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Sommerhitze Schotten auf für mehr Wasser

Der Entwässerungsverband Stedingen wässert derzeit nur noch zu. Vieh und Gartenbesitzer sind dafür dankbar. Die Verantwortlichen müssen aber aufpassen, dass ihnen Teile ihres Gebiet nicht überfluten.
07.08.2018, 11:38 Uhr
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Schotten auf für mehr Wasser
Von Barbara Wenke

In diesem Sommer der Gluthitze könnte sich der Entwässerungsverband Stedingen einen neuen Namen geben. Seiner originären Aufgabe, der Entwässerung, ist er schon seit Wochen nicht mehr nachgekommen. Momentan lässt Verbandstechniker Jürgen Busch nur noch Wasser ins Binnenland laufen, statt aus dem Hinterland heraus.

„Wir schöpfen alle Möglichkeiten aus, so hoch zuzuwässern, wie es geht“, sagt Bernd Döhle. „Wir wollen, dass das Vieh zu saufen hat.“ Verbandsvorsteher Döhle kennt die Nöte der Landwirte. Steht er doch gleichzeitig dem Ortslandvolkverband Bardewisch vor. „Ich habe noch nie so hoch zugewässert“, resümiert Verbandstechniker Jürgen Busch, der immerhin seit 27 Jahren für das 22 000 Hektar große Verbandsgebiet mit mehr als 400 Kilometern Verbandsgewässern zuständig ist.

Wenn Busch aus seinem Bürofenster im Berner Ortsteil Motzen schaut, kann er den hinter seinem Grundstück verlaufenden Motzener Kanal zwar nicht sehen. Aber er hört das Rauschen des Wassers, das an diesem Vormittag durch das halbseitig geöffnete Mündungssperrwerk von der Hochwasser führenden Weser in den künstlichen Wasserlauf strömt.

Die Ent- und Bewässerung erfolgt über drei Hauptbauwerke: das Lichtenberger Siel, das Neuenhuntorfer Siel und das Motzener Siel. Weiterhin betreibt und unterhält der Entwässerungsverband elf Zubringerschöpfwerke sowie diverse kleinere Wasserregulierungsanlagen. Üblicherweise wässert Jürgen Busch im Motzener Kanal montags zu. Jetzt jedoch fast täglich. Nur, um festzustellen, dass der Wasserstand bereits kurze Zeit später wieder gesunken ist. Der Wasserschwund aus den Gräben ist enorm.

Die Verursacher sind schnell ausgemacht: Neben dem Vieh, das an den Gewässern seinen Durst stillt, verdunstet aufgrund der Nachmittagstemperaturen von mehr als 30 Grad Celsius jede Menge Wasser. Zudem bedienen sich zahlreiche Grabenanrainer. Sie bewässern ihre Blumenbeete und Gemüseanpflanzungen oder sprengen den Rasen. Für den Verband sei die Nutzung in Ordnung, sagt Vorsteher Döhle. „Wir haben kein Problem damit. Durch die Tide der Weser haben wir genügend Wasser.“

Das kann nicht jeder von sich behaupten: Im Landkreis Lüneburg drohen für die Wasserentnahme aus Gräben und Flüssen Klagen. Während der Lektüre eines Artikels schüttelt Döhle den Kopf. Auf dem Flüsschen Ilmenau kontrollieren demnach drei Paddlerinnen, wo Gartenbesitzer oder Bauern Wasser abzapfen. Da die Gewässer unter den niedrigen Wasserständen litten, sollte das kostbare Nass nicht noch zusätzlich abgezapft werden, zitiert der Bericht den stellvertretenden Fachdienstleiter Umwelt des Landkreises. Demnach lässt die Lüneburger Kreisverwaltung nur wenige Ausnahmen zu: Das Vieh darf über Tränken getränkt werden und Gartenbesitzer dürfen mit Eimern und Gießkannen Wasser schöpfen. So sei gewährleistet, dass nur kleine Mengen entnommen würden. Der Verwaltungsvertreter befürchtet, dass aufgrund des aktuellen Wetters ansonsten das ökologische Gleichgewicht durcheinandergerate.

In Stedingen ist die Ökologie trotz der Hitze noch in Takt. Davon sind Verbandsvorsteher und Techniker überzeugt. Damit das so bleibt, gelte es, einen Temperaturanstieg des Wassers zu vermeiden. „Wenn die Temperatur steigt, sinkt der Sauerstoffgehalt“, weiß Jürgen Busch. Ein Fischsterben wäre die Folge. „Je höher das Wasser steht, desto weniger erwärmt es sich“, sagt der Techniker. Deshalb wässert der Verband seit Wochen unablässig zu. Alle Schotten sind derzeit geöffnet. „Im Moment sind die Verlate dauerhaft unten, damit ständig Wasser vom Motzener Kanal in den Doorgraben und von dort nach Ranzenbüttel und Lemwerder fließen kann.“

Mit der Zuwässerung sorgt der Verband unablässig für Bewegung im Wasser. Durch die Durchmischung gelangt immer wieder kühleres Wasser nach oben, sodass sich auch dort keine Wärme staut. Am Motzener Kanal hilft zudem die Natur, Bewegung ins Wasser zu bringen. Seit der Entwässerungsverband vor einigen Jahren nicht mehr standfeste Pappeln vom Ufer des Wasserlaufs entfernt hat, wirbelt der Wind die Oberfläche auf. Ein Glücksgriff für den Verband. „Dadurch bilden sich weniger Algen“, hat Jürgen Busch festgestellt.

