Ritterhude. Die Reaktion kam überraschend – und deckte sich doch zu 100 Prozent mit der Gemütslage von Julian Geils. Da hatte der Trainer der TuSG Ritterhude seiner Mannschaft gerade noch einmal zum Klassenerhalt in der Fußball-Landesliga Lüneburg gratuliert und in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass sich „so ein Klassenerhalt ja nicht ganz so geil anfühlt wie eine Meisterschaft“. Doch seine Spieler intervenierten auf der Stelle: ganz im Gegenteil, so die einhellige Meinung. Dieser Klassenerhalt fühle sich genauso gut an wie der Bezirksliga-Titel zwölf Monate zuvor. Mindestens.
Jeder, der sich mit dem hiesigen Amateurfußball auskennt, wird zustimmen: Dass sich die TuSG Ritterhude tatsächlich in der Landesliga behaupten würde – noch dazu auf ziemlich souveräne Art und Weise –, das hatten nur die wenigsten erwartet. Zu abschreckend waren die Versuche der lokalen Konkurrenz in den vergangenen Jahren verlaufen. Und zu frustrierend war ja auch der Ritterhuder Saisonstart dahergekommen. Ein 0:5 gegen Eintracht Lüneburg, gefolgt von einem 1:3 in Harsefeld. „Da habe ich dann schon mal gedacht: Oh oh, wie geht das jetzt wohl weiter“, erinnert sich Julian Geils.
Es ging weiter – und zwar mit sechs Siegen am Stück. Wie aus dem Nichts entpuppten sich die Ritterhuder plötzlich als die Himmelsstürmer der Landesliga, stürmten von Rang 16 bis auf Platz 5. Spätestens nach dem 1:0-Derbysieg in Bornreihe schien alles möglich. „Allerdings war damals auch kein einziger deutlicher Sieg dabei“, sagt Geils. Er wusste auch damals, kurz vor Weihnachten, als seine TuSG deutlich über dem Schnitt lag, dass es eine enge Kiste bleiben würde. Und so kam es dann ja auch.
Der Aufsteiger startete mit einem 1:8 bei Drochtersen/Assel II in das neue Spieljahr und musste diese demoralisierende Bürde aufgrund der vielen Spielausfälle gleich fünf Wochen mit sich rumschleppen. „So etwas erlebt man nicht so häufig“, erinnert sich Teamkapitän Niklas Kutz. Als sich an dieses 1:8-Debakel fünf weitere Spiele ohne Erfolgserlebnis anschlossen, wandelte sich die Stimmung. „Die Anspannung wächst dann natürlich, jeder wusste ja, dass wir irgendwann auch mal wieder punkten müssen“, sagt Kutz.
Dass das dann ausgerechnet Anfang April im Heimspiel gegen den Tabellenzweiten MTV Treubund Lüneburg gelang, gab zusätzlichen Schwung für die heiße Saisonphase. Auch die drei Punkte am Grünen Tisch nach der 5:0-Wertung pro Ritterhude und gegen Emmendorf wurden dankend auf der Habenseite verbucht. Und trotzdem dauerte die endgültige Rettung bis zum vorletzten Spieltag. Schuld daran waren auch die ganzen Nachholspiele der Konkurrenz: „Du willst eigentlich nur auf dich schauen, kannst das aber einfach nicht. Irgendwann fängst du an zu rechnen, gehst das Restprogramm der anderen Teams durch. Das war einfach alles extrem anstrengend“, sagt Julian Geils.
Mit dem 2:1-Auswärtssieg in Meckelfeld war es dann endgültig geschafft. Am Ende hätten die Ritterhuder nicht einmal die drei Punkte von Emmendorf benötigt. „Es war ein Jahr komplett am Limit, das enorm viele Körner gekostet hat“, bringt Geils die erste Landesligasaison der Ritterhuder auf den Punkt. Schon vor der Saison spürte der TuSG-Coach den inneren Zwiespalt: Ist das Team stark genug für die neue Liga? Sind die Spieler bereit für diese Herausforderung? „Für die allermeisten im Team war es schließlich die erste Saison im echten Leistungsfußball“, sagt Geils.
