Millionen Fußballfans schauen am Wochenende gespannt auf das Spitzenspiel der Bundesliga: Der unbesiegte Tabellenführer Bayer Leverkusen trifft auf Rekordmeister Bayern München. Dabei geht es nicht nur um drei Punkte und die Frage, wer nach diesem 21. Spieltag auf Platz eins steht – es geht um mehr. Nach elf Meisterschaften des FC Bayern hintereinander ist unter vielen Fans eine Sehnsucht nach einem anderen Titelträger entstanden. Auch für den weltweiten Ruf der Bundesliga wäre ein anderer Meister gut.
Es ist eine schöne Momentaufnahme, dass es einen echten Zweikampf an der Tabellenspitze gibt. Viel zu oft war das anders, als es nur noch darum ging, ob die Bayern schon vor Ostern mit großem Vorsprung als Meister feststehen oder erst nach dem Eierfärben. Verglichen mit diesen langweiligen Zeiten haben sich die deutschen Spitzenklubs wieder angenähert, weil die Bayern trotz enormer Transferausgaben schwächer wurden und die Konkurrenten besser.
Vorige Saison kämpfte Borussia Dortmund bis zum letzten Spieltag um den Titel, nun könnte sich Leverkusen mit einem Sieg am Sonnabend einen Vorsprung von fünf Punkten erspielen. Das Problem: Wenn am Ende doch wieder die Münchner die Schale hochhalten, wie im Vorjahr nach einem dramatischen Saisonendspurt, wäre das für alle Nicht-Bayern-Fans ernüchternd und für das Image des Wettbewerbs schädlich. Es wäre der 34. Meistertitel der Bayern, der zwölfte hintereinander. Der letzte andere Meister war Borussia Dortmund 2011 und 2012 – mit Trainer Jürgen Klopp.
Danach passierte das, was bedauerlicherweise immer passiert, ganz gleich, wer den Bayern gefährlich wird. Die besten Akteure des Rivalen wechselten nach München. Freiwillig, ohne Zwang. Im Fall von Dortmund waren es Robert Lewandowski, Mats Hummels und Mario Götze – das genügte, um die Borussen wieder auf Normalmaß zu stutzen. Dass sie damals nicht auch noch Jürgen Klopp holten, haben die Bosse in München oft bereut. Ein Versäumnis, aus dem sie gelernt haben: Als das reiche RB Leipzig zu stark wurde, lockten die Bayern nicht nur die RB-Asse Dayot Upamecano und Konrad Laimer nach München, sondern zusätzlich deren Trainer Julian Nagelsmann und jetzt Manager Max Eberl. Auch wenn Nagelsmann in München floppte, mit Eberl haben sie dem Rivalen Hirn und Herz herausgerissen.
Durch diese Politik aber kann kein zweiter Riese neben dem Branchenprimus FC Bayern entstehen. Während in England oder Spanien drei oder mehr Klubs um den Titel kämpfen, schaut man im Ausland mit einer Mischung aus Desinteresse und Unverständnis auf die deutsche Liga. Was soll das für ein Wettbewerb sein, ätzte der portugiesische Trainerstar José Mourinho, wenn die Bayern jedem Rivalen die besten Leute wegholen. Dann sei doch vorher klar, wer am Ende gewinnt.
Mourinho trifft damit den wunden Punkt der Bundesliga: Werden die Bayern erneut Meister, interessiert es auf den lukrativen Märkten der Auslandsvermarktung in Asien, Südamerika oder den USA niemanden, ob es am 21. Spieltag ein spannendes Spitzenspiel gab. Echte Spannung wird nur durch dauerhaften, hochklassigen Wettbewerb um den Titel erzeugt. Deshalb sind die Gerüchte alarmierend, dass sich die Bayern gedanklich mit dem Leverkusener Trainer Xabi Alonso beschäftigen, für den Fall, dass sie einen neuen Trainer brauchen.
Und das könnte schnell der Fall sein, je nachdem, wie das Spitzenspiel ausgeht. Denn eines ist klar: Nachdem sich die Bayern einen Harry Kane für 100 Millionen geholt haben und im Winter weitere Stars für mehr als 35 Millionen, werden sie sich nicht damit begnügen, im DFB-Pokal an Saarbrücken und in der Liga an Leverkusen gescheitert zu sein. Dann würden sie neidisch auf die spielstarken Leverkusener schauen und versuchen, sich deren beste Leute zu schnappen – auch wenn sie damit der Liga, in der sie spielen, keinen Gefallen tun. Diesem Werben der Bayern nicht nachzugeben, ist das Beste, was der Bundesliga passieren kann. Auch wenn mancher Star dann ins Ausland wechselt, wie zuletzt Erling Haaland nach Manchester oder Jude Bellingham zu Real Madrid. Lieber das als ein Meister, der schon Ostern die Schale im Körbchen hat.