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Programm für mehr Wohnungen Die Bau-Bilanz für den Norden

Die Behörde hat zwar stadtweit mehr Wohnbauprojekte genehmigt, als es das Sofortprogramm des Senats vorsah. Nur sind viele Vorhaben noch nicht fertig. Die Zahlen und Gründe im Überblick.
27.09.2018, 07:30 Uhr
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Die Bau-Bilanz für den Norden
Von Christian Weth

Bremen braucht Wohnungen – und Bremen braucht sie schnell: Darum hat der Senat vor drei Jahren ein Sofortprogramm gestartet: Bis Ende 2017 sollten 2000 neue Wohnungen geschaffen werden, zusätzlich zu den 1400, die jährlich bis 2020 hinzukommen sollen. Ob die Vorgabe erfüllt wurde, ist Ansichtssache. Die Behörde hat zwar mehr Wohnbauvorhaben und damit Wohnungen genehmigt, als es das Programm vorgegeben hat. Nur sind viele noch nicht fertig. Wie der Bausenator und ein Nordbremer Projektentwickler die Situation bewerten.

Die Behörde ist zu langsam, die Behörde schafft ihr Pensum nicht: Joachim Lohse (Grüne) kennt solche Sätze zur Genüge. Der Bausenator hört sie oft. Nur sagen seine Zahlen etwas anderes. Demnach sind in den vergangenen drei Jahren so viele Bauanträge genehmigt worden, dass die vorgegebene Marke von 2000 neuen Wohnungen um 546 übertroffen wurde. Die 1400 Einheiten mitgerechnet, die sowieso jedes Jahr dazukommen sollen, kommt Lohse unterm Strich auf 6746 Wohnungen, die im Rahmen des Sofortprogramms bewilligt wurden. „Die Behörde“, sagt er, „hat mehr geschafft, als sie schaffen sollte.“

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Das Plus von mehr als 2000 zusätzlichen Wohnungen findet Philipp Romeiser zwar gut. Noch besser hätte es der Nordbremer Bauunternehmer allerdings gefunden, wenn der Senat eine höhere Zahl vorgegeben hätte. „Die Nachfrage nach Wohnraum“, meint der Geschäftsführer von M-Projekt, „ist größer“. Romeiser spricht nicht nur von Kunden, die sich darüber freuen, endlich die Immobilie gefunden zu haben, die sie lange gesucht hatten. Sondern die auch sagen, dass sie irgendwann ins niedersächsische Umland gezogen wären, notgedrungen. „So gesehen“, sagt er, „ist beim Bremer Wohnungsbau noch Luft nach oben.“

Falsche Voraussetzungen

Lohse weiß, dass die Bauwirtschaft gerne mehr fordert. Dass manche Unternehmer lieber 3000 oder sogar 4000 zusätzliche Wohnungen gehabt hätten. Er weiß aber auch, dass sie noch dabei sind, überhaupt erst einmal die Projekte zu realisieren, die von der Behörde genehmigt wurden. Und die Wohneinheiten eben tatsächlich zu schaffen, wie es im Sofortprogramm heißt. „Die Behörde hat ihren Teil der Senatsvorgaben mehr als erfüllt, jetzt sind die Projektentwickler am Zug.“ Lohse sagt nicht, wie viele Vorhaben noch in Planung oder im Bau sind. Aber dass es so viele sind, dass die Behörde sie im Blick behalten muss.

Laut Romeiser bauen die Unternehmen so schnell, wie sie bauen können. Wer annimmt, dass ein Projekt mit mehreren Gebäuden, das 2015 genehmigt wurde, zwei Jahre später fix und fertig ist, geht ihm zufolge von falschen Voraussetzungen aus. Allein beim Tauwerkquartier in Grohn, das die Behörde ins Sofortprogramm aufgenommen hat, haben die Gespräche zwischen M-Projekt und Behörden nach seiner Rechnung zwei Jahre gedauert. Romeiser sagt, dass er dabei noch nicht mal die Zeit, in der die Politik und eine Wettbewerbsjury über das Projekt beraten haben, mitgezählt hat.

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Für Senator Lohse ist es beim Tauwerkquartier, aber auch beim Lesum-Park zügig gegangen. Zumindest im Vergleich zu anderen Vorhaben. Beide Projekte sind Großprojekte. In Grohn entstehen 105 Wohnungen, in Lesum noch mal 116, zusätzlich zu den Reihen- und Einfamilienhäusern. Macht zusammen beinahe so viele Einheiten, wie 2015 insgesamt für Vegesack, Blumenthal und Burglesum genehmigt wurden: 263. Im Jahr darauf bewilligte die Behörde 337 Wohnungen und im Jahr danach noch mal 438. Lohse freut sich, dass die Zahlen steigen – auch wenn sie andernorts schneller gestiegen sind.

Projektentwickler Romeiser hat nach eigenem Bekunden keinen Unterschied bei der Verfahrensdauer festgestellt, obwohl für die Projekte des Sofortprogramms ein anderes Prozedere gelten sollte: ein beschleunigtes. Romeiser sagt, dass ihn das nicht verwundert hat. Nach seinen Worten geht es bei vielen Vorhaben ja nicht bloß ums Genehmigen eines Entwurfs, sondern auch ums Anpassen eines Bebauungsplan für ein Gebiet. „Und das kann dauern.“ Seiner Erfahrung nach vergehen allein dafür je nach Größe, Lage und Komplexität eines Wohnbauprojekts schon mal zwei bis zweieinhalb Jahre.

Projektentwickler müssen anders kalkulieren

Joachim Lohse nennt andere Gründe für die Verzögerung von Vorhaben. Statt mit dem Tempo der Behörde haben sie mit Interessenkonflikten und Fachkräftemangel zu tun. Der Senator bedauert sowohl die Haltung von Unternehmern, die gegen den Wohnungsbau an der Weserstraße und am Rönnebecker Hafen sind, als auch die immer größer werdenden Probleme von Projektentwicklern, genügend Handwerker für ein Vorhaben zu finden: „Die Auftragsbücher der Betriebe sind inzwischen so voll, dass sich manchmal nicht nur der Baustart verschiebt, sondern auch die Bauzeit verlängert.“

Nach den Worten von Philipp Romeiser hat der Bauboom noch eine andere Folge: „Er treibt die Preise in die Höhe.“ Ihm zufolge müssen Projektentwickler inzwischen ganz anders kalkulieren als noch vor Jahren, weil die Handwerksbetriebe teurer geworden sind. Und das, meint er, macht es für Bauträger schwerer, alle Vorhaben so umzusetzen, wie es vom Senat gefordert wird. Nach Angaben von Lohse wird Bremen am bisherigen Wohnungsbau-Pensum vorerst festhalten. Prognosen gehen davon aus, dass 2030 rund 12 000 Menschen mehr in der Stadt wohnen werden.

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