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Entwässerung des Hinterlandes Gegen die Schwerkraft

Der Stedinger Entwässerungsverband hat am Freitag ein neues Schöpfwerk zwischen Stedinger Kanal und Berne eingeweiht. Dank des Bauwerks kann er seine tiefliegenden Moorareale noch zuverlässiger entwässern.
18.09.2018, 18:55 Uhr
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Gegen die Schwerkraft
Von Barbara Wenke

Ganderkesee/Motzen. Wer als Kind am Strand im Sand gespielt und über Rillen Wasser in Gräben und um Burgen herum geleitet hat, der kann in etwa ermessen, was Jürgen Busch täglich tut. Mit einer Ausnahme: Für Busch ist es kein Spiel. Von seinem Wassermanagement hängt ab, ob tiefgelegene Moorweiden im Wasser versinken oder Grünflächen in der Marsch trockenfallen. Denn Jürgen Busch ist Techniker beim Entwässerungsverband Stedingen. Soeben hat der Verband sein neues Schöpfwerk eingeweiht, mit dem die Entwässerung der moorigen Areale im Verbandsgebiet erheblich erleichtert wird. Und dazu gehört auch der Norden der Gemeinde Ganderkesee.

Über einen Schotterweg erreichen Jürgen Busch und Verbandsvorsteher Bernd Döhle das neue Bauwerk zwischen dem Flüsschen Berne und dem Stedinger Kanal. Auch in der Vergangenheit gab es dort ein Schott. Allerdings ohne viel Technik. Bis zum vergangenen Frühjahr war Muskelkraft gefragt, wenn man über das vorhandene Schott einen Wasserausgleich schaffen wollte. Jetzt kann Jürgen Busch das Bauwerk von seinem Büro in Motzen aus per Knopfdruck bedienen.

Im Normalfall werden die Moorgebiete über den Motzener Kanal und das Stedinger Siel entwässert. Einen hohen Wasserstand im Ollener-, Hiddigwarder- oder Hekelermoor über das ehemalige hölzerne Bauwerk zu entwässern, setzte viel Vorarbeit voraus. Denn üblicherweise steht das Wasser in der Berne und der Ollen deutlich höher als im Stedinger Kanal. Bei einer Öffnung des alten Schotts wäre also zusätzliches Wasser in den Kanal hinein gelaufen, statt hinaus.

Döhles Amtsvorgänger Thammo Wenke hatte einen Trick ersonnen, wie er die Fließrichtung des Wassers an dieser Stelle umdrehen konnte. Der Verband begann, an mehreren Tagen in der Woche den Wasserstand in Berne und Ollen bewusst so niedrig zu halten, dass eine „Freiflutmöglichkeit“ in Richtung Hunte entstand. An diesem Morgen steht das Wasser in der Berne 58 Zentimeter höher als im Kanal. Doch diese Zahl ist nicht ausschlaggebend. Busch achtet mehr auf den realen Wasserstand im Stedinger Kanal, denn der darf niemals höher ansteigen als 40 Zentimeter unter normal Null. „Steigt das Wasser höher als bis zu dieser Marke, dann saufen die Weiden hier ab“, sagt Bernd Döhle mit einer ausschweifenden Armbewegung in Richtung der umliegenden Grünflächen.

40 Zentimeter Stauraum

Für den Laien scheint die Berne der größere Feind der tief liegenden Flächen zu sein. Denn das Ufer mit Bäumen überragt die Wiesen um gut einen Meter. Döhle und Busch jagt diese Begebenheit jedoch keine Angst ein. „In der Berne und der Ollen haben wir noch 40 Zentimeter Stauraum“, beruhigt der Verbandsvorsteher. Aufgrund des großen Sperrwerks zwischen Weser und Hunte könne der Wasserstand in der Hunte und ihren nachgelagerten Flüssen so gesteuert werden, dass immer die Möglichkeit bestehe, Wasser abzuleiten. Unabhängig davon wie viel Oberflächenwasser aus der bis zu 38 Meter höher gelegenen Geest nachläuft.

