In Reih und Glied marschiert das Spielleute-Orchester des Turn- und Rasensportverein Bremen (Tura) beim Findorffer Laternenumzug vorneweg. Angeführt wird das Orchester von Stabführerin Sarah Bardenhagen. Ihre Aufgabe an diesem Abend ist es, die Musikanten mit ihrem Stab anzuleiten.
Trommelsolo, daraufhin Stille, die marschierenden Spielleute schauen abwartend nach vorne. Bardenhagen hebt den Stab über ihren Kopf und wirbelt ihn nach links. Das gesamte Orchester beginnt zu spielen. Die Musik, die gespielt wird, ist taktvoll und laut. Aber nicht laut genug, damit auch die Hintersten in der Schar der Laternenläufer sie noch hören können.
Zu Beginn der dunklen Jahreszeit gibt es eine Vielzahl solcher Laternen- und Lampionumzüge. Winterlich, in Schneeanzug, Handschuhe und Mützen verpackte Kinder laufen dann hinter einem Spielmannszug her und singen die Lieder mit, die sie kennen. In der einen Hand ihre Laterne, in der anderen die Finger von Mama oder Papa.
Einen solchen Spielmannszug für den Umzug zu buchen, ist allerdings heute schon schwierig und wird in den kommenden Jahren nicht leichter werden. Das Problem ist, dass viele der Züge mittlerweile nicht mehr spielfähig sind. Nicht spielfähig bedeutet, dass es nicht mehr genug Nachwuchs gibt und dadurch die Besetzung mehr und mehr ausgedünnt wird.
Das hat zur Folge, dass unter Umständen die Begleitung der Umzüge spontan abgesagt werden müsste, weil am Umzugstag zu wenig Musikanten Zeit haben. In Bremen-Nord gibt es seit 2019 keinen Spielmannszug mehr, der solche Veranstaltungen begleitet. Im vergangenen Jahr konnten Gemeinden, Vereine und Organisationen noch die Freien Turner Blumenthal anfragen, doch auch sie mussten sich in diesem Jahr dem Engpass beugen.
"Uns war das zu unsicher. Spontan solche Umzüge abzusagen, weil doch nicht genügend Musikanten zusammenkommen, ist für alle Beteiligten ungünstig", erklärt Holger Gatz, Vorsitzender des Spielmannszuges der Freien Turner Blumenthal. „Wir sind der letzte Spielmannszug in Bremen-Nord und auch wir haben ein großes Nachwuchsproblem“. Der Verein habe sich im Laufe des Jahres bei verschiedenen Veranstaltungen präsentiert und für sich geworben. "Kinder davon zu überzeugen, bei uns mitzumachen ist sehr schwierig“, sagt Gatz. Das läge auch an der Schule, ist der Vorsitzende überzeugt. Dort würden die Kinder so sehr eingespannt, dass sie nicht mehr die Muse hätten, sich am Nachmittag mit Noten und Marschmusik zu beschäftigen.
Jeder Verein kämpft um Nachwuchs
Der Fanfarenzug aus Elsfleth strauchelt ebenfalls. „Jeder Verein kämpft um den Nachwuchs. Wir können noch Auftritte bestreiten, aber wir werden nicht jünger“, erklärt Anke Harapat, Vorsitzende des Fanfarenzugs, „irgendwann hat man ein Alter erreicht, in dem man das nicht mehr macht“. Die Saison des Fanfarenzuges beginne im Mai, bis August seien die Spieler nahezu jedes Wochenende unterwegs. Ab September ginge es dann weiter mit den Erntefesten und Kramermärkten. „Unsere Spieler müssen viel Zeit aufbringen, die hat heute nicht mehr jeder“, sagt Harapat weiter.
Bei Tura in Gröpelingen sieht die Lage etwas entspannter aus. Das Spielleute-Orchester ist, als eines von wenigen in Bremen, noch spielfähig. „Auf dem Papier haben wir noch 35 aktive Spieler, allerdings ist es auch bei uns so, dass unsere Mitglieder durch die Arbeit zu eingespannt sind, um Proben und Auftritte zu besuchen“, sagt Wolfgang Schmidt, Leiter der Spielleute.
Das Orchester sei nur spielfähig, weil es in der Hinterhand noch genug Leute gebe, die dann und wann aushelfen. Außerdem sei es durch seine breite Aufstellung attraktiv für viele Musiker. „Wir laufen nicht nur bei Laternenumzügen mit, sondern geben auch Bühnenkonzerte. Dort spielen wir nicht nur Marschmusik, sondern alles – von Klassik bis zu Rock- und Pophits von heute“, erklärt Schmidt weiter.
Musikalisch breit aufgestellt sind auch die Spielleute der Freien Turner Blumenthal. Obwohl sie nicht mehr bei Umzügen dabei sind oder freie Konzerte geben, proben die Mitglieder noch regelmäßig. „Wir werden nicht die Flinte ins Korn werfen“, sagt Holger Gatz. „Schwere Zeiten für Vereine habe es schon früher gegeben und dennoch kommen viele Leute immer wieder zurück“. Auch ginge es bei den Proben darum, weiterhin gemeinsam zu musizieren und Spaß zu haben.
„Wir wollen versuchen auch die Erwachsenen anzuwerben“, berichtet Gatz. Die regelmäßigen Proben bieten für die Neuzugänge auch eine Anlaufstelle und den Rückhalt eines Vereins. Einzelne Spielleute unterstützen des Öfteren Züge in Bremen oder Bremerhaven. „Das ist das Schöne an Musik, sobald man ein gewisses Repertoire hat, ist man in der Lage, auch mit anderen ohne Probleme zusammenzuspielen“.
Die Hoffnung aller Spielmannszüge ist es, dass sich das Personalproblem in den kommenden Jahren lösen wird. Wenn nicht, müssten Laternen- und Erntefestumzüge zunehmend ohne die Marschbegleitung stattfinden.