Bremen-Nord. Händeringend suchen Restaurants und Hotels nach Köchen. Die Lage spitzt sich fortlaufend zu. Angesichts der Engpässe geraten immer mehr Betriebe in Existenznot, müssen schlimmstenfalls sogar schließen. Auch in Bremen-Nord kommen Inhaber und Betreiber wegen des Personalmangels in die Bredouille, zumal es unter den Köchen offenbar auch schwarze Schafe gibt, welche die Misere schamlos ausnutzen und ständig die Arbeitgeber wechseln.
„Es gibt Namen von Köchen, die man in diesem Zusammenhang mehrfach hört“, bestätigt Nathalie Rübsteck, seit Oktober Geschäftsführerin des Landesverbands des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), und erklärt: „Das sind häufig Köche, die eher schwierig sind.“ Laut Tarifvertrag verdient ein Koch gegenwärtig zwischen 2700 und 2900 Euro monatlich. „Gute Köche sind schwer zu finden, deshalb werden sie nicht tariflich bezahlt“, so Rübsteck. Wegen der Engpässe seien sie zudem in der Position, spezifische Konditionen auszuhandeln. „Daher haben einige Betriebe mehr Ruhetage, keinen Mittagstisch oder reduzierte Öffnungszeiten.“
Fachkräfte haben theoretisch die freie Wahl. Stadtweit suchen allein über ein Online-Portal aktuell 73 Betriebe passenden Küchenchefs oder Köche, darunter namhafte Restaurant und Hotels, aber auch die Bremische Kirche, das Studentenwerk oder die Gesundheit Nord. Öffentlich möchte sich aber kein Verantwortlicher zu dem Missstand äußern – trotz entsprechender Nachfrage der Dehoga. Es könnte ein schlechtes Licht auf den betroffenen Betrieb fallen, heißt es. Dabei leidet tatsächlich die gesamte Branche unter dem akuten Nachwuchsmangel.
„Es gibt natürlich tolle Auszubildende“, betont die Dehoga-Chefin, aber die Durchfallquote sei bei Köchen hoch. Vielen Aspiranten fehle schlichtweg die nötige Reife. „Einige Betriebe geben deshalb bei der Ausbildung entnervt auf“, sagt Rübsteck. Selbst die erfolgreichen Absolventen seien anschließend nicht unbedingt zu hundert Prozent einsatzfähig. Schließlich gehe es darum, verlässlich zu sein, die Übersicht zu behalten, punktgenau zu servieren und bei alldem die Hygieneauflagen einzuhalten.
„Wäre ich eine Fee, würde ich mir viele motivierte Kochauszubildende wünschen. Das jetzige Angebot deckt nämlich nicht den Bedarf. Das wird in Zukunft ein größerer Engpass.“ Für die traditionelle Gastronomie prophezeit Nathalie Rübsteck langfristig massive Veränderungen. Schon jetzt manifestiere sich der technische Wandel.
Gearbeitet werde vermehrt mit Fertigprodukten, vorgekochten und schockgefrosteten Speisen oder dem Sous-Vide-Verfahren (Vakuumgaren). „Das reduziert den Aufwand bei der Bestellung der Ware und ist effektiver.“ In der höheren Gastronomie gebe es bis dato zwar kein Convenience Food, also vorbereitetes Essen, „aber auch im hohen Level werden die Abläufe effizienter gestaltet“, so die Dehoga-Chefin.
Wer als Koch arbeitet, muss nicht zwingend dazu ausgebildet sein. Wer den Beruf aber stattdessen von der Pike auf erlerne, müsse bestmöglich gefördert werden sagt die Dehoga-Chefin. Seit 2020 gebe es daher die Dehoga-Zertifizierung „Top-Ausbildungsbetrieb“, das erste bundesweite und branchenspezifische Qualitätssiegel.
Zwei halten durch
Das „Restaurant Kränholm“ in Lesum hat Anfang 2019 als Ausbildungsoffensive ein sogenanntes Time-to-Share-Projekt aus der Taufe gehoben, um Nachwuchs anzulocken und ans Haus zu binden. Und es hat geklappt. „Wir haben vier Koch-Auszubildende eingestellt“, erzählt Küchenchef Marcus Peters. „Das war ein Erfolg für uns, obwohl zwei Azubis wegen der Arbeitszeiten und Anfahrtswege aufgegeben haben.“ Die beiden verbliebenen Nachwuchsköche seien 20 und 21 Jahre alt, „und sie scheinen durchzuhalten“, freut sich Peters. Der Küchenchef ist selbst erst 27 Jahre alt. Er hat in Bremen unter anderem in den Restaurants „Villa“ und „Jürgenshof“ das Handwerk gelernt. Vom Time-to-Share-Projekt ist er überzeugt. Es beinhaltet nicht nur eine übertarifliche Bezahlung, sondern auch einen Wagen der Marke Smart, den die Kränholm-Azubis bei Bedarf auch in ihrer Freizeit nutzen können. Profitieren können davon auch die drei angehenden Restaurant-Fachkräfte. „Wer keinen Führerschein hat, erhält ein Monatsticket als Ausgleich“, sagt Peters und ergänzt: „Allein eine gute Ausbildung reicht heute nicht mehr“
In Kränholm wird aber auch auf die fachliche Qualifikation viel Wert gelegt. Deshalb werden alle Azubis einmal monatlich in speziellen Seminaren geschult und erhalten dafür einen Freizeitausgleich. Wer darüber hinaus bei den Prüfungen gut abschneidet, erhält einen finanziellen Bonus.
All diese Angebote zeigen Wirkung: „Im letzten Jahr war die Lage viel schlechter“, sagt Marcus Peters. „Von den jungen Leuten wollen nur wenige Bäcker, Konditor oder Schlachter werden, die bevorzugen Bürojobs oder Social-Media. Da braucht man nicht an Feiertagen oder Wochenenden ran." Deshalb sei es notwendig, das Handwerk insgesamt wieder aufzuwerten und zu vermarkten.
Für die Zukunft erhoffe sich der Küchenchef, dass die Menschen gute Qualität erkennen, zu schätzen wissen und dafür auch zu zahlen bereit sind. Schließlich gelte es, in den handwerklichen Berufen eine angemessene Bezahlung zu garantieren. Aktuell sei in Kränholm alles bestens, so Peters. „Wir sind gut gebucht – auch für Hochzeiten. Und im Sommer kommen die Gäste wegen unserer Terrasse. Da machen wir uns keine Sorgen.“