Es mutet merkwürdig an, wenn ein Kapitän froh darüber ist, dass sein Schiff auf dem Trockenen liegt. Doch Nils Brandt, der Kommandant der „Gorch Fock“, ist glücklich, dass der Kiel des Marineschulschiffs seit Donnerstag, 11.20 Uhr, wieder aus dem Wasser ist. „Es geht weiter“, sagt er vor Freude strahlend. Gemeint ist die Sanierung der „Gorch Fock“. In den kommenden 100 Tagen wird die Dreimastbark in der Schiffbauhalle 2 der Fassmer-Werft Anschlüsse, Leitungen und den traditionellen weißen Farbanstrich erhalten.
Donnerstagvormittag, 9.55 Uhr, auf der Fassmer-Werft in Motzen: Zwischen Halle 2 und der Pier herrscht reges Treiben. Einige Mitarbeiter bauen ein Gerüst, andere lösen die Leinen der „Gorch Fock“. Ein Kran entfernt die Gangway. Die Crew der „Gorch Fock“ nimmt an Deck des Schulschiffs Aufstellung. Dann setzt sich der mattgrüne Rumpf in Bewegung. Langsam, Meter für Meter gleitet er stromaufwärts, gezogen von den Schleppern „Bugsier 17“ und „Greif“.
Der zur Untätigkeit verdammte Kommandant verfolgt das Manöver gespannt. „Es war das erste Mal, dass wir in strömendem Gewässer eine 90-Grad-Drehung vorgenommen haben“, stellt Nils Brandt nach dem Manöver fest. „Ich hätte nicht gedacht, dass wir innerhalb von zehn Minuten im Docklift sein würden.“ Doch die Schlepperkapitäne und die Mitarbeiter der Fassmer-Werft verstehen ihr Handwerk. Vorsichtig ziehen die Schlepper die „Gorch Fock“ in Position und drücken den prominenten Rumpf in das schmale Becken des Docklifts. Die Werftmitarbeiter verhindern mit großformatigen Fendern, dass die Außenhaut des Schiffes an Kanten und Ecken Schaden nimmt.
Technisch anspruchsvoll
„Für uns ist das einzig Außergewöhnliche das öffentliche Interesse“, sagt Wolfgang Franzelius, der bei Fassmer die Abteilung Schiffbau leitet. „Von der technischen Seite stellt das Heben der ,Gorch Fock' nichts Besonderes dar.“ Das Zu-Wasser-Lassen der drei Schiffe für die Bundespolizei sei technisch anspruchsvoller gewesen, da diese aufgrund ihrer Länge einige Meter über das Hebewerk hinausragten und von einem Kran gehalten werden mussten, erinnert sich Franzelius. Die „Gorch Fock“ mit ihrer Kielwasserlänge von rund 70 Metern passt problemlos auf das Hebewerk.
Mit 3,40 Meter Tiefgang erreicht das Schulschiff der Bundesmarine seine Hebeposition. Unter dem Kiel, für den Beobachter an Land nicht sichtbar, befindet sich eine Plattform, die im Verlauf der nächsten Stunde von zehn Synchrowinden gen Wasseroberfläche gezogen wird. Zentimeter für Zentimeter kommen sechs Stützen zum Vorschein, auf denen der Schiffsrumpf aufliegt. Immer wieder legen die Verantwortlichen kurze Stopps ein. „Um zu gucken, dass alles stabil ist“, erläutert Schiffbauleiter Franzelius.
Die Hebung verläuft wie gewünscht. Nach einer Stunde hat die „Gorch Fock“ ihre Position erreicht und Kommandant Nils Brandt geht von Bord. Der Mann in Uniform schießt ebenso wie die Medien zahlreiche Fotos. „Damit ich meinen Chefs zeigen kann, wie das Schiff aussieht“, sagt er, während er auf den Auslöser drückt. Es werden die letzten Fotos des grünen Rumpfes sein.
„Und am Sonnabend, wenn wir sie von beiden Seiten gewaschen haben, geht die ,Gorch Fock' in die Halle“, blickt Michael Kuik, Fassmers Leiter der Abteilung Reparatur und Garantie, voraus. In der Halle ist dann auch wieder die Expertise von Kommandant Brandt und seiner Crew, die derzeit auf einem Wohnschiff bei der Elsflether Werft zu Hause sind, gefragt. „Wir begleiten die Instandsetzungsarbeiten fachlich“, sagt Nils Brandt. „Die ,Gorch Fock' ist ein Unikat, für die es kein Muster gibt.“
Seit fünf Jahren hat Brandt das Sagen auf der Brücke des Marineschulschiffs. Den weitaus größten Teil davon lag sein Schiff im Dock. Dennoch ist der Kommandant guter Hoffnung, dass er alle Neuerungen selbst noch praktisch anwenden und mit dem dann wieder weiß getünchten Stolz der Bundesmarine in See stechen wird.