Taktik oder Kapitulation? Polizisten mussten zusehen, wie Feiernde vor der Grohner Düne mit einer Schreckschusspistole und einer sogenannten Anscheinswaffe in ihre Richtung zielten. „Das Lob gebührt den betroffenen Polizisten, die selbst in solch für sie kritischen Situationen, wie dem Zeigen einer Maschinenpistole, sehr besonnen handeln“, sagt Lüder Fasche, Chef der Bremer Polizeigewerkschaft (GdP). Für diesen Mittwoch haben sowohl Bündnis90/Grüne als auch die CDU eine Berichtsbitte für die Innendeputation eingereicht.
„Selbstverständlich darf die Grohner Düne kein rechtsfreier Raum sein“, sagt dazu die Nordbremer Bürgerschaftsabgeordnete der Grünen, Maike Schaefer. Etwas drastischer formuliert es die CDU-Abgeordnete Silvia Neumeyer: „Wenn in der Silvesternacht in feiernden Menschenmengen mit Schreckschusspistolen oder Anscheinswaffen hantiert wird, erwarte ich, dass die Polizei unverzüglich einschreitet, solche gefährlichen Aktionen sofort unterbindet und die Chaoten dingfest macht. Gerade nach den Vorkommnissen um Silvester in den vergangenen Jahren wäre es fatal, wenn bei den Menschen der Eindruck entsteht, dass der Rechtsstaat sie nicht ausreichend schützt und die Polizei die Geschehnisse nur aus der Entfernung beobachtet.“
Neumeyer zollt den Beamten Respekt, aber es dürfe nicht sein, dass Beamte solchen Ausschreitungen wegen mangelnder Ausstattung machtlos gegenüberstehen. Die SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Insa Peters-Rehwinkel regt an, parallel auch beim Böllern anzusetzen: „Das nimmt überhand.“
Die Vegesacker Beiratsfraktion der Bündnis-Grünen hat eine Anfrage an den Senator für Inneres gestellt. Wie berichtet, hatte sich ein Pulk von bis zu 150 Personen an den Wohntürmen versammelt und mit Böllern und vermeintlichen Waffen auch in Richtung Polizisten gezielt. Im Polizeibericht von Silvester war davon jedoch nichts zu lesen. Thomas Pörschke und Michael Alexander als Unterzeichner der Anfrage wollen nun wissen, wie Senator Ulrich Mäurer (SPD) „Art, Zeit und Umfang der polizeilichen Pressearbeit" bewertet. Ebenso steht die Frage nach dem taktischen Vorgehen der Polizei im Raum. Geklärt werden soll auch, welchen Gefahren die Beamten ausgesetzt waren und wie der Senator Ausbreitung und missbräuchliche Verwendung sogenannter Anscheinswaffen in Vegesack einschätzt und welche Konsequenzen daraus folgen.
Professionelles Verhalten
Nach Meinung des FDP-Bürgerschaftsabgeordneten Rainer W. Buchholz sollten die Vorfälle an der Grohner Düne „mit allen verfügbaren Mitteln aufgeklärt und die Verstöße gegen das Waffengesetz rigoros bestraft werden“. Buchholz lobt das "besonnene Verhalten des örtlichen Polizeiführers. Gleichwohl bleibt die Kritik an der mangelhaften Personalausstattung der Bremer Polizei, die sich immer wieder in Krisensituationen zeigt.“
In die gleiche Richtung zielt GdP-Chef Lüder Fasche. „Das zunehmend aggressive und unverantwortliche Verhalten an Silvester mag auch das Produkt eines Rückzugs des Staates an allen übrigen Tagen des Jahres sein.“ Nun tragen die Beschäftigten der Polizei Bremen laut Fasche als Erste die Last verfehlter Personalpolitik. Fasche erinnerte an ein Ereignis 2016, als die Polizei an der Grohner Düne in ähnliche Schwierigkeiten geriet. Rainer Zottmann, Leiter der Bremer Schutzpolizei, hatte damals öffentlich das Versprechen abgegeben: Beamte sollten sich nicht erneut vom Mob zurückziehen müssen.
Der Vertrauensmann der Gewerkschaft der Polizei für den Bereich Nord, der Polizeibeamte Michael Birkhan, zeigt in einem Leserbrief auf, dass es bei einem Einschreiten der Polizei zu einer Straßenschlacht hätte kommen können. Er wünscht sich für die Kollegen Respekt: „Sie wurden beleidigt, provoziert und bedroht und verhielten sich trotzdem professionell.“