Bis auf Marco Grahl und Neuzugang Necati Uluisik, der den Verein nach nur einem halben Jahr bereits im Winter wieder Richtung Bremer SV verließ, hatte noch kein Akteur so hoch gespielt. „Es war ganz wichtig, dass die Jungs andere Dinge dem großen Ziel unterordnen“, so Geils. Das taten sie tatsächlich – und das war am Ende auch der Schlüssel zum Erfolg. Stellvertretend für diese vorbildliche Einstellung steht Marcel Meyer. Der Stürmer, der zwischenzeitlich in einem veritablen Formtief war, arbeitete sich mit der besten Trainingsbeteiligung des Teams wieder aus der Krise und hatte mit 15 Treffern maßgeblich Anteil am Klassenerhalt.
Aus diesem Grund wurde Meyer von Julian Geils auch zum Spieler des Jahres gekürt. Traditionell vergibt der TuSG-Coach nach der Spielzeit drei Auszeichnungen. Neuzugang des Jahres wurde Phil Knauth, zur Überraschung des Jahres schwang sich Torhüter Timm Korge auf, den vor der Saison keiner so recht auf dem Schirm gehabt hatte und der mittlerweile ein echter Rückhalt ist. Ähnliches könnte man von einem Nikolai Lehbrink, einem Niklas Tröger oder einem Dario Cordes sagen.
Und dennoch spürte Julian Geils, dass die Verunsicherung immer mal wieder durchschlug bei seinem jungen Team: „Eigentlich hatte jeder Spieler im Laufe der Saison eine schwache Phase, aber die Jungs wollten das einfach schaffen“, lobt Geils den Charakter seines Teams. Und das freut sich nun auf eine zweite Saison in der Landesliga: „Das Wort Genugtuung hört sich ja immer etwas blöd an, aber natürlich ist man extrem stolz auf das, was man geleistet hat“, sagt Niklas Kutz. Sein Trainer hingegen macht deutlich, wie hart die vergangenen zwölf Monate waren: „Selbst auf unserer Meisterehrung wurde uns praktisch schon die umgehende Rückkehr in die Bezirksliga prognostiziert. Zwei gegnerische Trainer hatten uns dann sogar ganz offen das Bodenteich-Schicksal vorhergesagt.“
Bodenteich war vor zwei Jahren nach einer extrem starken Hinrunde noch sang- und klanglos abgestiegen. Doch die TuSG schaffte es – während die beiden von Geils besagten Trainer mit ihren Teams abstiegen. Am Ende habe all das sein Team nur noch stärker, noch entschlossener gemacht, glaubt Geils. „Und das Gute ist ja: Es geht genau so weiter. Denn jetzt sagen alle schon: Das zweite Jahr ist ja viel schwerer, nächste Saison habt ihr wirklich keine Chance mehr.“ Am Jahnsportplatz werden sie solche Prophezeiungen inzwischen deutlich entspannter zur Kenntnis nehmen, um dann neue Kraft daraus zu schöpfen. Denn: „Ich hasse nichts mehr als verlieren“, sagt Julian Geils. „Und ich glaube, meine Mannschaft lebt diese Einstellung mittlerweile auch.“
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Die Einsatzbilanz: Niklas Kutz (29/4), Merten Hellmann (28/3), Marcel Meyer (28/15), Marco Grahl (28/5), Calvin Vrampe (25/0), Janlucva Grove (25/0), Andre Grundmann (24/1), Timm Korge (23/0), Tobias Jahn (22/0), Tobias Böttcher (21/5), Niklas Tröger (20/0), Denis Mukolla (19/0), Nikolai Lehbrink (17/2), Dario Cordes (16/0), Maik Tiganj (14/3), Phil Knauth (13/1), Pascal Kranz (12/1), Fabian Middelsdorf (10/0), Lennart Zöller (6/0), Nils Ringe (6/0), Mirko Gatz (4/0), Nick Rode (2/0), Iwen Boje (2/0), Mario Brinkmann (2/0), Dustin Joswig (1/0)