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Blockland ohne Breitband „Wir müssen Prozesse verschlanken“

Der Breitbandausbau ist mancherorts eine Hängepartie. Der Geschäftsführer des Breitbandzentrums Niedersachsen-Bremen berichtet, warum es in den Kommunen hakt und verspricht, die Prozesse zu verschlanken.
03.05.2021, 08:00 Uhr
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„Wir müssen Prozesse verschlanken“
Von Petra Scheller
Herr Beyersdorff, der Blocklander Breitbandausbau sollte eigentlich im September fertig werden. Bislang hat er nicht einmal begonnen. Woran liegt's?

Peer Beyersdorff: Es fehlten bislang immer wieder Unterlagen, um eine Baugenehmigung zu bekommen. Im Januar haben wir deshalb einen Runden Tisch initiiert, wo alle Vertreter – die Wasserbehörde, das Amt für Straßen und Verkehr (ASV), der Deichverband, die Umweltbehörde und die Telekom als beauftragtes Telekommunikationsunternehmen zusammengekommen sind, um strittige Fragen zu klären.

Welche waren das?

Es ging unter anderem um einzuhaltende Bauabstände. Es gibt dort am Deich einen sehr engen Bauraum und es konnten die Fragen zu den Gewässerquerungen geklärt werden. Die Telekom hat im März und April die erforderlichen Unterlagen eingereicht und eine positive Rückmeldung erhalten. Sie ist optimistisch, dass es in Kürze losgehen kann.

Das widerspricht den Angaben eines Sprechers der Bausenatorin. Von dort heißt es, die Unterlagen seien immer noch nicht vollständig.

Der Behördensprecher ist natürlich wesentlich näher am tatsächlichen Antragsstand dran als das Breitbandzentrum. Ich kann hier nur wiedergeben, was mir kürzlich vonseiten der Telekom mitgeteilt wurde. Ob es direkt schon Anfang Mai losgehen wird, ist fraglich, aber das Baufenster bis Oktober soll in diesem Jahr genutzt werden können. Realistischerweise wird man allerdings in diesem Jahr nicht mit dem Ausbau fertig. Die Bauarbeiten werden sich ins nächste Jahr ziehen.

Sie haben Verständnis für die Verzögerungen?

Nein. Die Telekom hätte sich rechtzeitig darum kümmern müssen. Man hätte dort schneller aktiv werden können. Andererseits sind die Antragsverfahren sehr komplex.

Das aktuelle Förderziel der Bundesregierung ist es, Glasfaser mit 1000 Mbit pro Sekunde zu liefern – für das Blockland sind 50 Mbit geplant, wie passt das zusammen?

Der Antrag aus dem Blockland ist eben schon drei Jahre alt. Das neue Förderziel gilt erst seit dem 26. April. Der Ausbau mit 50 Mbit pro Sekunde lohnt sich dennoch. Das ist das Mindestziel, das hier erreicht werden muss. Mit der neuen Glasfaser-Technologie, dem Supervectoring, ist zudem deutlich mehr Leistung möglich, nämlich bis zu 250 Megabit – je nachdem wie weit man von dem Verteilerkasten entfernt wohnt. Das ist zu dem jetzigen Stand ein Unterschied wie Tag und Nacht.

In den vergangenen Jahren sind die Standard-Inhalte im Netz größer geworden. Vor zwei Jahren kam Netflix noch mit fünf Megabit aus, inzwischen sind es 25. Ist die Familie im Homeoffice, ist man schnell bei 200 Mbit angelangt. Warum verkaufen Sie den Blocklandern die 50 Mbit wie einen Hauptgewinn?

Weil es für die Leute eine deutliche Verbesserung ist.

Die These steht im Raum, dass die Telekom den Projektauftrag zu günstig angeboten hat. Was muss so ein Ausbau kosten, damit für ein Unternehmen etwas übrig bleibt?

Es wurden auskömmliche Preise für das Unternehmen verhandelt. Über genaue Preise kann ich nicht sprechen. Das sind öffentliche Vergabeverfahren, die nicht veröffentlicht werden. Ich war an dem Vergabeverfahren beteiligt. Man kann der Telekom durchaus zutrauen, die Expertise für so einen Ausbau mitzubringen. Das verhandelte Budget ist ausreichend, um den Auftrag auszuführen.

Macht das Ganze technisch denn noch Sinn oder sollte das Projekt neu ausgeschrieben werden?

