Wesermarsch. Die Wesermarsch ist zweigeteilt. „Touristisch besteht ein Nord-Süd-Gefälle“, sagt Tina Tönjes von der Touristikgemeinschaft Wesermarsch. Während sich im Norden Familien tummeln, die gerne eine längere Zeit in ein und derselben Unterkunft verweilen, wird der Süden eher von Aktivtouristen wie Radfahrern aufgesucht, die oft nur eine Bleibe für eine Nacht suchen. Am nächsten Tag geht es schon weiter in den nächsten Ort.
Insbesondere die Gemeinde Butjadingen ist bei Familien mit Kindern beliebt. Das Wasser lockt, nicht nur das der offenen Nordsee. Auch Erlebnisbad und Nordsee-Lagune sind immer wieder Anziehungspunkte. Auf dem Vormarsch befindet sich in der nördlichsten Kommune des Landkreises Wesermarsch zudem das Konzept „Ferien auf dem Bauernhof“. Gleich zwölf Betriebe bieten Unterkünfte an. „Im Norden laufen Ferien auf dem Bauernhof sehr gut“, stellt Tourismusexpertin Tina Tönjes fest.
Es gibt Betriebe, in denen die Gäste voll eingespannt werden können, vom Kühe füttern bis zum Pferdestall misten. Das Angebot unterliegt allerdings einer großen Bandbreite. Tina Tönjes: „Es gibt auch solche Betriebe, die zwar Hund, Katze, Maus und ein Pferd in der Ecke haben, wo die Gäste aber nur auf dem Hof schlafen und nicht wirklich ins Hofgeschehen einbezogen werden.“ Die Mitarbeiterin der Touristikgemeinschaft hat erfahren, dass Touristen oftmals aufgrund von Hygienevorschriften nicht in die landwirtschaftliche Arbeit einbezogen werden. Auch Sicherheitsgründe spielen eine Rolle, ergänzt Landwirtin Anke Wichmann. Die Bernerin bietet auf ihrem landwirtschaftlichen Hof im Ortsteil Neuenhuntorf eine Ferienwohnung an.
Anke Wichmann weiß, was es bedeutet Ferien auf dem Bauernhof anzubieten. “Eine Freundin von mir macht das in Brake. Mit allem drum und dan. Da können die Kinder Kälber füttern und Ponys reiten. Wenn ich näher an der Nordsee wohnen würde, würde ich das vielleicht auch anbieten.“
Nicht aber in Neuenhuntorf, denn Anke Wichmann weiß: Familien, die sich für einen Urlaub auf dem Bauernhof entschieden haben, wollen rund um die Uhr betreut werden. „Wenn man Bauernhofgäste hat, wollen die die kompletten ein oder zwei Wochen auf dem Hof sein und mit Trecker fahren oder Ponyreiten beschäftigt werden. Und man muss einen Grillplatz haben.“ All das könnten sie und ihr Ehemann als aktive Landwirte nicht leisten. „Das ist mir zuviel Extra-Arbeit.“
So hat sich die Neuenhuntorferin auf Bed & Bike-Gäste spezialisiert. „Die dürfen gerne mal beim Melken zuschauen, wenn sie wollen“, bietet die Landwirtin an. Freitag-, Sonnabend- und Sonntagnacht steht Wichmanns Wohnung für Durchreisenden zur Verfügung. Von Montag bis Freitag hat sie an einen Dauergast vermietet.
„Im Süden der Wesermarsch ist touristisch weniger los, weil es dort keine touristischen Ziele gibt“, vermutet Karsten Padeken, der Vorsitzende des Kreislandvolkverbandes. Dabei könnten diese von seinen Berufskollegen selbst geschaffen werden. Padeken nennt Hofführungen als einen möglichen Touristenmagneten. Auch einen Musterbetrieb hat der Landvolkvorsitzende bereits vor Augen – den Hof Seevern in Butjadingen. Auf dem 400 Hektar großen Landwirtschaftsbetrieb der Familie Habers mit Pferdepension erhalten Touristen Einblicke in die moderne Landwirtschaft mit Melkkarussell und Re-Energie durch eine Biogasanlage. Ponyreiten und Trecker fahren inklusive.
Gänzlich unbekannt sind Angebote dieser Art auch in der südlichen Wesermarsch nicht. Wer gezielt nachfragt, kann sich beispielsweise die Biogasanlage von Henning Kruse im Lemwerderaner Ortsteil Butzhausen anschauen. Nur hausieren geht der Landwirtschaftsmeister mit dem Angebot nicht. „Wenn mich jemand fragt, zeige ich die Anlage gerne“, sagt Kruse. „Nur von mir aus biete ich das aber nicht an. Ich hab auch ohne Hofführungen genug zu tun“, so der Betriebsleiter.
„Für Hofführungen müsste man so viel Geld nehmen, dass man für die Arbeiten, die in der Zeit der Führungen liegen bleiben, jemanden einstellen kann“, sagt Karsten Padeken. „Aber so viel würde niemand bezahlen wollen.“
Tina Tönjes kann nachvollziehen, dass nur wenige Landwirte Interesse an einer teilweise Umnutzung ihrer Höfe haben. „Die Landwirte sind gut beschäftigt.“ Mit Ferienwohnungen und Hofführungen könnten sie ihrer Meinung nach zwar neue Einnahmequellen generieren. Doch Tönjes sieht ein, dass dadurch auch neue, zusätzliche Arbeiten auf die Anbieter zukämen. Bei der Anzahl der benötigten Leiharbeiter in den örtlichen Betrieben kann die Fachfrau nachvollziehen, dass sich die Lemwerderaner Zimmeranbieter mehr auf Monteure, als auf Familien mit Kindern spezialisiert haben.