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Würdigung von Bayer Leverkusen Ein außergewöhnliches Meisterwerk

Leverkusens Meisterschaft ist eine bittere Pille für die Bayern, aber ein Triumph des schönen Fußballs. Ein Beweis dafür, dass Mentalität und Leidenschaft wichtiger sind als teure Stars, meint Jean-Julien Beer.
15.04.2024, 10:46 Uhr
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Ein außergewöhnliches Meisterwerk
Von Jean-Julien Beer

Hinterher haben es im Fußball viele schon immer gewusst. Xabi Alonso? Ein super Trainer. Bayer Leverkusen? Eine grandiose Mannschaft. Der erste Meistertitel für den Werksverein vom Rhein? War doch nur eine Frage der Zeit. Nachdem Leverkusen den Titelgewinn am Sonntag gegen Werder perfekt machte, wird dieser historische Erfolg von allen Seiten gefeiert und gewürdigt.

Es ist aber vor allem deshalb ein besonderes Meisterwerk, weil dieser Triumph überhaupt nicht absehbar war. Auf vielen Ebenen ist es ein außergewöhnlicher Erfolg. Wohl jeder Fußballfan hätte vor der Saison geglaubt: Wenn eine Mannschaft schon am 29. Spieltag mit großem Vorsprung als Meister feststeht, dann wird das wieder der FC Bayern sein. Die Münchner wurden seit elf Jahren immer Meister und verstärkten sich vor der Saison für mehr als 200 Millionen Euro mit weiteren Stars, darunter Toptorjäger Harry Kane. Aber Leverkusen? Viele Fans im Land hätten vor dem ersten Spieltag wohl keine fünf Profis aufzählen können, die dort spielen. Acht Monate später hat diese Mannschaft mit ihrem wundervollen Fußball die Herzen der Massen erobert.

Und dann erst der Trainer, Xabi Alonso. Als Bayer Leverkusen den Mut aufbrachte, den jungen Spanier zu verpflichten, wurde das von Skepsis begleitet. Alonso hatte bis dahin nur bei der zweiten Mannschaft von Real Sociedad gearbeitet, einem der kleineren Vereine im spanischen Profifußball. Dort hatte er einst in der Jugend gespielt, bevor er als Mittelfeldstratege beim FC Liverpool, Real Madrid und Bayern München zum Weltstar wurde. Es war unklar, ob der berühmte Spieler, Welt- und Europameister, auch zum großen Trainer taugen würde.

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Erschwerend hinzu kam die bedrohliche Situation, in der sich Leverkusen befand: Als Alonso im Oktober 2022 übernahm, stand die Werkself auf dem vorletzten Platz und drohte abzusteigen. Die Bayer-Fans wandten sich in ihrer Verzweiflung mit einem offenen Brief an die erfolglose Mannschaft und den taumelnden Verein. Sie formulierten einen flammenden Appell, gemeinsam alles gegen den Abstieg zu tun. Im Prinzip war das auch eine Anklage gegen Söldnertum im Profifußball. Die Fans forderten Herzblut und totale Identifikation mit ihrem Verein. Auf diesen Brief kam Alonso unlängst noch einmal zu sprechen – weil er den Appell der Fans damals eben nicht pflichtbewusst zur Kenntnis nahm, sondern die Sorgen der Anhänger zu einem wichtigen Thema in der Kabine machte.

Der Brief wirkte wie ein zusätzlicher Antrieb. Heute steht Bayer Leverkusen für mehr Identifikation als viele andere Vereine. Das gilt vor allem auch für Alonso. Der Trainer konnte sich zuletzt seinen neuen Arbeitgeber aussuchen, er stand bei Bayern, Real Madrid und in Liverpool oben auf der Wunschliste. Aber er will bleiben, sagt er, weil er mit seiner Arbeit in Leverkusen noch nicht fertig sei. Das ist ein nicht alltägliches Bekenntnis im Fußballgeschäft. Viele seiner umworbenen Spieler dürften dem Beispiel ihres Trainer folgen.

Was seit dem Herbst 2022 in Leverkusen passierte, wirkt wie ein Fußballmärchen. Es ist aber das Ergebnis von akribischer, starker Arbeit: von Trainer Alonso auf dem Feld und von Manager Simon Rolfes, dem Ex-Bremer, im Hintergrund. Gemeinsam stellten sie einen spielstarken Kader zusammen, der erfolgreicher ist als alle Konkurrenten im Land.

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Die Leverkusener Meisterschaft ist eine bittere Pille für den FC Bayern, der nach vielen Fehlentscheidungen gerade eine Lektion lernt. Es müssen nicht immer die teuersten Leute geholt werden. Mentalität und Leidenschaft sind wichtiger. Auch die üblichen Bayern-Verfolger Dortmund und Leipzig müssen sich kritisch hinterfragen. Sie wollten da sein, wenn die Bayern schwächeln. Doch sie waren dafür wieder nicht stark genug.

Ganz anders der neue Meister: Wettbewerbsübergreifend ist Leverkusen in dieser Saison in 43 Spielen ungeschlagen, das hat in Europa noch nie jemand überboten. Verdienter kann man nicht vorne stehen. Dieser Erfolg des bisherigen „Vizekusen“ ist vielleicht erst der Anfang: Im DFB-Pokal stehen sie im Finale, auch in der Europa League können sie das schaffen. Und nächste Saison hören sie mit ihrem Fußball nicht auf. Sie wollen so weitermachen. Das hat Alsonso bereits angekündigt.

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