Berlin. Der "Capitano" ist in seiner Nationalmannschaft nur noch ein Schattenmann. Die EM-Chancen von Michael Ballack sinken immer mehr.
Obwohl der 34 Jährige, der weiterhin offiziell Kapitän des DFB-Teams ist, nach einer langen Verletzungs- und Leidenszeit bei Bayer Leverkusen inzwischen wieder zur Stammkraft aufgestiegen ist, will ihn Bundestrainer Joachim Löw für die drei abschließenden Saison-Länderspiele Ende Mai und Anfang Juni anscheinend nicht zurückholen.
Nach Informationen des Fachmagazins "kicker" hat der Deutsche Fußball-Bund (DFB) von Ballack bisher keinen Reisepass angefordert, der für die Beantragung eines Visums für Aserbaidschan notwendig ist. Deutschland spielt am 7. Juni in Baku in der EM-Qualifikation. "Wie immer wird der DFB erst nach Bekanntgabe des Aufgebots die Visa für die Spieler abschließend einholen", sagte Nationalmannschaftssprecher Harald Stenger dazu auf dpa-Anfrage.
Löw mauert seit Wochen zum Thema Ballack. Ursprünglich hatte er für März ein klärendes Gespräch angekündigt, dann für April. Inzwischen ist der Mai gekommen und es darf weiter kräftig spekuliert werden. "Es gibt keine Tagesaktualität. Er muss nach so langer Verletzungspause sein Leistungsniveau in Leverkusen erreichen", hatte der Bundestrainer als letzten Stand bei den jüngsten Länderspielen gegen Kasachstan (4:0) und gegen Australien (1:2) verkündet und angefügt: "Wir werden uns in Ruhe überlegen, was zu tun ist."
Offiziell heißt es, Löw und Ballack stünden ständig in Kontakt. Erst bei der Bekanntgabe seines Kaders für das Freundschaftsspiel am 29. Mai in Sinsheim gegen Uruguay sowie die EM-Ausscheidungsspiele am 3. Juni in Wien gegen Österreich und vier Tage später in Aserbaidschan will der Bundestrainer aber wieder öffentlich über seine Personalpläne sprechen. Eine quälende Hängepartie, an deren Ende ein Abschiedsspiel, das 99., für Ballack stehen könnte. Oder als weitere Zugabe für den verdienstvollsten Nationalspieler des vergangenen Jahrzehnts auch noch ein bedeutsameres Hundertstes?
Für die 23 Profis, die zuletzt gegen Kasachstan und Australien zu Löws Aufgebot gezählt hatten, und einige weitere Spieler sollen Visa beantragt werden. Dazu gehört auch der verletzte Sami Khedira, der seine Einsatzchancen beim Saisonfinale selbst zurückhaltend bewertet. "In der Liga ist es ausgeschlossen, dass ich nochmal spiele. Mit den Länderspielen habe ich noch nicht komplett abgeschlossen", sagte der an einem Muskelriss leidende Profi von Real Madrid. Löw hatte Anfang der Woche erklärt: "Wir planen, Khedira für die drei Länderspiele im Mai und Juni zu nominieren."
Khedira hatte nach Ballacks Verletzung vor der WM 2010 dessen Stammplatz im defensiven Mittelfeld des DFB-Teams übernommen. Löw sieht den 24 Jahre alten Ex-Stuttgarter inzwischen neben dem Münchner Bastian Schweinsteiger deutlich vor Ballack. Auch der Münchner Toni Kroos, der Dortmunder Aufsteiger Sven Bender und der Stuttgarter Christian Träsch stehen als Männer der Zukunft wohl höher im Kurs.
Besonders frustrierend für Ballack: Möglicherweise könnte sein Clubkollege Simon Rolfes in den Saison-Endspielen zu seinem Comeback kommen. Der 29 Jahre alte Rolfes, ebenfalls ein Mittefeldmann, hatte zuletzt im Oktober 2009 gegen Russland (1:0) für Deutschland gespielt - übrigens an der Seite Ballacks. Der letzte Einsatz des Kapitäns im DFB-Trikot liegt nun auch bereits über ein Jahr zurück. Als sein letztes großes Ziel als Nationalspieler hatte Ballack immer die Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine bezeichnet. (dpa)