Einen Bienenschwarm einzufangen ist keine Hexerei, heißt es. Schwieriger wird es, den Schwarm in den Bienenkasten zu bekommen. Die Bienen müssen freiwillig einziehen. Sonst besteht die Gefahr, dass sie gleich wieder ausziehen. Aber wie überredet man die Honigsammlerinnen zum Einzug? Das Einlogieren eines Schwarms gehört zu den schönsten Momenten eines Imkerlebens.
Bevor ich mit dem Imkern angefangen habe, hätte ich das Wort „Kellerhaft“ am ehesten mit Verbrechern in Verbindung gebracht. Es handelt sich bei der Kellerhaft für Bienen jedoch um eine Methode, die genutzt wird, um Schwärme umzusiedeln. Der eingefangene Bienenschwarm, der sich in diesem Fall in einem Weißdorn an unserer Grundstücksgrenze niedergelassen hatte, soll mindestens eine Nacht dunkel und kühl stehen. So sollen die abtrünnigen Bienen vergessen, dass sie sich aus dem Staub machen wollten. Sie verlieren die Orientierung.
Die kühle Raumtemperatur ist auch wichtig, damit die Bienen in dem Fangkorb nicht verbrausen, das heißt ersticken. Vorsichtshalber bespritze ich den Fangkorb hin und wieder mit Wasser. Gern würde ich die Häftlinge auch füttern. „Lass es“, sagen erfahrene Imker. Die Bienen hätten sich vor dem Schwärmen die Honigblase vollgeschlagen und würden diese Nacht überstehen.
Bienenpatin Anke Scheffler-Hincke hilft, den Umzug vorzubereiten. Dafür braucht es ein langes Brett, dass zwischen Fangkorb und Bienenkiste gelegt wird. Der Plan ist, dass die Bienen direkt nach ihrer Freilassung selbstständig über das Brett in die Kiste laufen. Anke Scheffler-Hincke bringt zusätzlich einen Karton mit, den wir auf das Brett legen. Der Karton bietet den Vorteil, dass er Seitenwände hat, was den Weg der Bienen begrenzt. So haben die Insekten ihr Ziel klar vor Augen. Aber werden sie auch in die richtige Richtung laufen oder fliegen sie einfach wieder in den Weißdorn?
Theoretisch könnte man die Bienen aus dem Fangkorb einfach in die Bienenkiste schütten. Praktisch empfiehlt sich dieses „Einschlagen“ aber nicht: Wie mir Anke Scheffler-Hincke erklärt, lassen sich Bienen, die sich ihr Zuhause am liebsten selbst aussuchen, nur ungern von ihrem Imker eine x-beliebige Bude aufdrücken. Es ist deshalb ein spannender Moment, als wir den Fangkorb vor der bereitgestellten Holzbeute am Bienenstand platzieren und öffnen. Was wird passieren?
Die Freiheit ruft, aber es dauert einen Moment, bis sich die ersten Insekten in Bewegung setzen und ihren Schwestern ein Signal geben, ihnen zu folgen. Bienen kommunizieren praktisch ununterbrochen miteinander.
Wie diese Kommunikation beim Einzug genau funktioniert, erklärt Hiltrud Schrandt, Sprecherin des Niedersächsisches Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES). Die Schwarmbienen folgten einer Duftfahne, die einzelne Bienen abgeben, die den Bienenkasten für sich entdeckt haben. Dazu heben die Bienen ihren Hinterleib an. Bei diesem „Sterzeln“ würden „die Ausgänge der Nassanoffschen Drüse frei.“ Die Drüse produziere ein Gemisch aus Duftstoffen, sogenannten Pheromonen. Schrandt: „Durch das gleichzeitige Ventilieren mit den Flügeln unterstützen die Arbeiterinnen die Verbreitung des Duftstoffes in der näheren Umgebung. Dem Duft folgen dann alle Schwarmbienen und laufen in die neue Behausung ein.“
Es ist ein besonderes Schauspiel, wenn Tausende Schwarmbienen loslaufen. In einer Art tierischer Prozession ziehen sie zu Fuß in das neue Zuhause ein. Der Karton ist irgendwann von einer dunklen Masse überzogen. Unaufhaltsam nähert sich der Strom aus schillernden Flügeln und pelzigen Körperteilen der Holzkiste. Die Kiste ist mit Rähmchen bereits bestückt und bietet ideale Bedingungen, sich niederzulassen. Auch eine volle Honigwabe wartet.
Eine gute Stunde später ist die Operation „Bienenumzug“ geglückt, der Patient lebt. Ich bin ziemlich aufgeregt, nun sind an meinem Bienenstand aus zwei Völkern plötzlich drei geworden. Es wird Zeit für ein neues Türschild: „Hier wohnt eine Imkerin mit ihrem Schwarm“.
Weitere Informationen
Für die Imker beginnt im Frühling die Hauptsaison. Im vergangenen Jahr hat unsere Autorin ihren Start in die Imkerei geschildert. Nun geht das Abenteuer Bienenhaltung weiter. An dieser Stelle möchten wir auch 2020 Wissenswertes und Spannendes über ein Leben mit den nützlichen Bestäubern liefern.