Niedersachsens Mieter sollten seit drei Jahren ein Instrument an der Hand haben, um sich gegen überteuerte Mieten zu wehren: die Mietpreisbremse. Der Preis für Neuvermietungen soll demnach nur noch zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Ansonsten könnte man seinen Vermieter verklagen und Geld zurückfordern. Soweit die Theorie. In der Praxis sieht es jedoch ganz anders aus.
„Ernüchternd“ findet der niedersächsische Mieterbund die Effekte der Mietpreisbremse. Einen einzigen Rechtsstreit in der Sache habe er in den letzten Jahren betreut, erzählt Justiziar Reinhold von Thadden. Grundproblem der Mietpreisbremse sei, dass Mieterinnen und Mieter gerade in angespannten Wohnungsmärkten niemals die Auseinandersetzung mit ihren Vermietern suchen würden, da diese immer andere Bewerber hätten: „Da hilft es einem Mieter auch wenig, wenn die Gesetze auf seiner Seite stehen.“
In Bremen gilt die Mietpreisbremse bereits seit vier Jahren. Sie steht dort allerdings mehr oder weniger nur auf dem Papier. „Solange es keinen Mietenspiegel gibt, fehlt die Grundlage“, sagt Ingmar Vergau, Geschäftsführer von Haus und Grund. Den einzigen Effekt sieht der Vertreter des Eigentümerverbands in der Verunsicherung von Vermietern: „Wir haben durch Befragungen festgestellt, dass aus Furcht vor Regulierungsmaßnahmen die Mieten in den vergangenen Jahren häufiger erhöht wurden, als das vorher der Fall war.“ Im Ergebnis seien sie aber immer noch moderat, von einem angespannten Wohnungsmarkt könne in Bremen nicht die Rede sein.
Gert Brauer, Geschäftsführer beim Bremer Mieterschutzbund, bezeichnet die Mietpreisbremse als „völlig wirkungslos“. Seine Organisation habe bei Tausenden Beratungen im Jahr bislang keinen einzigen Fall betreut, in dem die Mietpreisbremse eine Rolle spielte. Voraussetzung für so eine Bremse sei die gerichtsfeste Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete, doch so etwas gebe es in Bremen nicht.
Justiziar spricht von Fehlkonstruktion
Sich als Mieter mit Gutachten zu behelfen und die Forderung mit einem Anwalt vor Gericht durchzusetzen, komme aus Kostengründen nicht infrage: „Da müssten sie erst einmal ein paar Tausend Euro vorschießen, das macht doch keiner.“ Brauer fordert einen Mietenspiegel, damit die Mietpreisbremse zur Wirkung kommt: „Wir erleben selbst in Walle und Gröpelingen, dass bei Neuvermietungen zehn oder elf Euro für den Quadratmeter genommen werden, das ist krass und würde mit einer Bremse, die funktioniert, nicht passieren.“
Der Niedersachse von Thadden spricht bei der Mietpreisbremse in ihrer bisherigen Form von einer „Fehlkonstruktion“ – zu viele Ausnahmen, zu wenige Sanktionsmöglichkeiten. Anfang des Jahres hat der Bund nachgesteuert: Seitdem sind Vermieter in der Auskunftspflicht, wenn sie eine Ausnahmeregelung in Anspruch nehmen. Mieter sollen außerdem leichter zu viel gezahlte Miete zurückverlangen können. Das Grundproblem ist damit laut Reinhold von Thadden nicht gelöst: mehr bezahlbarer Wohnraum. Hier deckt sich seine Ansicht auch mit der Einschätzung des Eigentümerverbandes Haus und Grund. Dessen Niedersachsen-Chef Reinhold Horst hatte die Mietpreisbremse schon bei ihrer Einführung als „völlig falsches Instrument“ bezeichnet. Damit werde dem Markt Geld entzogen, um Wohnraum zu schaffen. Drei Jahre später sagt Horst: „Die Befürchtungen haben sich be-stätigt.“
Das niedersächsische Bauministerium bezeichnet die Mietpreisbremse hingegen als „wichtiges und richtiges Instrument, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen". Allerdings sei sie auch kein Allheilmittel. Das Land will deswegen 400 Millionen Euro zusätzlich in die Schaffung von Sozialwohnungen stecken, bis 2030 sollen mit weiteren Mitteln des Bundes rund 40.000 neue Wohnungen entstehen. Nach Angaben der Investitions- und Förderbank Niedersachsen sind bis Ende November rund 188 Millionen Euro aus dem Fördertopf beantragt worden. 1700 neue Wohnungen sind damit geplant.
Göttingen mit Bündnis für bezahlbaren Wohnraum
Betroffene Kommunen setzen ohnehin auf andere Werkzeuge als die Mietpreisbremse. In der Universitätsstadt Göttingen etwa ist der Wohnungsmarkt seit Jahren angespannt. Ob die Mietpreisbremse hier etwas gebracht hat, könne man gar nicht wirklich nachvollziehen, sagt ein Stadtsprecher. Göttingen habe aber ein Bündnis für bezahlbaren Wohnraum gegründet, um des Problems Herr zu werden.
Auch auf der Nordseeinsel Borkum gilt seit drei Jahren die Mietpreisbremse. Bezahlbarer Wohnraum sei hier besonders wichtig, da Fachkräfte nicht einfach so pendeln könnten, sagt ein Sprecher. Konkrete Effekte der Mietpreisbremse seien aber bisher nicht messbar gewesen. Das Hauptproblem auf der ostfriesischen Insel: Viele würden aus ihren Häusern Ferienwohnungen machen, dabei gehe Wohnraum verloren. Dem hat die Verwaltung nun einen Riegel vorgeschoben. „Dadurch erhoffen wir uns mittelfristig eine Auswirkung auf die Mietpreise“, sagt der Sprecher.
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