Es war die vielleicht größte Sensation des Sportjahres 2023. Die deutschen Basketballer sind in Manila Weltmeister geworden. Als Weltmeister gingen sie als einer der Medaillen-Aspiranten ins olympische Turnier 2024, fegten in der Vorrunde in Lille Frankreich sinnbildlich aus der Halle. Sie galten am Dienstagvormittag in der Pariser Bercy-Arena gegen Griechenland, das nicht eben kleine Basketball-Nation gilt, als Favorit.
Noch vor drei, vier Jahren wäre es andersherum gewesen. Favorit: Griechenland. Es wäre womöglich das ganze Spiel über so gelaufen, wie am Dienstag im ersten Viertel: Griechenland warf Korb und Korb, Deutschland warf andauernd daneben. Superstar Dennis Schröder inklusive. Die Griechen hatten ihm eine Sonderbewachung zukommen lassen. NBA-Star Schröder, Kapitän und Spielmacher der Deutschen, setzte den ersten Drei-Punkte-Versuch daneben, den zweiten auch. Dazwischen gleich mehrere fehlerhaften Ballabgaben. Favoritenrolle? Das erste Viertel war schon fast um, und Griechenland führte mit 13 Punkten Vorsprung. Am Ende des Spiels hatte Deutschland 13 Punkte Vorsprung, 76:63) und steht im Halbfinale. Und Schröder hatte wieder gezaubert. Wie ein Magier umtanzte er die Gegner, fing einen Ball ab, als ob er eine Katze sei, oder warf einen "Dreier" von fast der Mittellinie aus.
Das Basketball-Märchen von Manila war keine Eintagsfliege. Das war die Botschaft dieses Viertelfinaltriumphs, der nach einem Stotterstart peu á peu in eine dominante Vorstellung überging. "Wir haben uns nach dem ersten Viertel gesagt: So, das war unser schlechtes Viertel, jetzt geht's los", sagte Johannes Voigtmann, "wir sind nie hektisch geworden." Sozusagen in aller Seelenruhe hat die Mannschaft von Erfolgstrainer Gordon Herbert im zweiten Viertel zum 36:36 aufgeholt, hat im dritten Viertel die Führung übernommen – und sah im letzten Viertel schon nach wenigen Minuten wie der sichere Sieger aus.
Was nicht nur an der deutlichen Leistungssteigerung von Anführer Dennis Schröder lag. Diese Mannschaft, auch das war eine Botschaft des Halbfinal-Einzugs, ist nicht nur Dennis Schröder plus die anderen. Diese Mannschaft unter Trainer Herbert, der nach Olympia zum FC Bayern München wechseln wird, ist womöglich die beste deutsche Basketball-Mannschaft aller Zeiten. Sie hat womöglich das Zeug, einen Basketball-Boom im fußballfixierten Deutschland auszulösen. Die Punkte kamen nicht nur von Schröder oder den Wagner-Brüdern, auch wenn Franz Wagner in der Statistik mit 18 Zählern herausragte.
Insgesamt holten acht deutsche Spieler Punkte. "Wir haben ein starkes Team, das hat man heute gesehen", sagte Johannes Voigtmann. „Es ist großartig, mit diesem Team anzutreten. Wir sind wie eine Familie“, sagte Dennis Schröder. Am Spielfeldrand saß in der Bercy-Arena, gefüllt mit mehr als 12.000 Zuschauern, die deutsche Basketball-Legende Dirk Nowitzki. Als man ihn in Großaufnahme auf einer Leinwand zeigte, sah er aus wie ein großes Kind, das Bauklötzer staunt und sich nur so freut.
Im zweiten Viertel, in das Deutschland mit einem Rückstand von 11:21 gestartet war, zeigte sich vielleicht am eindruckvollsten, über welche Qualität das vom Kanadier Herbert geformte Team inzwischen verfügt. Weil in der dringend nötigen Aufholjagd nicht nur NBA-Profi Franz Wagner anfing, sicher zu treffen, sondern auch Spieler aus der zweiten Reihe wie Isaac Bonga oder Johannes Thiemann. Dazu wurde auch der zunächst indisponierte Dennis Schröder wieder der bekannte Dennis Schröder.
Mit der letzten Zehntelsekunde dieses Aufhol-Viertels setzte er einen Dreier-Versuch in den Korb, die Aufholjagd war erfolgreich abgeschlossen. Die gute Halbzeit der Deutschen begann. Die Mannschaft wies nach, welch einen Reifeprozess sie durchlaufen hat in den letzten Jahren. "Wir spielen auf einem höheren Niveau als vor vier Jahren", bestätigte Johannes Voigtmann. Fast schon pathetisch sagte Dennis Schröder: "Wir haben bereits Geschichte geschrieben."
Selten läuft ein großes internationales Turnier wie ein Gerade am Reißbrett, die steil aufwärts zeigt. Auch beim beeindruckenden WM-Sieg 2023 hatten die deutschen Basketballer unterwegs ein Spiel, in dem es zunächst rumpelte. Auch damals war es das Viertelfinale, damals gegen Lettland. Dass es anfangs im Viertelfinale auch in der Bercy-Arena nicht glatt lief, wunderte NBA-Profi Moritz Wagner, der acht Punkte beigesteuert hatte, kein bisschen. Der bekennende Werder-Fan sagte: „Das ist ja nicht Regionalliga hier.“