Am Computer in seinem Büro überwacht er die Wasserstände im gesamten Verbandsgebiet. Zudem fährt Jürgen Busch fast täglich auf Grabenschau. Immer wieder bekommt der Verbandstechniker dieser Tage Anrufe von Bürgern. Ihre fast einhellige Beschwerde: Der Graben hinter ihren Grundstücken führt kein Wasser.

Dafür sei nicht unbedingt der Entwässerungsverband Stedingen verantwortlich, sagt Jürgen Busch. Verursacher trockener Gräben könnten auch Pflanzen wie die Wasserpest oder die Grabenanrainer selbst sein. Die Wasserpest sauge das Nass wie ein Schwamm auf. Zudem setze es Rohre dicht, sodass in den Gräben wenig Durchfluss herrscht.

Der Verband hat 2018 in Absprache mit der Kreisverwaltung erstmals im Juli Uferränder gemäht, berichtet Bernd Döhle. „Wenn der Wasserfluss nicht mehr sichergestellt ist, dürfen wir auch jetzt aufreinigen“, ergänzt Jürgen Busch. Üblicherweise beginnt die Aufreinigungssaison am 1. Oktober.

Schuld für leere Gräben seien aber auch einige Grabenanrainer selbst. Sie hätten es im Herbst versäumt, ihre Wasserläufe zu reinigen, sodass das Wasser nun keinen Weg mehr durch den wuchernden Uferbewuchs finde.

Trotz der Gluthitze und den Gedanken um eine ausreichende Zuwässerung haben Bernd Döhle und Jürgen Busch auch ständig möglichen Regen im Sinn. Der Blick auf den Wetterbericht ist für den Verbandsvorsteher und seinen Techniker elementar. Sollte ein Gewitter mit Starkregen vorhergesagt werden, heißt es, schnell zu handeln. „Wenn Niederschlag angesagt wird, müssen wir die Wasserstände anpassen“, blickt Bernd Döhle voraus. Und zwar zügig, denn das Entwässern sei „ein sehr träges System.“

Üblicherweise nutzt der Entwässerungsverband den sogenannten Sielzug. Das heißt, er öffnet seine drei Mündungsschöpfwerke in dem Moment, in dem die Weser und die Hunte in Richtung Nordsee ablaufen. Dann zieht der Strom das Wasser aus den Sielen mit sich. Notfalls werde aber auch gepumpt, damit die bis zu einem Meter unter Normalnull gelegenen Regionen des Verbandsgebietes nicht voll Wasser laufen. „Das bedarf viel Fingerspitzengefühl“, sagt Bernd Döhle.

Info

Zur Sache

Der Entwässerungsverband Stedingen

Das Gebiet des Entwässerungsverbandes Stedingen wird im Norden und Osten durch die Hunte sowie die Deichlinie entlang der Weser begrenzt. Westlich grenzt es an das Einzugsgebiet des Unterhaltungsverbandes Wüsting, im Südwesten an die Hunte-Wasseracht und im Südosten an den Ochtumverband. Der Verband liegt mit rund 51 Prozent seines Verbandsgebietes im südlichen Teil des Landkreises Wesermarsch und mit rund 49 Prozent im Landkreis Oldenburg. Ein geringer Flächenanteil befindet sich im Bereich der Stadt Delmenhorst.

Die höchsten Punkte des Verbandsgebietes liegen circa 38 Meter über Normalnull. In den tiefsten Regionen fällt das Gelände auf einen Meter unter Normalnull ab. Ein Großteil der Fläche befindet sich im Tidebereich von Weser und Nordsee. Durch Deiche werden diese Gebiete gegen Überschwemmungen geschützt.

Die Entwässerung erfolgt über drei Hauptbauwerke. Weiterhin betreibt und unterhält der Entwässerungsverband Stedingen elf Zubringerschöpfwerke, sieben größere Verlate, zehn Wehre und Stauanlagen sowie diverse kleinere Wasserregulierungsanlagen.

Im Verbandsgebiet befinden sich im Übrigen 284,4 Kilometer Gewässer II. Ordnung, die von überörtlicher Bedeutung sind. Hinzu kommen 148,3 Kilometer Verbandsgewässer der III. Ordnung mit einem Einzugsgebiet von weniger als 50 Hektar.

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