Wie kann Obdachlosen im Bremer Norden geholfen werden? Antworten sucht seit dem Frühjahr eine Allianz, die es so noch nicht gegeben hat. Zu ihr gehören Ortsämter genauso wie Kirchengemeinden, die Innere Mission wie die Fachstelle Wohnen und – neuerdings – Baugesellschaften. Dass die Zahl der Bündnispartner so groß ist wie noch nie, kommt für manche Mitstreiter nicht von ungefähr. Ihrer Ansicht nach spitzen sich die Probleme der Wohnungslosen im Norden zu. Und wird eine Lösungssuche deshalb immer drängender. Nicht nur wegen des bevorstehenden Winters.
Wer seine Wohnung verlor, konnte vor Monaten noch hoffen, in einer Notunterkunft im Hochhaus am Vegesacker Bahnhofsplatz unterzukommen. Oder in einem Hotel, das die Sozialbehörde Schlichthotel nennt. Doch beides ist mittlerweile unmöglich geworden: Die Notunterkunft wurde geräumt, weil der Eigentümer aus den Hochhausetagen ein Hostel machen will – und Schlichthotels, die kurzfristig Zimmer für Obdachlose bereitstellen, fehlen im Norden. Alle Pensionen in Blumenthal, Burglesum und Vegesack, auf die das Ressort bisher zugreifen konnte, nehmen aus privatwirtschaftlichen Gründen keine Wohnungslosen mehr auf.
Für David Lukaßen heißt das aber nicht, dass es im Norden gar keine Anlaufstellen für Menschen gibt, die obdachlos geworden sind. Der Sprecher von Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) zählt den Szenetreff in Aumund und die Zentrale Fachstelle Wohnen am Sedanplatz auf – zwei Adressen mit Ansprechpartnern, die ihm zufolge weiterhelfen, wenn jemand nicht mehr weiter weiß. In anderen Gebieten der Stadt kommt Lukaßen auf mehr Angebote für Wohnungslose als zwei. Dort gibt es Streetworker und sogenannte Obdachlosen-Lotsen. Und es gibt Notunterkünfte für die Nacht und diverse Einrichtungen, die am Tag geöffnet haben.
Anzahl Wohnungsloser zuletzt deutlich gestiegen
Ob die Angebote für den Norden auf Dauer ausreichen, darüber kann Lukaßen nur spekulieren. Die Behörde weiß nämlich nicht, wie viele Wohnungslose es dort gibt. „Wir führen keine Statistik.“ Die Innere Mission nennt trotzdem Zahlen. Bertold Reetz, der zu den Nordbremer Bündnispartnern gehört, geht von 600 Menschen aus, die bremenweit ohne Wohnung sind, davon 200 im Bremer Norden. Nach seinen Worten ist die Zahl im Vergleich zu den Vorjahren deutlich gestiegen. Für ihn steht deshalb fest, dass es mehr Anlauf- und Beratungsstellen für Menschen geben muss, die in Blumenthal, Burglesum und Vegesack wohnungslos werden.
Laut Heiko Dornstedt setzt sich die Allianz nicht nur für einen Obdachlosen-Lotsen im Norden ein, sondern auch für einen Treff, in dem Wohnungslose zumindest tagsüber zusammenkommen können. Wie schnell es beides oder eines von beidem geben könnte, kann der Vegesacker Ortsamtschef nicht sagen. „Die Gespräche dauern noch an.“ Auch darüber, ob es möglich ist, es gar nicht so weit kommen zu lassen, dass Menschen ihre Wohnung verlieren. Und wenn ja, auf welche Weise. Dornstedt spricht von einer Art Frühwarnsystem, das greifen könnte, sobald jemand beginnt, seine Miete unpünktlich beziehungsweise unregelmäßig zu zahlen.
Deshalb sitzen die Wohnbaugesellschaften mit am Tisch. Sie haben nicht nur das gängige Vorgehen geschildert, wenn es zu Mietrückständen kommt. Sondern auch die Krux erklärt, warum sie das Verfahren nicht ändern können. Statt jemandem zu kündigen, meint Dornstedt, würden die Unternehmen vorher lieber die Behörde informieren, damit sie hilft. Nur dürfen sie das nicht. Der Datenschutz verhindert das. Die Allianz hat darum Imke Sommer eingeschaltet. Die Landesbeauftragte für Datenschutz soll prüfen, welche Optionen es eventuell gibt, damit sich Wohnungsgesellschaften mit Ämtern kurzschließen können, ohne das Gesetz zu brechen.
Eine hohe Dunkelziffer
Nach Angaben der Zentralen Fachstelle Wohnen sind im vergangenen Jahr 160 Zwangsräumungen im Bremer Norden beantragt und 129 vollstreckt worden. Im ersten Quartal dieses Jahres gab es 56 Räumungsklagen, von denen 17 vollzogen wurden. Im Juni hatte die Fachstelle 50 Wohnungslose in Blumenthal, Burglesum und Vegesack ausgemacht. Allerdings waren das ausschließlich Frauen und Männer, die sich bei den Beratern gemeldet hatten. Die Bündnispartner gehen davon aus, dass viele Wohnungslose zunächst versuchen, bei Bekannten oder Verwandten unterzukommen – und deshalb die Dunkelziffer hoch ist.
Dreimal haben die Mitstreiter der Allianz getagt. Für Januar ist die nächste Gesprächsrunde geplant. Bis dahin soll der Bericht der Datenschutzbeauftragten vorliegen. Und eventuell feststehen, wo es einen Treff für Wohnungslose geben könnte. Zumindest erst mal für den Winter.