Das deutsche Ausscheiden bei der EM ist vor allem deshalb so bitter, weil die Fans dieser Mannschaft wieder mehr zugetraut haben. Drei Wochen lang begeisterten Spieler wie Jamal Musiala, Florian Wirtz, Toni Kroos oder Niclas Füllkrug. Sie feierten spektakuläre Siege, sie kämpften in engen Spielen, sie wirkten wie eine echte Mannschaft und ließen Träume reifen, dass es nach vielen enttäuschenden Jahren sogar für den Titel reichen könnte. Das ist viel mehr, als man vor dieser Europameisterschaft vom deutschen Team erwartet hätte.
Deshalb ist die Heim-EM auch ohne weitere deutsche Spiele ein Meilenstein für den schwarz-rot-goldenen Fußball: Die Nationalmannschaft macht wieder Spaß, sie steht nicht mehr für lustloses Gekicke oder für abgehobene Typen. Mit diesem DFB-Team können sich die Fans wieder identifizieren. Der Schulterschluss gelang spät, aber gerade noch rechtzeitig.
Die Korrekturen waren wichtig und richtig
Auch wenn der junge Bundestrainer Julian Nagelsmann nicht alles richtig machte (im Land der 80 Millionen Bundestrainer gibt es immer etwas zu kritisieren): Die Veränderungen in dieser Mannschaft tragen seine Handschrift. Nach den vogelwilden Auftritten im Jahr 2023 – erst unter dem überforderten Hansi Flick und auch unter Nachfolger Nagelsmann – mussten tiefgreifende Korrekturen her. Nagelsmann hat sich nicht gescheut, sie umzusetzen. Robustere Typen, eine klare Hierarchie, ein völlig neues Mittelfeld: All das trug dazu bei, dass Deutschland bei der EM begeistern konnte und die peinlichen Turniere 2022 in Katar und 2018 in Russland nicht mehr die öffentlichen Meinungen dominieren. Gegen die Weltklasse-Mannschaft Spanien in der Verlängerung auszuscheiden, ist keine Schande.
Nach dem knapp verpassten Halbfinale bleiben zwei Erkenntnisse. Erstens: Diese Mannschaft hat eine vielversprechende Zukunft, weil junge Stars wie Musiala oder Wirtz auf höchstem Niveau den Durchbruch schafften. Und zweitens: Die Mannschaft braucht trotzdem einen Umbruch, weil das Durchschnittsalter zu hoch war. Bei aller Romantik: Im kraftraubenden Spiel gegen Spanien wurde deutlich, dass Altstars wie Kroos und Thomas Müller das Tempo in vielen Momenten nicht mehr mitgehen konnten. Den Umbruch konsequent einzuleiten, ist nun Nagelsmanns dringlichster Auftrag.