Vegesack. Jan Reiners ist etwas müde, aber guter Dinge. Erst am Abend zuvor ist der Chef der Nordbremer Firma „Multiplex“ aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) von einer seiner zahllosen Dienstreisen zurückgekommen. Mit Zwischenstopps in Istanbul und Dubai ist der gebürtige Vegesacker zunächst in das Emirat Umm al-Qaiwain geflogen. Am Persischen Golf hat er während seines Kurzaufenthalts zwölf Stunden über den Serien-Jachtbau und ein dort entstehendes Urlaubsdomizil gesprochen, um auf dem Rückweg im Oman mit einem Scheich über dessen Luxusjacht zu reden. Anschließend ging es vom omanischen Muscat per Flugzeug nach Katar und von dort aus weiter nach Al Shamal.
„Dort baut der Emir von Katar, ein Mitglied der Königsfamilie, nach dem Vorbild traditioneller Frachtschiffe Hightech-Jachten“, erzählt Jan Reiners und zeigt auf das Display seines I-Pads. Tatsächlich wirken die sogenannten „Dhows“ auf den ersten Blick, als wären es alte Schiffe. „Aber diese Dhows sind nagelneu. Sie werden mit Minimalausstattung angeliefert und in Katar zu Luxusjachten aufgerüstet“, erzählt der gelernte Bootsbauer.
„Wir sind Marktführer“
Zur Produktpalette der Firma Multiplex gehören Sonnensegel, Badeleitern, Gangways, Fender und Seitenlandgänge aus Kohlefaser. „Überall sitzt Konkurrenz, aber wir sind der Marktführer“, sagt Reiners. „Wir fertigen alle Teile auf Wunsch der Kunden individuell an. Für die Sonnensegel, Fender und Badeleitern hat die Firma auf internationalem Parkett schon einige Auszeichnungen eingeheimst.“
24 Mitarbeiter aus sieben Nationen sind bei Multiplex beschäftigt: Ingenieure, Logistiker und Handwerker, vor allem Tischler. Die Kommunikation läuft auf Englisch. Jan Reiners hat einen hohen Anspruch an seine Mitarbeiter: „Wer Weltliga spielen will, muss Weltliga leisten.“ Prototypen von kohlefaserfurnierten Handläufen lehnen an der Wand in Reiners‘ Büro. An der anderen Wand hängt eine Collage, die ihm Segelfreunde geschenkt haben: als Erinnerung an den America’s Cup 2001 Jubilee. „Da haben wir den ersten Platz im Zwölfer geholt.“
In den Regalen der Lagerhalle unterhalb des Bürotraktes stapeln sich riesige Holzkisten mit dem Aufdruck „Multiplex Germany“. Eine Kiste für einen niederländischen Kunden ist noch offen. „Der kriegt ein Sonnensegel inklusive Stützen“, erklärt Jan Reiners und fügt hinzu: „Wie machen inzwischen nicht mehr alles selbst. Wir machen die Endmontage, die Produktentwicklung, das Marketing, den Vertrieb, die Logistik und die Qualitätssicherung.“
Bis die individuell gefertigten Jacht-Utensilien versandfertig sind, vergeht einige Zeit. Nach intensiven Vorgesprächen werden aus Kohlefasermatten, die auf Rollen lagern, passgenaue Stücke gefräst und zugeschnitten. Diese Sets, sogenannte Kits, werden in Hamburg zu Rohlingen für Gangways, Leitern oder Fendern verarbeitet. „Alles, was wir fertigen, ist hohl und dadurch besonders leicht“, erklärt Reiners. Zurück in Bremen-Nord, werden Löcher und Aussparungen in die Produkte gefräst, bevor sie zum Lackieren abermals versandt werden. Anschließend erhalten sie bei Multiplex die Beschläge und werden nach der Endmontage und einer Qualitätsprüfung zum Kunden geschickt.
Jan Reiners zeigt auf etliche weiß lackierte Sonnensegel-Stützen für die Jacht einen arabischen Kunden. Das persönliche Juwel des Nordbremers lagert dagegen im hinteren Teil der Lagerhalle auf einem Anhänger unter einer Plane. Es ist ein kleines hölzernes Boot namens „Anna“, mit dem Reiners leidenschaftlich gern über die Lesum schippert. „Gebaut wurde die Anna 1926 auf der Werft meines Urgroßvaters in Lesumbrok“, erzählt der Unternehmer und streicht über das Boot.
Die ‚Bootswerft Reiners‘, die heute von seiner Schwester Annegret betrieben wird, ist gewissermaßen die Keimzelle der Firma „Multiplex“. Als gelernter Bootsbauer und passionierter Segler begeisterte sich Jan Reiners schon Ende der 80-er Jahre für den Werkstoff Kohlefaser. „Ich bin durch das Regatta-Segeln auf dieses Material aufmerksam geworden und war fasziniert.“ In einem Container an der Lesum richtete sich Reiners damals eine Werkstatt ein, fertigte erste Spinnakerbäume, Ruderblätter und Pinnen aus Kohlefaser.
1993 wurde es zu eng im Container, und der Bootsbauer zog von der familieneigenen Werft auf das damalige Lürssen-Gelände, wo heute das „Schulschiff Deutschland“ liegt. „Die Familie Lürßen hat mir damals Flächen zur Verfügung gestellt und Aufträge erteilt“, erzählt Reiners. Wegen des Haven-Hööft-Baus musste er jedoch weichen und zog im Jahr 1997 schließlich in eine Halle an der Straße Zur Westpier auf dem ehemaligen Vulkangelände.
In den väterlichen Betrieb werden demnächst auch die Söhne Moritz und Nicolai Reiners einsteigen. „Ich will mich nicht zurückziehen, aber den laufenden Betrieb an die Jungs übertragen “, erzählt Jan Reiners. „Ich werde auch weiterhin Produkte entwickeln und reisen. Schließlich ist das unumgänglich, da die Kunden nicht zu uns kommen. Es muss aber nicht mehr so viel sein.“