihren Nachbarn und anderen Betroffenen in Hannover hat sie eine Postkartenaktion gegen die „ungerechte und unsoziale“ Straßenausbaubeitragssatzung (Strabs) gestartet. Die Bürger sollen damit Oberbürgermeister Stefan Schostok (SPD) und den Ratsmitgliedern die „Rote Karte“ zeigen. Am Rathaus jedenfalls gehen die Proteste nicht spurlos vorbei. „Ob in Hannover weiterhin Straßenausbaubeiträge erhoben werden, wird derzeit politisch beraten“, erklärt eine Stadt-Sprecherin.
Landesweit über 40 Initiativen
Die Kolpingstraße in Hannover ist längst kein Einzelfall mehr. In ganz Niedersachsen wächst der Widerstand gegen die Kostenbeteiligung der Anlieger beim Ausbau kommunaler Wege. „Straßen werden von allen genutzt. Alle müssen daher einen Beitrag zu deren Unterhaltung leisten“, lautet das Hauptargument der Gegner. Ob Bremervörde, Oldenburg oder Einbeck: Landesweit über 40 Initiativen, davon allein acht in der Landeshauptstadt, haben sich mittlerweile zum Niedersächsischen Bündnis gegen Straßenausbaubeiträge zusammengeschlossen. Zehn weitere seien bereits in der „Prüfungsschleife“, sagt deren Sprecher Niels Finn. „Wir werden immer mehr.“
Und sie wollen die Politik diese neue Macht jetzt auch geballt spüren lassen: Für den 29. November ruft das Bündnis in ganz Niedersachsen zu einer Demonstration vor dem Rathaus in Hannover auf – passend zu den abschließenden Haushaltsberatungen im Stadtrat, aber auch eine Woche später im Landtag. Finn verweist auf den Erfolg in Bayern, wo die Strabs-Gegner bereits 400 000 Unterschriften für ein Volksbegehren gesammelt hätten und die CSU-Landesregierung daraufhin in einer „Flucht nach vorn“ die Straßenausbaubeiträge von sich aus ersatzlos abgeschafft habe.
Dies fordert das Bündnis nun auch von der Großen Koalition in Niedersachsen. Bei CDU-Chef und Wirtschaftsminister Bernd Althusmann stießen die Strabs-Kritiker zunächst auf offene Ohren; doch der CDU-Landesparteitag in Braunschweig Anfang September mochte sich den Rufen nach einem gesetzlichen Aus nicht sofort anschließen.
Problem: Schließt das Land eine Einnahmequelle für die Kommunen, muss es gemäß Konnexitätsprinzip für einen finanziellen Ausgleich sorgen. Angesichts der dafür kalkulierten 100 Millionen Euro jährlich reagiert CDU-Finanzminister Reinhold Hilbers äußerst skeptisch auf solche Forderungen. Am 9. November lädt die Union zu einem Fachkongress mit Experten – unter anderen aus Bayern.
Von der SPD-Spitze um Ministerpräsident Stephan Weil heißt es dagegen, dass man das heiße Eisen am liebsten gar nicht anpacken wolle. Zu groß sei der Ärger auf allen Seiten, wenn Städte und Gemeinden auf andere Zahlmodelle wie etwa einer höheren Grundsteuer umstellen müssten.
Landesregierung zögert
Allein die FDP-Landtagsfraktion hat sich mit einem eigenen Gesetzentwurf für die ersatzlose Streichung der Strabs eingesetzt, dabei allerdings lediglich 50 Millionen Euro als jährlichen Ausfallbetrag zugrunde gelegt.
Erst vor zwei Wochen hatte der Rat der Stadt Stade die dortige Satzung für die Straßenausbaubeiträge nach heftigen Bürgerprotesten mit sofortiger Wirkung gekippt. Allerdings soll dort nun eine neue Satzung für wiederkehrende Beiträge folgen. Bei diesem Modell müssen nicht nur die direkten Anlieger, sondern alle Eigentümer in einem Gebiet, das von der neuen Straße profitiert, in jährlichen Schritten ihren Obolus abstottern. So wird die finanzielle Last zeitlich gestreckt und auf breitere Schultern verteilt. Bündnis-Mann Finn mag sich darüber nicht freuen: „Das ist auch keine gerechte Lösung.“