„Normalerweise sprudelt die Schönebecker Aue über das Wehr am Schönebecker Schloss, jetzt aber fließt dort kein Wasser. Im unteren Lauf zwischen den Straßen Auf dem Krümpel und An der Aue ist der Bach derzeit nur ein schmales Rinnsal.“ Christian Schiff ist häufig an der Schönebecker Aue unterwegs. Der stellvertretende Vorsitzende der Aktionsgemeinschaft Bremer Schweiz führt Gruppen durch das Auetal und spaziert auch gerne privat entlang des Baches. Er stellt fest: Die Hitze lässt das Gewässer in diesen Tagen austrocknen.
„Normalerweise führt die Aue im Sommer so viel Wasser, dass es Kindern beim Waten im Bach in die Gummistiefel laufen würde. Jetzt aber ist der Bach an vielen Stellen gerade noch zwei bis drei Zentimeter tief“, hat Schiff festgestellt. Nicht viel besser sieht es nach seinen Worten bei der Umgehungsrinne in der Nähe des Schlosses aus. Der künstliche Gewässerarm war 2006 als Umleitung neben der Aue angelegt worden, damit Fische ohne Hindernisse in den Mittel- und Oberlauf des Baches schwimmen können.
Der Umgehungslauf führt laut Schiff zwar etwas Wasser, „aber deutlich weniger als sonst“. Für Fische und Wirbellose werde es damit schwieriger, den Bach hinaufzuwandern. Das teilweise Trockenfallen der Aue sei „ein außergewöhnlicher Zustand und für die Lebewesen im Bach bedenklich. Man mag sich gar nicht vorstellen, wie es den Fischen jetzt ergeht.“
Weniger Wasser fließt in diesen Tagen auch in der Blumenthaler Aue. „Der Bach ist an einigen Stellen fast trocken“, sagt Lüder Kreft. Er ist Vorsitzender des Naturschutzbundes in Schwanewede. In Beckedorf, wo Kreft wohnt, bewirtschaftet er ein paar Weiden an der Blumenthaler Aue, die hier auf niedersächsischem Gebiet verläuft. Beim Blick in das Gewässer hat er festgestellt: „In manchen Bereichen ist der Bach nur noch sehr schmal und wenige Zentimeter tief. An diesen Stellen steht das Wasser, statt zu fließen.“ Ein Nebenarm der Blumenthaler Aue in Beckedorf sei sogar ausgetrocknet, weiß der Nabu-Vorsitzende. Ein Vereinsmitglied habe Fotos davon gemacht. „Früher hieß es immer: Die Blumenthaler Aue trocknet nicht aus. Das stimmt inzwischen nicht mehr“, meint Kreft.
Marion Langenbach, Abteilungsleiterin in der Bremer Umweltbehörde, bestätigt die allgemeine Situation: „Wir verzeichnen tatsächlich einen sehr niedrigen Wasserstand.“ Damit bezieht sie sich auf alle Geestbäche von Schwanewede bis zur Ihle. Zwar sei die Hitze- und Trockenheitsperiode noch nicht so lang, wie im vergangenen Jahr, dies bedeute aber keine Entwarnung. Wenn die Trockenheit andauert, eventuell sogar zum Standard wird, erwartet sie große Probleme. Noch, sagt sie, seien die Wasserstände insgesamt nicht kritisch.
Im vergangenen Jahr hatte Bremen einen der niedrigsten Grundwasserstände aller Zeiten zu verzeichnen. Und weil es eine Wechselwirkung zwischen Grundwasser und Bächen gibt, sagt Marion Langenbach: „Wenn beide Wasserstände niedrig sind, hat das langfristig Konsequenzen.“ Hohe Temperaturen und geringe Wasserstände: Die Expertin sagt, dass sie in einigen Wochen die Situation eventuell schon ganz anders einschätzen könnte.
