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Taktik im modernen Fußball Der "Sechser" wird immer wichtiger

Bremen. Wer einen guten "Sechser" hat, ist klar im Vorteil. Die Spieler auf der zentralen defensiven Position im Mittelfeld beeinflussen mehr denn je das Geschehen auf dem Platz. Prototyp des modernen "Sechsers" ist der Spanier Xavi.
28.12.2011, 05:00 Uhr
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Von Frank Hellmann

Frankfurt/Main. Am 9. Januar wird im Kongresszentrum Zürich der neue Weltfußballer gekürt. Zur Wahl stehen mal wieder Barcelonas fantastischer Dribbler Messi sowie Madrids polarisierende Ikone Cristiano Ronaldo. Doch das Land des Welt- und Europameisters ist sich einig, dass die Ehrung ersatzweise auch genützt werden könnte, einen wenig schillernden Anwärter ihrer Nation zu ehren: Xavier Hernández i Creus, kurz Xavi, der es als Dritter im Bunde in die Endausscheidung gebracht hat.

Sein Vater sagte einst über ihn: "Alle Jungs wollten nur nach vorne stürmen und selbst ein Tor schießen - mit Ausnahme von Xavi. Der hat die Zuspiele geliefert und Gegenangriffe schon weit vorne gestoppt." Der 31-jährige Katalane gilt als die stilprägende Größe auf der zentralen defensiven Mittelfeldposition, auf der Position des sogenannten Sechsers. Er ist unterwegs als Herz und Hirn. Tätig als Taktgeber und Stratege. Mächtig als Balleroberer und Ballverteiler.

"Die Bedeutung des klassischen Spielgestalters, des Zehners, hat abgenommen. Dafür hat sich diese Rolle weiter zurückverlagert, vielfach erledigen der ,Sechser' oder eine Doppel-Sechs diese Aufgabe. Diese Entwicklung trat bei der WM 2006 auf, hat sich zur WM 2010 noch verstärkt, als fast ohne Ausnahme so agiert wurde", sagt Frank Wormuth, Leiter der DFB-Fußballlehrer-Ausbildung. "Der ,Sechser' hat zu allen Positionen den kürzesten Abstand, kann so das Spiel enorm beeinflussen." Wormuth spricht bei der flächendeckenden und klassenübergreifenden Installation der Doppel-Sechs von einem schleichenden Prozess, der längst auch den deutschen Fußball prägen würde. "Hier hat es viele Nachahmer gegeben, einige Trainer sind möglicherweise einem Herdentrieb gefolgt."

Fest steht, dass im Defensivzentrum über Wohl und Wehe bestimmt wird. Der FC Bayern erlebt gerade, dass mit Bastian Schweinsteiger dort der wichtigste Gestalter nicht ersetzbar ist. Seit dessen Schlüsselbeinbruch wirkt das Gebilde brüchig, was Wormuth nicht weiter verwundert: "Bastian Schweinsteiger kommt auf dieser Position sicherlich dem Ideal sehr nahe, weil er sehr ballsicher ist, klug die Räume verstellt und verschiebt - dafür muss er gar nicht unbedingt den Ball erobern."

Auch Borussia Dortmund hat erfahren, dass der Wert eines Nuri Sahin wohl noch größer war als gedacht. Sein Vertreter Ilkay Gündogan fand sich auf der Bank wieder, weil es an körperlicher Präsenz und strategischen Fähigkeiten mangelte. Letztere hat Xavi mal als "Überlebensinstinkt" tituliert: "Ich habe keine privilegierte Physis, also muss ich schnell denken. Diese Art von Geschwindigkeit ist heute fast mehr wert als die pure Schnelligkeit."

Wer nicht mitkommt, kann wenig Einfluss ausüben: Die früheren Kombinationskünstler von Werder Bremen kommen auch deshalb nicht wie gewünscht auf Touren, weil sich ihr "Sechser" Philipp Bargfrede eher rückwärts entwickelt hat; der frühere Meister VfL Wolfsburg überlässt im Spielaufbau vieles dem Zufall, weil sein "Sechser" Josué das Gefühl für Zeit und Raum verloren hat. Umgekehrt gilt: Der VfB Stuttgart ist ein stabileres Gefüge geworden, seitdem mit dem veranlagten Dänen William Kvist die Schaltzentrale besser besetzt wurde. Der Hamburger SV ist ein besser funktionierendes Team, seit Trainer Thorsten Fink Gojko Kacar und vor allem den erstarkten Tomas Rincon zu seinen Vertrauten im zentralen Mittelfeld gemacht hat.

Hannover 96 hat im Vorjahr vor allem deshalb reüssiert, weil Manuel Schmiedebach und Sergio Pinto von der Doppel-Sechs das beste Umschaltspiel der Liga inszenierten. Und bei Borussia Mönchengladbach gilt das Doppel-Sechs-Duo Roman Neustädter/Havard Nordtveit immer noch als der Schachzug von Lucien Favre, um defensive Ordnung zu garantieren. "Ob ein Trainer mit einem, zwei oder sogar drei ,Sechsern' agieren lässt, ist eine Frage der Philosophie und der Qualität", sagt Wormuth, "daraus folgt auch, wie diese Rolle interpretiert wird." Nämlich strikt defensiv in Mönchengladbach, mehr offensiv in der Nationalmannschaft, wo Joachim Löw den Begriff des "Zwischenspielers" erfunden hat, um das Wirken eines Toni Kroos zu umschreiben. Im modernen Rasenschach braucht es defensiv effektive und offensiv intelligente Figuren - wie Xavi, Fabregas, Iniesta, Alonso oder Schweinsteiger.

Wormuth insistiert, dass auch diese Rolle nur ein Mosaikstein in einem Gefüge darstellt: "Die Qualität auf dieser Position entscheidet nicht allein über Sieg und Niederlage." Aber zu einem vermehrten Anteil.

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