Am Donnerstag begeht der Norden zum zweiten Mal den neu eingeführten Reformationstag. In Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein ist am 31. Oktober wieder Feiertag. Schulen, Büros und Werkbänke bleiben leer. Nicht jedoch die Autobahnen: Weil das Bundesverkehrsministerium die notwendige Änderung der Straßenverkehrsordnung (StVO) nicht auf die Reihe bekommt, dürfen schwere Brummis wie an normalen Tagen in den vier norddeutschen Bundesländern vorerst über die Straßen brettern. Bußgelder drohen nicht.
Geregelt ist das Sonn- und Feiertagsfahrverbot in Paragraf 30 der StVO. Danach dürfen Lastwagen über 7,5 Tonnen zwischen 0 Uhr und 22 Uhr „zur geschäftsmäßigen oder entgeltlichen Beförderung von Gütern einschließlich damit verbundener Leerfahrten nicht geführt werden“. Für frische Lebensmittel, den Transport von lebenden Bienen und Abschleppwagen gelten Ausnahmen. In Absatz vier zählt die Vorschrift die Feiertage samt den betroffenen Bundesländern auf; die bundesweiten wie Neujahr oder Ostermontag, außerdem die länderspezifischen wie Fronleichnam und Allerheiligen etwa in Bayern oder Nordrhein-Westfalen.
Auch der Reformationstag am 31. Oktober taucht dort auf, allerdings nur für Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Die vier Nord-Länder, die diesen Feiertag 2018 bei sich eingeführt haben, fehlen jedoch in der StVO-Vorschrift. Und ohne gesetzliche Grundlage kein Lkw-Fahrverbot und damit auch keine Sanktionen. Normalerweise müssen Fahrer für Verstöße 120 Euro berappen, die Halter der Lastwagen sogar 570 Euro. In einem Erlass, der dem WESER-KURIER vorliegt, weist das niedersächsische Verkehrsministerium die Straßenverkehrsbehörden und Polizeidienststellen ausdrücklich auf die verzwickte Rechtslage hin. „Insofern gilt das normierte Fahrverbot derzeit nur in den im § 30 Abs. 4 StVO genannten Bundesländern“, heißt es in dem Papier. „Bis dahin ist u.a. Niedersachsen noch weiterhin aus dem Anwendungsbereich des Feiertagsfahrverbots ausgenommen.“
Das Ministerium bezieht sich auf eine Auskunft aus dem Ressort von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), wonach die StVO-Änderung nicht mehr mit „Wirkung für den 31. Oktober 2019“ zu realisieren sei. „Die Begründung hierfür liegt in den noch nicht abgeschlossenen Arbeiten an der StVO-Novelle.“ Warum aber die schlichte Aufnahme von vier Bundesländer-Namen so schwierig sein soll, bleibt unklar. Das Scheuer-Ministerium sah sich am Montag noch nicht mal in der Lage, eine entsprechende Nachfrage des WESER-KURIER zu beantworten. In den betroffenen Überwachungsbehörden sorgt das Nicht-Agieren des durch das Maut-Chaos belasteten Ministeriums für Kopfschütteln. „Das ist alles reichlich kompliziert“, stöhnt ein Beamter.
Transitabkommen mit Nordrhein-Westfalen
Niedersachsens Verkehrsminister Bernd Althusmann (CDU) setzt nun zumindest auf eine Umsetzung für 2020. Der Ressortchef bastelt bereits mit seinem Amtskollegen Hendrik Wüst (CDU) aus dem Nachbarland Nordrhein-Westfalen an einem „Transitabkommen“. Dieses soll Lkw-Fahrern an den jeweils unterschiedlichen Feiertagen das kurze Passieren von eigentlich verbotenen Strecken erlauben. Danach dürften Brummis aus und nach NRW am 31. Oktober auf niedersächsischem Gebiet die grenzüberschreitenden Autobahnen A 2 und A 30 benutzen. Und umgekehrt Lastwagen aus und nach Niedersachsen die Abschnitte durch NRW am 1. November, wenn das Nachbarland Allerheiligen feiert. Es geht vor allem um die Strecke ab der Landesgrenze Niedersachsen bei Bückeburg bis zum Kreuz Bad Oeynhausen und von dort weiter über die A 30 bis Osnabrück und weiter Richtung Niederlande.
Gerade wegen der zwei aufeinanderfolgenden, aber unterschiedlichen Feiertage befürchten die beiden Länder verstopfte Rastanlagen und eine Ballung des Lkw-Verkehrs. Eine Ausnahme-Erlaubnis soll für etwas Entspannung sorgen. „Durch ein Transitabkommen mit Nordrhein-Westfalen verhindern wir überfüllte Parkplätze an unseren Landesgrenzen und Lkw-Kolonnenfahrten nach den aufeinanderfolgenden Feiertagen“, betont Althusmann. „Die ohnehin sehr stark befahrenen Grenz-Autobahnen werden nicht noch zusätzlich strapaziert – und auch die Lkw-Fahrerinnen und Fahrer sowie alle anderen Verkehrsteilnehmer nicht weiter belastet.“
Laut Ministerium befinden sich die Arbeiten der Regelung, die laut StVO einzelne Bundesländer für ihre Autobahnen treffen dürfen, in der Endphase. Die denkbaren Lösungsansätze seien eng mit dem Gesamtverband Verkehrsgewerbe Niedersachsen abgestimmt. Ähnliche Abkommen gelten bereits zwischen NRW und Hessen für die A 44 von Dortmund nach Kassel im Bereich der Anschlussstelle Warburg für Fronleichnam und Allerheiligen sowie zwischen Berlin und den ostdeutschen Bundesländern auf fast allen Autobahnen Richtung Bundeshauptstadt für den Reformationstag. Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein sind am Donnerstag also nicht ganz allein mit dem Schwerlastverkehr auf ihren Hauptverkehrsader.