Jürgen Bachmann hat auf zahlreiche Unterstützer gehofft. Anfangs meinte er auf 3000, vielleicht sogar 4000 Namen zu kommen. Am Ende sind es jedoch mehr als doppelt so viele geworden: 9577. Bachmann, früher Kinderarzt, heute Protestler, hat noch einmal nachgezählt. Die Ziffer ist wichtig. Für ihn ist sie ein Beleg dafür, dass viele nicht wollen, was er nicht will – dass ein Teil der Nordbremer Frühchenstation verlegt wird. Jetzt soll die Zahl die Politik zum Einlenken bringen. So der Plan. Am Dienstag hat Bachmann mit anderen Kritikern eine Petition bei der Bürgerschaft eingereicht.
Die Übergabe der Namenslisten haben sie so gestaltet wie zuvor ihren Protest: anschaulich. Vor der Klinik und auf Marktplätzen hatten Bachmann und Mitstreiter in den vergangenen Wochen immer wieder Plakate in den Händen gehalten, auf denen Inkubatoren mit Frühgeborenen im Wasser trieben. Quer über den Bildern stand: „Damit unsere Norder Frühchen nicht den Bach runtergehen.“ Einen Brutkasten hatte Bachmann jetzt auch für Bürgerschaftspräsidentin Antje Grotheer. Diesmal keinen gemalten, sondern einen gebastelten. Er diente als Symbol der Kritiker – und als Sammelbox für die Listen mit Namen.
Bachmann sagt, dass ihn nicht nur die Zahl der Unterstützer überrascht hat, sondern auch das Tempo, in dem die Zahl erreicht wurde: 9577 Namen in vier Wochen. Für ihn ist das nicht bloß ein guter Schnitt. Sondern auch einer, der zeigt, welche Bedeutung die Nordbremer Frühchenstation hat. Nicht nur bei Vegesackern, Burglesumern und Blumenthalern. Auch Eltern, Mediziner und Pflegekräfte aus Lemwerder, Ritterhude und Schwanewede haben die Petition unterzeichnet. Auch dort lagen einen Monat lang Unterschriftenlisten aus. Auch mit niedersächsischen Politikern hat Bachmann gesprochen.
Und nun mit der Bürgerschaftspräsidentin. Wie Grotheer die Sache sieht, weiß er nicht. Bachmann findet aber schon mal gut, dass sie sich angehört hat, worum es ihm und den Mitstreitern der Initiative „Kindgerecht“ geht, die sich eigens für den Protest gegründet hat. Und dass ihre Kritik an den Behördenplänen offensichtlich längst wahrgenommen wird. Auch Grotheer, sagt Bachmann, wusste über manches, was er bei der Übergabe vortrug, schon Bescheid. Seit Monaten wehrt sich die Initiative gegen einen Teilabzug der Frühchenstation. Es gab mehrere Treffen mit Gesundheitssenatorin Eva Quante-Brandt (SPD).
Im Vergleich mit anderen Petitionen
Wann sich der Petitionsausschuss mit der Forderung der Initiative und ihrer Unterstützer befassen wird, konnte Grotheer am Dienstag nur so ungefähr sagen. Fest steht für sie nur, dass es so schnell nicht gehen wird. Die Bürgerschaftspräsidentin rechnet damit, dass es Sommer, vielleicht auch Herbst werden könnte, ehe sich das Gremium mit dem Fall befassen kann – wegen der bevorstehenden Bürgerschaftswahl und den nachfolgenden Koalitionsverhandlungen und Haushaltsgesprächen der Regierungsparteien. Die Zahl der Unterschriften, die Bachmann und Mitstreiter gesammelt haben, findet sie enorm.
Dorothee Krumpipe, ihre Sprecherin, hat die Petition mit anderen Petitionen verglichen. Sie sagt, dass die Menge der Namen etwas besonderes, wenn nicht gar einmaliges ist. Ihr zufolge kommen die meisten Eingaben auf einige Hundert Unterzeichner und manche auch auf Tausend. Dass die Initiative fast zehnmal so viele Namen in so kurzer Zeit gesammelt hat, wertet Krumpipe so wie Mitinitiator Bachmann: „Das Thema bewegt offenbar viele Menschen.“ Nur Auswirkungen auf die Arbeit des Ausschusses und seines Urteils hat die Zahl der Unterschriften am Ende nicht. Jede Forderung wird gleichbehandelt.
Bachmann hofft dennoch, dass die 9577 Unterschriften mehr zählen – wenn nicht im Petitionsausschuss, so doch in der Bürgerschaft. Er setzt auf die Erkenntnis der Politiker, dass der Plan, im Klinikum Mitte ein Zentrum für Frühchen aufzubauen, um dafür ihre Versorgung am Krankenhaus Links der Weser komplett und in Nord teilweise abzubauen, doch nicht so ein guter Plan ist. Die Mitstreiter der Initiative gehen davon aus, dass das vorgesehene Kontingent an Versorgungsplätzen für Frühgeborene in Mitte genauso wenig reichen wird wie die Zahl der Kräfte, die sich um sie kümmern sollen.
Und sie befürchten, dass immer mehr Frauen, die eine Frühgeburt erwarten, aus diesem Grund abgewiesen werden müssen. Bachmann will deshalb, dass die Nordbremer Frühchenstation bleibt, wie sie ist – nicht etwa als Notreserve, sondern weil sie seiner Meinung nach gebraucht wird. Die Petition ist für ihn ein Etappenziel. Demnächst will er sich wieder mit Politikern treffen.