
Stuhr/Weyhe. Drei Stücke in dem gut gefüllten Gitterkorb auf dem Wertstoffhof Stuhr/Weyhe haben sofort Georg Regiers Interesse geweckt. Zwei Stehleuchten mit Gelenk und einen Staubsauger wird er sich wohl zu Hause vorknöpfen. Der Brinkumer ist einer von etwa zehn Ehrenamtlichen des Reparatur-Cafés im Mehr-Generationen-Haus (MGH) Brinkum. Für gewöhnlich macht das Team an jedem zweiten Sonnabend im Monat in der Einrichtung an der Bremer Straße 9 defekte Elektrogeräte wieder flott, die Eigentümer können währenddessen Kaffee trinken und einen Plausch halten. Doch das MGH hat bedingt durch die Corona-Pandemie derzeit geschlossen. Den Reparateuren fehlt also Tüftel-Ware.
Das wollte MGH-Leiterin Daniela Gräf ändern. Als sie in der Zeitung vom Pilotprojekt „Spenden statt entsorgen“ von der Abfallwirtschaftsgesellschaft (AWG) Bassum in Zusammenarbeit mit dem Reparatur-Café in Syke las, zog sie gleich Parallelen zum Ansatz ihrer MGH-Gruppe, die sich seit ihrer Gründung 2013 dem Gedanken der Nachhaltigkeit verschrieben hat. Bei dem Projekt der AWG können leicht defekte oder intakte Elektro-Kleingeräte, die im Müll gelandet wären, eine zweite Chance bekommen. Die Helfer des Reparatur-Cafés Syke nämlich bereiten sie auf und geben die Geräte dann an die Syker Tafel weiter. Mit der Aufbewahrungslösung für die Aktion „Spenden statt entsorgen“ in Bassum ist AWG-Sprecher Albrecht derweil noch nicht vollends zufrieden. Die grünen Tonnen in Bassum seien so tief, dass es beim Befüllen kurz nach der Leerung für einige Spender schwierig sei, sich hinab zu beugen.
Das MGH Brinkum will bei der Verteilung der Elektrogeräte seine eigenen Kanäle nutzen. „Wir würden die Sachen sonst sofort im Haus verteilt bekommen“, sagt Daniela Gräf. Damit Kontakte aber weitestgehend vermieden werden, sollen die Elektrogeräte zunächst über drei Wege neue Besitzer finden. So hat Gräf beim Flüchtlings-Netz Stuhr „Treffpunkt B5“ nachgefragt, das seine Fahrradwerkstatt nach Absprache öffnet und so auch nach Interessenten für die Geräte fragen will. Das MGH ist aber auch mit dem Sozialen Service der Gemeinde Stuhr vernetzt. Zu guter Letzt ist da noch die Büchertauschbörse, die sich vor die Tür der Einrichtung verlagert hat. Dort sind inzwischen auch Geschirr und Spiele zu finden, bald könnten Toaster, Lampen und andere Kleingeräte hinzukommen. Das MGH gibt sie kostenlos weiter, freut sich laut Gräf aber auch über eine Spende.
Die Brinkumer MGH-Leiterin hatte kurz vor den Feiertagen bei Dominik Albrecht, dem Sprecher der AWG Bassum, angefragt. Seit fast zwei Wochen steht nun der Gitterkorb mit dem Hinweisschild überdacht kurz hinter dem Kassenhäuschen des Wertstoffhofes an der Margarete-Steiff-Straße 9 in Melchiorshausen. Laut Albrecht waren 2019 insgesamt 876 Tonnen Elektronikabfall an allen Annahmestellen der AWG abgegeben worden. Einiges davon hätte sich bestimmt noch retten lassen, ist er überzeugt. Oft fehle die Fertigkeit, ein Haushaltsgerät selbst wieder in Gang zu bringen oder eine Neuanschaffung ersetzt das alte Gerät. Der Wegwerf-Trend ist nicht zuletzt bei Aktionen wie „Black Friday“ deutlich zu spüren, die Händler zum Anlass nehmen, um Waren vergünstigt anzubieten. „Die Idee war, dass wir den nicht mehr benötigten Geräten einen zweiten Frühling schenken“, sagt Albrecht. In Bassum sei das Projekt sofort „rege angenommen“ worden. Zwischenzeitlich habe die AWG sogar drei der grünen Tonnen mit Deckel aufgestellt. Im Frühjahr hatte es allgemein einen regelrechten Ansturm auf die Annahmestellen der AWG gegeben. „Es hat sich inzwischen etwas stabilisiert“, beschreibt Dennis Kastens vom Wertstoffhof Stuhr/Weyhe die derzeitige Lage.
Das dortige Wertstoffhof-Team weist Nutzer mit Elektroartikeln bereits an der Einfahrt fleißig auf das neue Angebot hin. So findet auch die Stuhrerin Andrea Evers den Weg zum Gitterkorb, in den sie eine Discolampe legt. „Die funktioniert noch, wir brauchen sie aber einfach nicht mehr“, sagt sie. Zuvor wusste sie nur von der Aktion in Bassum. „Das finde ich super, dass die Geräte noch eine zweite Chance bekommen“, sagt sie und schließt die Klappe des Kofferraums.
Wieder also gibt es Nachschub für Georg Regier und seine Mitstreiter. Der 80-Jährige ist nicht nur von Anfang an dabei, sondern darüber hinaus auch der Fachmann für Elektronik in der Reparatur-Gruppe des MGH Brinkum. „Ich war Elektroinstallateur-Meister von Beruf“, sagt er. Ob er etwas wieder richten kann, hängt auch davon ab, wie gut sich Elektrogeräte auseinandernehmen lassen, sagt er. Müssen Ersatzteile besorgt werden, muss das der Eigentümer erledigen und beim nächsten Termin wiederkommen. Kommen Regier und seine Mitstreiter nicht weiter, empfehlen sie örtliche Firmen. Man sei schließlich keine Konkurrenz zu Unternehmen, wolle nur dafür sorgen, dass Dinge nicht so schnell auf dem Müll landen.
Die Gespräche, sie fehlen Georg Regier derzeit am meisten am Reparatur-Café. Grundsätzlich ist der Drang etwas zu tun hoch, hat Daniela Gräf bei der Vorstellung ihrer Idee sofort gemerkt. Die Hälfte des Reparatur-Teams hat sie bisher erreichen können. „Ich hatte das Projekt noch gar nicht richtig erklärt, da hatte ich schon die Zusage“, sagt sie. Anfang vergangener Woche hat Georg Regier nun die erste Fuhre vom Wertstoffhof in seinem Auto mitgenommen. Sein Ehrenamt bereitet ihm viel Freude: „Wir werden insofern entschädigt, als dass wir endlich mal wieder was zu tun haben“.
Weitere Reparatur-Cafés können sich bei Interesse an einer Kooperation bei Dominik Albrecht per E-Mail an albrecht@awg-bassum.de melden.
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