Lesum. Die meterlangen Brombeerranken machen den jungen Frauen und Männern die Arbeit nicht leicht. Die 33 Jugendlichen, die an diesem Tag im Schulgarten der Oberschule Lesum im Einsatz sind, absolvieren aktuell ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ). Im Rahmen einer Seminarfahrt des Sozialen Friedensdienstes (SFD) engagieren sie sich einen Tag lang in Lesum.
Der Garten ist überwuchert von der Armenischen Brombeere, die von den jungen Helfern mit starken Astscheren beseitigt werden soll. Der immergrüne Strauch wuchert nicht nur am Rande des Atriumgartens, seine Zweige kriechen längst auch über die Waschbetonplatten am Boden. „Seid vorsichtig mit den Brombeeren, es ist gefährlich, wenn man die Ranken ins Gesicht bekommt, die spitzen Dornen können zu schlimmen Verletzungen führen“, sagt Gärtnermeister Johannes Hübotter, der die Freiwilligen anleitet und zum Schutz jeden mit einem Paar gelber Lederhandschuhe ausgestattet hat. Schulleiterin Waltraud Struß-Bembenek hatte beim Elternverein um Mittel für den Einkauf von Gartenwerkzeug gebeten.
Doch der Schulgarten der Oberschule Lesum ist nicht nur stark von Brombeeren zugewachsen, auf dem Waschbeton haben sich auch dicke Polster aus Moos angesiedelt, und zwischen den Fugen wuchern Gräser. Wo einst Beete mit Gemüse und Kräutern waren, machen junge Eichen und hohe Stauden aus dem Garten langsam eine undurchdringliche Wildnis. Atriumgärten wie die an der Oberschule Lesum sind ringsum von Gebäuden oder Mauern eingefasst.
„Diese schön gestalteten Gärten, die in den 1970er-Jahren angelegt wurden, sind häufig abgeschlossen und meist gar nicht mehr betretbar, einige sind wie ein Dornröschenschloss vom Gestrüpp der Brombeeren überwuchert“, sagt Johannes Hübotter. „Der Umweltbetrieb ist finanziell und personell überfordert, wenn es um die Pflege dieser Gärten geht.“ Wie die Zukunft des Schulgartens aussieht, ist deshalb bisher ungewiss. Zunächst bleibt es bei der einmaligen Aktion der Freiwilligen.
Für die jungen Frauen und Männer jedenfalls bedeutete das Anpacken im Garten gemeinschaftliche Arbeit: „Es ist gut, wenn alle zusammen arbeiten, das praktische Tun trägt zur Auflockerung in der Gruppe bei“, sagt Julia Bloch vom SFD. Das Gemeinschaftsgefühl werde gestärkt. „Mit der Gartenarbeit lernen die Teilnehmer auch die heimische Pflanzenwelt kennen“, erläutert Bloch. Denn an diesem Tag erzählt ihnen Johannes Hübotter einiges über die Gewächse, die sie im Schulgarten vor Augen haben, und auch etwas über das Berufsfeld des Gärtners. „Beim Klimaschutz wollen viele auch etwas selber machen und nicht alles der Politik überlassen“, so Bloch. Der SFD will in Zukunft Freiwillige verstärkt an Schulen einsetzen, um zum Beispiel bei der Betreuung von Schulgärten zu helfen.
Jana Phung, 18 Jahre alt, ist bereits dabei: Sie macht ihr Freiwilliges Ökologisches Jahr an der Ganztagsgrundschule an der Karl-Lerbs-Straße in der Bremer Neustadt und hilft den Kindern, Weizen, Roggen und Lupinen in kleinen Äckern anzubauen. „Das läuft an dieser Schule über Projektangebote am Nachmittag, wobei uns Umweltbildner unterstützen“, sagt sie und ergänzt: „Dabei versuchen wir auch, an der Entsiegelung des Schulgeländes zu arbeiten.“
Ein Problemstrauch
Während ihres Einsatzes im Schulgarten vermittelt Johannes Hübotter den jungen Menschen zudem Hintergrundwissen zur Armenischen Brombeere, einer invasiven Arten, die vom Menschen eingeschleppt wurde und wahrscheinlich aus der Kaukasusregion stammt. Nicht nur in Bremen ist sie vor allem in brachliegenden Kleingärten, aber auch auf naturnahen Flächen, die nicht gepflegt werden, zum Problemstrauch geworden. „Doch auf der anderen Seite hat diese Brombeerart auch wohlschmeckende Früchte und bietet mit ihrem Dickicht Nistgelegenheiten für Vögel“, sagt Johannes Hübotter, „man sollte sie also nicht ganz verteufeln.“
Verwilderte Schulgärten sind auch in Bremen-Nord ein Problem, doch andererseits nutzen immer mehr Schulen Schulgärten, um den Schülern ökologisches Bewusstsein zu vermitteln.
Auch beim Klimaschutz, der Inklusion und der Integration spielen sie eine immer größere Rolle. „Inzwischen gibt es in Bremen mehr als 40 Schulen, die Schulgärten betreiben“, sagt Sylke Brünn vom Lehr- und Erlebnisgarten Floratrium in Horn-Lehe. Sie berät Lehrer zum Thema Schulgärten und bietet fünf Mal im Jahr Schulungen für sie an. „Vier Schulen allein aus Bremen-Nord haben in diesem Jahr wegen Unterstützung bei der Anlage und Pflege eines Schulgartens bei uns angefragt“, sagt Sylke Brünn.
Insgesamt sei besonders bei Oberschulen das Interesse deutlich gestiegen, unter denen viele das Thema „Garten“ oder „Flora und Fauna“ auch als Wahlpflichtfach anbieten. Schulgärten eignen sich ihren Worten nach besonders, um Wissen über Natur und Nachhaltigkeit zu vermitteln und kommen auch bei Kindern und Jugendlichen mit geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen gut an. Auch für die Integration von Migranten sei die Arbeit im Schulgarten gut geeignet.
Inzwischen werde die Idee des Schulgartens auch beim Lehrpersonal gut aufgenommen. „Wenn ich in die Schulen gehe, sind mittlerweile oft ganze Gruppen von Lehrern dabei, die sich für das Thema Schulgarten interessieren“, sagt Sylke Brünn.
Infos über Schulgärten
Informationen zum Thema Schulgartenarbeit bietet der Landesverband der Gartenfreunde, Johann-Friedrich-Walte-Straße 2, unter der Telefonnummer 04 21 / 33 65 51 21 oder unter der E-Mail s.bruenn@gartenfreunde-bremen.de sowie im Internet unter www.gartenfreunde-bremen.de.