Das 22 000 Hektar große Verbandsgebiet mit mehr als 400 Kilometern Verbandsgewässern teilt sich in verschiedene, voneinander unabhängige Einzugsgebiete auf, die über drei Mündungsschöpfwerke entwässert werden – über das Neuenhuntorfer Siel, das Lichtenberger Siel sowie das Stedinger Siel in Motzen. Der Stedinger Kanal gehört zum Einzugsgebiet des Stedinger Siels. Über ihn werden 1553 Hektar Moorfläche entwässert, vom Ollener Moor bis hin nach Schönemoor.

Das Gebiet könnte dank des neuen Schöpfwerks auch an das Lichtenbergersiel mit seinem Abfluss in die Hunte angeschlossen werden. Die Wahrscheinlichkeit für diese Eventualität steigt jährlich. Starkregenereignisse nehmen zu und damit auch die Wassermassen, die von der Geest kommend Richtung Hunte und Weser fließen.

Ein mögliches Szenario: Während einer nächtlichen Sturmflut in der Weser kommt es zu einem Starkregen in Neuenlande oder Bookholzberg. Aufgrund des hohen Wasserstands in der Weser wäre es nicht mehr möglich, das Hinterland über diesen Weg zu entwässern. „Wir können nur Wasser in die Weser pumpen, wenn diese nicht über 3,30 Meter über normal Null aufgelaufen ist“, erklärt Döhle. In diesem Fall müsste das Nass also auf einem anderen Weg aus dem Moor gebracht werden, wenn man nicht riskieren möchte, dass es sich großflächig sammelt. „Früher ist den Bauern nach Starkregenereignissen im Sommer auch schon mal das Heu weggeschwommen“, berichtet der Verbandsvorsteher.

Dank des neuen Schöpfwerks dürfte dieses Szenario der Vergangenheit angehören, denn nun kann das nachlaufende Oberflächenwasser per Förderschnecke in die Berne transportiert werden. Jürgen Busch: „Die Förderschnecke bewegt 1500 bis 1800 Liter pro Sekunde.“ Döhle ergänzt: „Durch die Förderschnecke können wir auch Wasser auf den höheren Wasserstand in der Berne transportieren.“

Doch nicht nur die immer häufiger eintretenden Starkregen machen dem Verband zu schaffen. „Die Moorflächen sacken um einen Zentimeter pro Jahr ab. Aber der Wasserstand bleibt gleich“, berichtet der Vorsteher. Deshalb werde eine hochwertige technische Ausstattung immer wichtiger. Die Kosten für das neue Schöpfwerk liegen im hohen sechsstelligen Bereich, sagt Bernd Döhle. „Und wir haben weiteren Bedarf. Wir müssen dringend das Lichtenberger Siel sanieren. Dafür hoffen wir auf Landes- und Bundeshilfe.“ Mit dem Bau des Schöpfwerks im Ollenermoor habe man allerdings nicht warten können, bis die Politik Gelder frei gibt. Deshalb habe der Entwässerungsverband Stedingen die volle Summe aus eigener Tasche bezahlt.

Seine Einnahmen bezieht der Verband aus den Abgaben der Grundstückseigentümer im Verbandsgebiet. Berechnet wird nach Größe. Pro Hektar sind 21,60 Euro fällig, wobei auch Eigentümer kleinerer Flächen mit diesem Grundbetrag zur Kasse gebeten werden. Gewerbetreibende zahlen einen Erschwernisbeitrag für versiegelte Flächen. Auf denen kann kein Oberflächenwasser versickern. Es belastet dadurch die Verbandsgewässer sofort.

Weitere Informationen

Am Freitagnachmittag wird der Stedinger Entwässerungsverband sein neues Schöpfwerk, das bereits seit einigen Wochen in Betrieb ist, offiziell einweihen. Geladen sind neben dem Verbandsvorstand und einigen Politikern auch die Nachbarn sowie die Landeigentümer, die die Trasse für den geschotterten Weg zur Verfügung gestellt haben, über den sich Jürgen Busch und Bernd Döhle an diesem Morgen wieder auf den Weg nach Hause machen.

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