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Serie: Die Bienenmutter Eine Königin aus Cloppenburg

Ein bisschen Futter, ein paar Begleitbienen und schon ist die Bienenkönigin versandfertig: Online-Shops beliefern Imker auch mit lebenden Tieren. Nicht immer geht es gut, wenn Imker der Natur nachhelfen.
27.08.2020, 07:00 Uhr
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Eine Königin aus Cloppenburg
Von Patricia Brandt

Bienen fliegen in der Regel selbst, aber manchmal kommen sie auch mit der Post. Es gibt sogar Online-Shops für Bienenköniginnen. Dies ist die Geschichte einer Königin aus Cloppenburg.

Die Geschichte beginnt mit ein wenig Verzweiflung: Nachdem meine alte Bienenkönigin geschwärmt war, hatte ich plötzlich ein verlassenes Volk ohne Königin. Die alte Königin hatte zwar für Ersatz gesorgt: In besonderen Weiselzellen zogen die Arbeiterinnen mehrere Nachfolgerinnen heran, und zwar mit dem in der Schönheitsbranche begehrten Gelee Royale. Doch sobald die erste Königin geschlüpft war, machte sie sich vom Acker. Zuvor hatte sie, wie in einem Bienenstaat üblich, alle anderen Königinnen-Schwestern getötet.

Dass junge Königinnen kurzzeitig verschwinden, ist normal: Kurz nachdem eine junge Königin geschlüpft ist, begibt sie sich auf Hochzeitsflug. Sie lockt mit ihren Duftstoffen mehrere Tausend Drohnen auch aus anderen Bienenvölkern an, um sich begatten zu lassen. In ihrer Samenblase sammelt sie Millionen Spermien. Der Paarungsakt findet im Flug statt und ist vor allem für die Drohnen ein brutales und tödliches Unterfangen: Das Begattungsorgan bleibt in der Königin stecken und der Drohn fällt herunter. Unter Umständen kommt auch die Königin nicht wieder nach Hause: Etwa, wenn sie auf dem Weg in ihr Nest von einem hungrigen Vogel geschnappt wird…

Ein Volk ohne Königin ist dem Untergang geweiht. Man kann es hören, wenn Völker weisellos sind, wie es in der Imkersprache heißt. Sie heulen, sobald der Imker den Deckel abhebt. Weil es in der Stadt und im Bremer Umland gleich mehrere Imker gibt, die sich auf Königinnenzucht spezialisiert haben, ist es nicht schwierig, der Natur ein wenig nachzuhelfen. Manche Züchter verschicken die Bienen sogar mit der Post auch in entlegene Gegenden.

Die 29-jährige Züchterin Jasmin Thobe aus Cloppenburg zum Beispiel hat erst vor Kurzem ihren Job als Kunsttherapeutin aufgegeben und einen Online-Shop eröffnet. Jasmin Thobe hatte ihrem Vater schon während ihrer Schulzeit bei der Königinnenvermehrung geholfen. „Erst waren es die Sommerferien, dann die Semesterferien, im Arbeitsalltag dann schließlich die Sommerwochenenden.“ Von ihrem Vater Heiner Thobe habe sie viel über die unterschiedlichen Linien der Carnica-Rasse gelernt.

Ihre Bienenköniginnen verschickt sie deutschlandweit. „Von ‚Grüß Gott‘ über ‚Servus‘ und ‚Moin Moin‘ ist alles dabei“, sagt sie. Es gebe sogar Anfragen aus dem Ausland: „Deutsche Bienen sind für ihre Sanftmut bekannt und die jahrelange Arbeit aller deutschen Züchter ist bemerkenswert. Tatsächlich werden Königinnen von Kunden, nicht immer ganz offiziell, mit ins Ausland genommen und gehen auf eine spannende Reise – von Schweden, über Russland, Polen, Ukraine, Türkei, Iran...“

Weil viele Imker ihre Königinnen über den Winter verlieren, sei die Nachfrage bereits ab April groß. „Oft steckt in dem Verlust eine große Not und es ist ein blödes Gefühl, dann nicht weiterhelfen zu können“, sagt sie. Denn vor Mai könne sie die Königinnen wegen der niedrigen Temperaturen nicht verschicken. Zum Verständnis: In einem Bienenstock herrschen zwischen 33 und 36 Grad Celsius.

In der Regel, sagt die Züchterin, seien die Bienen mit der Post nicht länger als einen Tag unterwegs. „Für den Versand sind die Königinnen mit ausreichend Futterteig und ein paar Begleitbienen versorgt. Natürlich handelt es sich um lebende Tiere und es kann immer mal etwas passieren. Gott sei Dank ist das aber sehr selten der Fall und die Königinnen überstehen den Versand meist unversehrt.“ Im anderen Fall erhalte der Kunde die Garantie, dass die Königin ersetzt wird. Immerhin kosten Königinnen zwischen 20 und 30 Euro – zuzüglich Versand.

Ein gewisses Risiko besteht: Nicht immer geht es gut, eine fremde Königin ins Volk zu setzen. Falls doch noch eine Königin im Volk ist, würde die gekaufte Königin sofort abgestochen werden. Deshalb suchte ich ein letztes Mal nach der frisch geschlüpften Königin – und fand sie tatsächlich in dem durch ein Gitter abgetrennten Honigraum! Sie war also nicht auf Hochzeitsreise gewesen, sondern, als sie noch ganz klein war, ins Honigparadies geschlüpft. Im Urlaub in Österreich erfuhr ich von einer Gebirgsimkerin, dass dies gar nicht so selten passiert.

Kurzerhand entschied ich mich, die geschlüpfte Königin an eine befreundete Imkerin zu verschenken. Denn die Cloppenburger Neu-Königin war zu diesem Zeitpunkt schon angekommen: Die Bienen krabbelten zu Hauf auf den kleinen, weißen Transportkäfig, um sie zu umsorgen. So brach ich die Klappe des Käfigs zum Futterteig heraus und klemmte den Käfig zwischen die Rähmchen im Bienenstock. Die Bienen fraßen sich langsam durch den Futterteig und hatten so die Möglichkeit, sich an die Königin zu gewöhnen.

Die Geschichte endete gut – für beide Königinnen. Die eine lebt jetzt glücklich in meinem Garten, die andere inzwischen in einem großen Volk in Lesum.

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