Es sei da dieser Fluch der vierten Plätze, den sie loswerden wollten. Das sagten die beiden Beachvolleyballer Nils Ehlers und Clemens Wickler in ihrem ersten Statement gegenüber der Presse. Dabei hätte die Aufgabe am Donnerstagabend größer nicht sein können. Um ins Endspiel zu kommen, mussten sie schaffen, was sie noch nie geschafft hatten: die norwegischen Olympiasieger und Weltmeister Anders Bengtsen Mol und Christian Sandlie Soerum schlagen. Als es vorbei war, sagte Nils Ehlers: Es ist unfassbar und unbeschreiblich, diesen Fluch besiegt zu haben."
So hart hätten sie gearbeitet all die Jahre, so sehr hatten sie an ihrem Ziel festgehalten, eine große internationale Medaille zu gewinnen. "Manche haben sogar schon darüber geschmunzelt", gestand Ehlers. Das Duell mit Mol/Soerum sei wie ein Boxkampf gewesen. Schläge setzen, Schläge einstecken. "Und im letzten Satz war nur noch fighten", sagte Ehlers. Das Duo siegte in drei Sätzen und kämpft am Sonnabend vor Paris' Wahrzeichen um Gold. "Emotional bin ich ganz schön auf dem Weg nach unten", sagte Clemens Wickler nach all den Glückwünschen und dem Interview-Marathon. Nils Ehlers nickte und sagte: "Langsam versagt meine Stimme."
Es begann alles mit einem Fehler. Clemens Wickler haute den Ball beim Aufschlag ins Netz. Ganz ironisch und zum großen Gelächter der Reporter sagte er hinterher: "Ich dachte: Ich geh' vom Feld runter." Ging er natürlich nicht, er schlägt nun mal mit hohem Risiko auf. Dem ersten Fehler folgte im ersten Satz, nun ja: eine olympiareife Vorstellung der beiden Deutschen, die sich mit einer makellosen Serie bis in dieses Halbfinale in der wohl spektakulärsten Arena dieser Olympischen Spiele gesiegt hatten. Vor dem Eiffelturm ließen sie die norwegischen Titelverteidiger im ersten Satz fast schon wie Nachwuchsspieler aussehen. Immer wieder blockte der 2,11-Meter-Riese Nils Ehlers die gegnerischen Schmetterschläge am Netz ab. Schon bald führten die Deutschen mit vier, fünf Punkten Vorsprung, am Ende des Satzes waren es gar acht. Ehlers/Wickler siegten mit 21:13, und wenn nicht ein paar Aufschläge hinter der Linie im Sand gelandet wären, wäre der Satzgewinn sogar noch klarer ausgefallen. "Alles hat funktioniert", sagte Wickler.
Satz zwei begann mit einem Kontrastprogramm. Die beiden Norweger, die mit Anders Berntsen Mol ebenfalls einen Zwei-Meter-Mann für die Abwehr am Netz hatten, legten ihrerseits vor und führten zunächst mit drei, vier Punkten. Mol wehrte am Netz jetzt deutlich mehr Bälle ab. Die Schmetterschläge von Nils Ehlers und Clemens Wickler landeten zu oft im Aus. Zwar kämpften sie sich noch bis auf 16:18 heran und wehrten auch den ersten Satzball ab. Letztlich siegten jedoch die Norweger mit 21:18. Clemens Wickler hatten den letzten Aufschlag zu weit gesetzt.
Im dritten Satz wird im Beachvolleyball nur bis 15 gespielt, unter der Voraussetzung von einer Zwei-Punkte-Führung. Erneut erwischten Mol und Soerum den besseren Start, ehe Ehlers/Wickler vier Punkte in Folge anbrachten und unter dem Johlen der deutschen Fans mit 6:4 nach vorn zogen. Die Führung hielt in diesem Finale zum Fingernägel-Kauen bis zum ersten Matchball - 14:12. Den wehrten die Norweger noch ab, den zweiten nur vermeintlich. Videoentscheid: Netzberührung, Punkt 15 ging ans deutsche Team. Die beiden Beach-Riesen sanken auf den Boden. Sie legten sich einfach mit dem Gesicht nach oben in den Sand. Über ihnen der Abendhimmel von Paris und der Eiffelturm - und in ihnen drin das pure Glück.
