„Klärschlamm“ heißt das jüngste Reizwort für Bürger in Burg, Grambke, Oslebshausen und Gröpelingen. Grund: Möglichst schon im Jahr 2022 soll im Industriehafen eine Anlage in Betrieb gehen, die Trockenmasse aus Kläranlagen im nordwestdeutschen Raum verbrennt. Bewohner im Bremer Westen und in Bremen-Nord befürchten indes zusätzliche Umweltbelastungen allein schon durch den Transport des Klärschlamms. Es sei damit zu rechnen, dass täglich zusätzlich rund 300 Lastwagen über die Hafenrandstraße ins Industriehafengebiet fahren, sagt Rolf Vogelsang von der Bürgerinitiative „Oslebshausen und umzu“.
Zur Entlastung der Böden und des Grundwassers von Schadstoffen darf die Landwirtschaft ab 2030 keinen Schlamm aus größeren Kläranlagen mehr auf ihren Feldern verteilen. So will es der Gesetzgeber. Der Oldenburgisch-Ostfriesische Wasserverband (OOWV), Energieversorgung Weser-Ems (EWE), Hansewasser und Stadtwerke Bremen (SWB) wollen deshalb mit einer gemeinsamen Entsorgungsgesellschaft ins Verbrennungsgeschäft einsteigen. Der von der sogenannten Mono-Klärschlammverbrennungsanlage erzeugte Strom und die Abwärme sollen vermarktet werden.
Als Standort für den Großofen wird ein Gelände neben dem Kraftwerk Hafen der SWB favorisiert. Dort sind nach den Worten von Hansewasser-Pressesprecher Oliver Ladeur wichtige Voraussetzungen für den Betrieb der Anlage – zum Beispiel Personal, Werkstatt, Strom, Kühlwasser und Lastwagen-Stellflächen – vorhanden. Ladeur bezeichnet die thermische Entsorgung des Klärschlamms als Zukunftsweg. Und nur durch die Monoverbrennung, bei der keine weiteren Brennstoffe verwendet werden, könne der im Klärschlamm enthaltene Wertstoff Phosphor gezielt zurückgewonnen werden.
300 oder 30 Lastwagen
In der beim Kraftwerk Hafen geplanten Anlage sollen rund 50 000 Tonnen Trockenmasse verbrannt werden können. Mit der Folge, dass täglich rund 300 Lastwagen aus ganz Norddeutschland zum Industriehafen unterwegs wären und die Luft zusätzlich verschmutzen, kritisiert Rolf Vogelsang, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Gröpelingen. Oliver Ladeur macht dagegen eine andere Rechnung auf: „Sollte der gesamte Klärschlamm für eine künftige Verbrennungsanlage im Industriehafen per Lkw angeliefert werden, sind pro Tag 25 bis 30 Fahrten erforderlich, die den Weg über die Hafenrandstraße nehmen, über die jeden Tag rund 27 000 Autos rollen.“
Gleichwohl plädiert Vogelsang für eine kleinere Verbrennungsanlage, wenn diese denn schon im Bremer Westen entstehen solle. Sie dürfte dann nur den Klärschlamm aus der Kläranlage Seehausen verwerten, sagt er. Auch der ehemalige Anästhesist Hartmut Schurr aus Blumenthal warnte während des jüngsten „Bürgerschnacks für Burg, Grambke, das Werderland und umzu“ vor einer weiteren Zunahme des Mülltourismus, der schon jetzt in Bremen stattfinde. Für Schnurr ist die Klärschlammverbrennung mit der Braunkohleverbrennung vergleichbar, was die Abgase betrifft. Dabei werde Quecksilber freigesetzt, das zehnmal toxischer als Blei sei und deshalb nicht mehr in Benzin enthalten sein dürfe.
Oliver Ladeur unterstreicht hingegen, dass Errichtung und Betrieb der Klärschlammverbrennungsanlage einer Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz bedürfe. Außerdem werde eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgenommen. Im Übrigen zeichneten sich die für die Verbrennung vorgesehenen kommunalen Klärschlämme durch ein „niedriges Schadstoffspektrum“ aus. Ladeur: „Ziel bei der Auswahl der Anlagentechnik ist der Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen.“
In diesem Zusammenhang verweist Ladeur auch auf eine Monoverbrennungsanlage, die mitten in Zürich gebaut worden ist. Sie sei die modernste ihrer Art und diene in Bremen als Modell. Nach den Worten von Rolf Vogelsang beschweren sich Bewohner der Schweizer Großstadt allerdings immer öfter über Störfälle. Auch in Oslebshausen, Grambke und Burg klagen Anwohner regelmäßig über Luftverschmutzung, Lärm- und Geruchsbelästigungen aus dem Industriehafengebiet. Kein Wunder, sagt Rolf Vogelsang, hätten sich dort doch inzwischen 23 Betriebe angesiedelt, die nur mit Müll und gefährlichen Stoffen handelten.
Damit keine Probleme und kritischen Nachfragen unter den Teppich gekehrt werden, ist denn auch in Sachen Klärschlammverbrennung nach den Worten des Hansewasser-Sprechers Transparenz wichtig. Deshalb habe man schon früh mit der Landespolitik und vor allem dem Ortsamt West, dem Beirat Gröpelingen und der Bürgerinitiative Oslebshausen Kontakt aufgenommen und sie über den Stand der Planungen informiert. Ladeur: „Damit nicht nur Gerüchte und diffuse Ängste die Runde machen.“