Von Peter Otto
Vegesack. Einmal im Monat, an jedem dritten Dienstag, treffen sich die "Leser an der Weser" im Fährhaus. Die schreibbegeisterten Autoren und Autorinnen aus der Region stellen dann ihre literarischen Erzeugnisse auf der "Lesebühne" einer interessierten Öffentlichkeit vor. Diesmal fand das Leseforum, das von Rita Apel ins Leben gerufen wurde, zum 20. Mal statt. Zwei neue Autoren und drei schon bekannte Schreiber lasen am Dienstag Kurzgeschichten, Erzählungen und Gedichte vor, die sie teils schon veröffentlicht haben, teils aber auch zum ersten Mal vortrugen.
Edelhard Callies begann mit einer tragischen Kurzgeschichte, in der er den unaufhaltsamen Abstieg eines Mannes schildert, in dessen Leben sich das Vergessen ausbreitet. Unter dem Titel "Jemand war hier" beschreibt er, wie der 56-jährige Tewes langsam verwahrlost und orientierungslos umherirrt, weil sich sein Gedächtnis unmerklich verflüchtigt.
Er versinkt im Sog des Vergessens, dabei verliert er seine Identität. Schließlich endet er hilflos auf einem Hochstand im Wald. Eine beeindruckende Geschichte, der auch der zuweilen etwas hölzerne Stil nicht die Wirkung nehmen kann.
Hartmut Global aus dem Kreis Rotenburg / Wümme hat vier Jahre als Lehrer in Afrika, in Simbabwe und Lesoto, gearbeitet. Er fühlt sich mit den Menschen dort stark verbunden und versucht, sich in deren Lage zu versetzen. So erscheint ein Gedicht als naive Anklage der betrogenen Schwarzafrikaner, die sich machtlos der Gier ausländischer Ausbeuter ausgeliefert fühlen.
Arabische Freiheitsliebe gewürdigt
In einem anderen Poem beschreibt der Dichter die Menschen Afrikas, die auf dem Zivilisationsmüll der Eindringlinge vegetieren und noch "dem Abfall Leben einhauchen". Der Autor pries pathetisch die arabische Freiheitsliebe und klagte mit theatralischer Geste die brutalen Gewaltherrscher an.
Drei Gedichte hatte der aus Hude stammende Gregor Stahnke mitgebracht. "Das Leben ist kein ruhiger Fluss", erklärte er eingangs. Und so lässt er in dem Gedicht "Der Fluss" das Leben über Stromschnellen rauschen, über Wasserfälle stürzen und über gurgelnde Tiefen gleiten bis es sich endlich in den Weiten des Meeres verliert. In dem Gedicht "Uferlos" schildert er den Abschiedsschmerz vor dem Seemannsgrab, und "Im Tann" erzählt er von einer nächtlichen Selbsterfahrung im Hasbruch, als er im Dunklen durch verfilztes Gestrüpp stolperte, beunruhigt durch Ächzen und Scharren, Rascheln und Knacken.
"Ich bin ja immer für den Klamauk zuständig", witzelte Rita Apel, bevor sie von ihrem "großen, starken Neffen" schwärmte, " der traut sich was!", der XXL-Typ mit Kleidergröße 68 tritt seinen Mitmenschen furchtlos auf die Füße, besonders solchen, die eitel und verlogen sind. Ihnen sagt er in aller Öffentlichkeit die Wahrheit, rücksichtslos und ungeschönt. Angst hat er nicht, denn vor seiner imposanten Gestalt verkümmert jede Gegenwehr.
Schließlich las Hildegund Bachkötter Brömmle eine "gänzlich unlustige Geschichte" von einer jungen Frau, die es aufgegeben hat, das Leben zu bewältigen und vor sich selbst flieht. Das einst ungewollte Kind war der Mutter nur lästig gewesen, und so war das Mädchen oft in die Einsamkeit zu einem "Sandloch" geflohen. Als sie nach einer Sexepisode selbst schwanger wird, tötet sie das Neugeborene und entsorgt es in der Plastiktüte für schmutzige Wäsche. Elend und hilflos, gefangen in sich selbst, steigt sie schließlich mit der Wäschetüte "ins stille Wasser und verschwindet Stufe für Stufe im Dunkel der Nacht." Die Lesebühne zeigte eine erstaunliche Vielfalt an Texten und Stilformen, die beeindruckten.