Jetzt, wo das Ganze endlich losgeht, sollte das Projekt nicht gestoppt werden. Ganz neu anzufangen hieße, das Antragsverfahren neu zu beginnen: ein Markterkundungsverfahren durchzuführen, es neu auszuwerten, neue Anträge zu stellen, auf die Bewilligung zu warten, eine europaweite Ausschreibung durchführen – mit allen Fristen. Das würde eine Verzögerung von weiteren drei Jahren bedeuten – optimistisch geplant.

Bis 2025 sollen, laut Bundesregierung, alle Haushalte gigabittauglich sein, was bedeutet das für das Blockland?

Wenn man im Blockland 1000 Megabit pro Sekunde haben will, und das ist sicherlich irgendwann der Fall, wird man die bestehende Kupferstrecke bis zu den Hausanschlüssen ersetzen müssen. Das erfordert dann zwar noch einmal Tiefbauarbeiten, aber eben nicht so umfänglich wie jetzt geplant. Es ist ja auch jetzt schon möglich, die Glasfaser bis ins Haus zu legen, das muss nur separat von den Hauseigentümern beauftragt werden.

Wie lassen sich Verzögerungen wie im Blockland zukünftig vermeiden?

Der Knackpunkt ist, dass der Telekommunikationsmarkt in Deutschland und Europa Ende der 1990er-Jahre liberalisiert wurde. Private Unternehmen bauen eben nur dort freiwillig aus, wo es sich lohnt. In dicht besiedelten Gebieten wird gerne ausgebaut, aber eben nicht an Stellen wie im Blockland – auf einer Strecke von zwölf Kilometern mit nur 60 Haushalten. Das lohnt sich wirtschaftlich nicht. Dann springen Bund und Land mit ihren Fördermaßnahmen ein. Aber das ganze Verfahren dauert zu lange.

Wie kann man die Prozesse verschlanken?

Wir sind da dran. Da sitzen Ingenieurbüros, Telekommunikationsunternehmen und Genehmigungsbehörden zusammen und suchen nach Lösungen. In dieser Woche findet dazu ein Workshop mit der niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr statt. Es gibt einen großen Bedarf, die Prozesse zu verschlanken – von allen Seiten übrigens. Niemand ist mit der jetzigen Situation zufrieden. Wir müssen die Zeiträume von der Planung bis zur Realisierung des Breitbandausbaus von drei auf zwei Jahre reduzieren. Das ist das Ziel.

Das Interview führte Petra Scheller.

Zur Person

Zur Person

Peer Beyersdorff (54)

ist seit 2008 Leiter des Breitbandzentrums Niedersachsen, das 2019 zum Breitbandzentrum Niedersachsen-Bremen (BZNB) erweitert wurde. Das Zentrum unterstützt Kommunen in Niedersachsen und Bremen beim Breitband-, Mobilfunk- und WLAN-Ausbau.

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Hindernisse beim Ausbau

Der Breitbandausbau im Blockland ist eine Hängepartie. 2018 verhandelten die Blocklander bereits mit der Bremer Wirtschaftsbehörde über Förderanträge, um an die schnelle Datenautobahn angeschlossen zu werden. Die Telekom konnte schließlich für den komplizierten Ausbau am Deich gewonnen werden. Doch seither reiht sich Hindernis an Hindernis.

Grund für die Verzögerung war zunächst die unklare Trassenführung für die rund 18.500 Meter Glasfaserleitungen. Deichverband, Wasserbehörde und Telekom stritten sich um deren Verlauf an der Hochwasserschutzanlage. Ein ganzes Jahr ging so ins Land. 2020 konnte deshalb nicht mit dem Bau begonnen werden. Schließlich holte der Leiter des Breitbandzentrums Niedersachsen-Bremen, Peer Beyersdorff, die Streithähne im Januar 2021 an einen Tisch.

Jetzt soll es demnächst losgehen. Wann? Das steht noch nicht fest. Die Krux: Am Deich darf nur von Mai bis Oktober gebaut werden. Also zieht sich das Projekt auf jeden Fall noch ins nächste Jahr.

Weiterer Knackpunkt: Die Telekom hat bei dem Projekt, dass zu 50 Prozent über Bundesmittel und zur anderen Hälfte über Bremer Landesmittel finanziert werden wird, nur eine Geschwindigkeitsabdeckung von 50 Megabit pro Sekunde bis zu den Hausanschlüssen vertraglich zugesagt.

Das ist den Blocklandern inzwischen zu wenig. Sie fordern auf ein Gigabit zu gehen, so wie es die Bundesregierung inzwischen für alle Haushalte bis zum Jahr 2025 fordert.

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