Labormitarbeiterin Sandra Siebert beugt sich über einen Objektträger und deutet auf einen klitzekleinen Punkt: „Das ist ein Raps-Pollen.“ Die blonde Frau ist eine von 100 Mitarbeitern eines Bremer Honig-Labors. Im Labor werden täglich verschiedene Honige untersucht, zuweilen dabei sogar Honigpanschern das Werk gelegt. Manchmal sogar im großen Stil, wie bei einem der größten Lebensmittel-Betrugsskandale der US-Geschichte.
Melamin in Milch, Ziegelsteinpulver im Paprikagewürz, Sägemehl in Tee und billiger Sirup in Honig: Lebensmittelbetrug ist ein globales Thema. „Bei von Lebensmittelbetrug betroffenen Produkten liegt Honig auf dem dritten Platz“, sagt Uwe Karassek. Er ist bei QSI für den Vertrieb zuständig.
In einer Studie habe die Europäische Kommission Honige aus fast allen europäischen Ländern untersucht. Ein Großteil der untersuchten Ware habe nicht der Honig-Richtlinie der EU entsprochen. Das sei zugleich eine Herausforderung für die Labore.
Für Karassek ist es kein Wunder, wenn Honig verfälscht und damit gestreckt wird. Denn die Nachfrage nach Honig sei weiterhin weltweit hoch. Auch in Deutschland sei Honig ein beliebtes Produkt. Deutsche Imkereien können den Bedarf aber nicht decken, weiß man bei QSI. Nach Angaben des Honigverbands wurde 2018 nur jedes vierte in Deutschland gekaufte Honigglas auch hierzulande hergestellt. „Honig ist eine globale Handelsware. Die Zumischung von Zucker oder billigem Sirup in den Honig kann daher vor allem für große Importeure lukrativ sein. Es gibt immer neue Wege und neue Techniken, um den Honig zu verfälschen“, sagt Uwe Karassek. Die Labore seien daher gefordert, den Tricks der Honigwäscher mit ebenfalls immer neuen Techniken auf die Spur zu kommen.
Die Vielfalt der nachweisbaren Substanzen habe sich in den vergangenen Jahren drastisch erhöht: „Wurden vor zehn Jahren nur kleine Pestizid-Spektren untersucht, prüfen wir heute auf über 600 Pestizide“, sagt Karassek.
QSI ist nicht das einzige Honig-Labor in Bremen. Auch andere Firmen untersuchen Honig. Mehrere Hundert Proben täglich bekommt allein die Firma am Flughafendamm zugeschickt. Darunter findet sich in diesen Wochen auch eine Probe vom Honig meiner Bienen. Dass örtliche Imker ihre Ware überprüfen lassen, kommt vor. Etwa, weil diese feststellen wollen, welchen Pollen ihr Honig enthält. Zumeist aber nutzten Exporteure, Importeure und Händler den Qualitätscheck. Verfälschter Honig gelange somit gar nicht erst auf den Markt. Uwe Karassek: „In Deutschland ist Honig eines der am besten untersuchten Lebensmittel überhaupt.“
QSI hilft auch Lebensmittelbetrug aufzudecken. „Durch unsere Analysen können wir verhindern, dass minderwertige beziehungsweise mit verbotenen Antibiotika belastete Ware auf den Markt gelangt“, so Uwe Karassek. Dadurch habe QSI unter anderem zur Aufklärung des Falls des mit Antibiotika belasteten Honigs in den USA beigetragen. Die Suche nach Rückständen von Tierarzneimitteln ist wegen des nicht erlaubten Einsatzes in der Imkerei seit den 80er-Jahren ein Thema bei QSI.
Der genannte Fall ging als Lebensmittel-Betrugsskandal 2008 als größter Schmuggelskandal in die US-Geschichte ein. Mitarbeiter eines Hamburger Unternehmens sollen dabei eine Verschwörung gebildet haben, um falsch deklarierten Honig zu importieren. Auch ein Bremer Kaufmann, der für ein Hamburger Handelshaus Honig verkauft hat, wurde von Interpol gesucht.
Die US Behörden warfen letztlich mehreren Firmen Honigschmuggel und Zollbetrug vor. Die Firmen sollen Import-Honig aus China mit falschen Etiketten versehen und durch diese Bezeichnung Zölle in Millionenhöhe umgangen haben.
Die QSI-Mitarbeiter können auf verschiedene Verfahren zurückgreifen, um nachzuweisen, dass Honig verfälscht wurde. In den klinisch anmutenden Räumen stehen riesige Apparate, die von außen an Drucker erinnern. Labormitarbeiterin Annette Chmielecki stellt exakt abgewogene Honigproben hinein. Wenn sie diese nach 15 Minuten aus einer der Black Boxes herausholt, weiß sie, ob die Probe den gesetzlichen Mindestwerten entspricht. Geprüft werden maschinell diverse Werte wie etwa Diastase.
Diastase ist ein bieneneigenes Enzym, das die Biene dem Nektar hinzufügt. Es ist ein Qualitätskriterium für Honig. Der Wert müsse laut Honigverordnung bei mindestens acht liegen, erklärt der staatlich geprüfte Lebensmittelchemiker Markus Krieger. Krieger zieht den Prüfbericht für den Honig meiner „Zeitungsbienen“ hervor: Der Diastase-Wert meiner „Mädels“ liegt bei 29,3 DZ. Dass der Honig verfälscht wurde, gilt damit als unwahrscheinlich, was mich natürlich nicht überrascht.
Nicht nur durch Zugabe fremder Stoffe machen Kriminelle Geld. Auch die falsche Etikettierung von Honig gilt als Verfälschung. Lebensmitteltechniker Markus Krieger: „Die botanische Herkunft von Honig kann bewusst falsch angegeben werden.“ So ließen sich reine Sortenhonige wie etwa Rapshonig teurer verkaufen als Blütenhonig.
In den deutschen Leitsätzen für Honig sind Krieger zufolge Vorgaben definiert, wie zum Beispiel der Mindestpollengehalt oder das Verhältnis von Fructose zu Glucose für Sortenhonige. Folglich sei eine Überprüfung der botanischen Herkunft im Labor wichtig. „In Deutschland wird Honig nach den Vorgaben der Honigverordnung beurteilt. Ware, die diesen Vorgaben nicht entspricht, darf nicht als Honig in den Verkehr gebracht werden.“
Markus Krieger und Uwe Karassek führen in den Raum, in dem Sandra Siebert und ihre Kollegen Pollen untersuchen. Die Arbeit lässt sich nicht auf Maschinen übertragen. Siebert hat eigentlich einen anderen Beruf erlernt und arbeitet erst seit Februar in der Firma. Für ihre neue Tätigkeit braucht sie vor allem ein geschultes Auge und viel Erfahrung. Sie muss wissen, von welcher Blüte der Pollen auf ihrem Objektträger stammt.
Sie deutet auf einen eher unförmigen Pollen: Dieser stamme von einem Obstgehölz. Es gibt zwar Bücher über Pollen. Aber Sieberts Kollegen haben nach Besuchen in botanischen Gärten, wo sie Pollen gesammelt haben, eigene Ordner angelegt, um Honigsorten bestimmen zu können. So machen sie mitunter auch Pollen aus entfernten Ländern ausfindig, der in heimischem Honig nichts zu suchen hat.
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Bienen rücken immer mehr ins Blickfeld der breiten Öffentlichkeit. Imkern ist in. Doch wie kommt man zum Schwarm seines Lebens? In lockerer Folge berichte ich über meine ersten Schritte als Imkerin und das Abenteuer Bienenhaltung.