Zurück zur Schönebecker Aue. Schiff macht nicht nur die Hitze und den mangelnden Regen für den niedrigen Pegelstand des Geestbaches verantwortlich. „Flächenversiegelung und die Drainage von Wiesen tragen mindestens genauso dazu bei.“ Regenwasser werde schnell in den Kanal abgeleitet, Wiesen würden ihre Schwammfunktion verlieren. Statt das Regenwasser im Boden zu speichern und über einen längeren Zeitraum an den Bach abzugeben, werde ein Großteil durch die Drainage schnell in Gräben entwässert. Die Folge zeige sich bei Hitzephasen dann im Bach: „Niedrigwasserperioden werden extremer und häufiger.“
Der niedrige Wasserstand in der Aue ist laut Schiff ein Problem. Ein anderes die Erwärmung. „Je wärmer das Wasser, desto weniger Sauerstoff wird im Wasser gelöst. Es gibt Fischarten, die bei Wassertemperaturen von 20 bis 22 Grad Probleme bekommen.“ Auf der Skala der Wasserqualität-Güteklassen von eins bis vier habe die Schönebecker Aue eine Gewässergüte von 2,5. „Bei sehr heißem Wetter und relativ wenig Wasser im Bach besteht die Gefahr, dass der Sauerstoffgehalt unter einen kritischen Wert fällt und Fische sterben können“, erklärt Schiff. Bei seinem Besuch am Bach vor wenigen Tagen habe er allerdings keine toten Fische gesehen.
„Im unteren Auelauf finden Fische noch Bereiche mit tieferen Stellen, in die sie sich bei Hitzeperioden zurückziehen können“, sagt Matthias Hein. Der Umweltbiologe untersucht seit 2003 den Fischbestand in der Schönebecke Aue, ein Mal im Jahr führt er dazu in Kooperation mit der Ökologiestation eine Elektrobefischung durch. Wo sich die Aue durch die Landschaft schlängelt, gebe es in den Außenkurven tiefere Stellen, die Fische aufsuchen könnten. Auch in Bereichen unter Ufergehölzen könnten sie in Wartestellung gehen, bis der Bach wieder genug Wasser führt. „Am Wanderweg unterhalb der neuen Brücke am Schloss wurzeln Schwarzerlen im Gewässer. Dort gibt es Unterspülungen, die auch bei niedrigem Wasserstand noch 40 bis 50 Zentimeter tief sind.“
Problematischer sei es dort, wo der Bach stark kanalisiert sei, wie im Abschnitt zwischen der Uhthoffstraße und dem Vegesacker Hafen. „Hier ist der Bach einheitlich tief und breit, entsprechend führt er dann bei extremer Hitze auch einheitlich wenig Wasser. Würde die Aue auch hier kurviger verlaufen, mit einem Wechsel aus flacheren und tieferen Bereichen, wären längere Trockenphasen nicht so problematisch.“
In der gesamten 18 Kilometer langen Schönebecker Aue sind laut Hein 33 Fischarten nachgewiesen, mit Ausnahme des Atlantischen Lachses tummeln sich alle auch im Unterlauf des Geestbaches. „Bei zu niedrigen Wasserständen bekommen vor allem große Fische Probleme. Für Döbel, Hasel, Aland und Forelle wird es kritisch, wenn der Pegel dauerhaft unter zehn Zentimeter fällt“, sagt Hein. Das Bachneunauge wiederum grabe sich in das sandige Sediment ein. „Die Fischart kommt auch mit weniger als fünf Zentimetern Wassertiefe aus.“ Steigt die Wassertemperatur und sinkt der Sauerstoffgehalt, könnte aber auch das Bachneunauge gefährdet sein. „Für einige Fischarten kann die Erwärmung des Wassers zum Problem werden. Die Forelle etwa mag es nicht, wenn die Wassertemperatur dauerhaft über 20 Grad liegt. Ähnliches gilt für das Bach- und das Flussneunauge.“
Dass ein naturnahes Gewässer wie die Schönebecker Aue auch mal wenig Wasser führt und der Bach sich erwärmt, ist auch nach Matthias Heins Einschätzung normal. Um den Fischbestand in der Aue ist ihm derzeit noch nicht bange. „Ich sehe da noch kein großes Problem.“ Aber: „Wenn die Hitze zu lange anhält, wird es kritisch.“