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Schachfreunde Lilienthal Fassungslos

An ein solches Horrorszenario konnte sich Teammanager Detlef Pott nicht erinnern. Der Aufstieg war zum Greifen nahe, am Ende standen die Lilienthaler aber mit leeren Händen da.
27.02.2018, 18:06 Uhr
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Fassungslos
Von Werner Maaß

Lilienthal. Die Schachfreunde Lilienthal hatten alles im Griff. Das Team hatte sich akribisch auf das Gipfeltreffen in der Landesliga beim MTV Tostedt vorbereitet. Auf jenen Vergleich Erster gegen Zweiter, und nur der Sieger würde aufsteigen. Es sah sehr vielversprechend auf den acht Brettern aus. Doch dann unterlief ausgerechnet dem glänzend im Rennen liegenden Kacper Polok ein haarsträubender, ein angesichts der Klasse des FIDE-Meisters völlig unerklärlicher Fehler. Dieser Punkt war ein Geschenk des Himmels für den MTV Tostedt. Und dieser eine Aussetzer entschied das Titelrennen vorzeitig: Mit dem 4,5:3,5-Erfolg ist Tostedt der Oberligaaufstieg wohl nicht mehr zu nehmen, die ambitionierten Lilienthaler hingegen müssen sich auf eine weitere Saison in der Landesliga einstellen.

Die Bedeutung dieser Partie wurde schnell deutlich. Es war ein Aufmarsch der Großmeister, der Internationalen sowie der FIDE-Meister. Beide Dickschiffe der Liga hatten mobil gemacht und alles aufgefahren, was Rang und Namen hat. Tostedt war mit sieben hochdekorierten Ungarn angetreten. Dem stand Lilienthal in nichts nach: Yuri Vovk und Andrey Sumets waren extra angereist, Vovk aus der Ukraine, Sumets von einen Turnier in der Schweiz. "Das war ein Spiel mindestens auf Zweitliganiveau. Auf gehobenem Zweitliganiveau sogar", umschrieb Lilienthals Teammanager Detlef Pott das Duell der Giganten in einer Liga, in der von der hohen Wertungszahl her eigentlich keiner der Spieler etwas zu suchen hätte.

Die Hausherren waren von der Statistik her klar favorisiert. Umso stolzer war Detlef Pott, dass die Partie Spitz auf Knopf stand. Mit zwischendurch leichten Vorteilen für die Lilienthaler sogar, denn die hatten ihre Hausaufgaben glänzend gemacht. Marcin Krzyanowski an Brett drei zum Beispiel. Oder Tobias Jugelt an Brett vier sowie Hendrik Pieter Hoeksema an Brett fünf, sie alle holten das anvisierte Remis und hielten ihr Team im Rennen. Auch Margatita Voiska bot ihrem höher dotierten Gegner Adam Szeberenyi die Stirn und sackte einen halben Zähler ein.

Genov demontiert seinen Gegner

Herausragend war das Spiel von Lilienthals Großmeister Petar Genov gegen Tostedts einzigen Deutschen im Team, Kevin Högy. Der aus Bulgarien stammende Genov spielte Schach par excellence, wie Detlef Pott schilderte: „Petar war die Ruhe weg. Er hat sich seine Sachen in aller Ruhe aufgebaut. Dem war der Gegner nicht gewachsen.“ Petar Genov war perfekt vorbereitet, offenbar deutlich besser als sein Kontrahent. „Der Gegner hatte vermutlich gar nicht erkannt, was da alles auf ihn zurollen würde. Das hatte Petar wirklich super getarnt“, sagte Pott. Dieser Punkt ging an die Lilienthal. Und der Weg zum Meistertitel und Aufstieg schien frei zu sein.

Doch dann passierte etwas, was nicht nur Detlef Pott so in dieser Form vermutlich noch nicht gesehen hatte. Kacper Polok hatte genial eröffnet, seinen Kontrahenten Iak Gyula an die Wand gespielt und dort fest im Würgegriff. Der 23-Jährige hatte einen Qualitätsvorteil, die Bauern waren vorteilhafter positioniert, der Lilienthaler stand eindeutig auf Sieg. Doch dann ließ sich Polok auf einen Kuhhandel ein, den er teuer bezahlte. Polok kassierte einen Bauern ein anstatt auf leichte Art und Weise ein Grundlinienschach zu verhindern. Die Folge: Nur sechs Züge musste Polok die Segel streichen und den Punkt abliefern. Einen Zähler, den selbst die kühnsten Tostedter Optimisten schon längst abgeschrieben hatten.

Eine Partie lief noch, das Duell zweier Großmeister am Spitzenbrett. Den Tostedter Viktor Erdos bezeichnete Detlef Pott als „den stärksten Spieler in Deutschland, der nicht in der ersten Liga spielt“. Lilienthals Yuri Vovk wurde also auf höchstem Niveau gefordert. Die beiden schenkten sich nichts. Vovk war zeitweise am Drücker, doch Erdos verteidigte sich geschickt. Und vor allem ausdauernd. 108 Züge waren gespielt, die Rekordspielzeit von 6:40 Stunden stand auf der Uhr, dann ging wirlich nichts mehr. Vovk hatte alles versucht, musste dann aber doch in ein Remis einwilligen, das Tostedt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum Meister macht. Zwei Spiele hat Tostedt noch zu absolvieren, zwei vermeintliche Spaziergänge. Jetzt müsste schon ein riesengroßes Wunder her, sollte Lilienthal am Ende doch noch auf den Thron klettern. Oder als Vizemeister durch die Hintertür nach in die Oberliga nachrücken.

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