Die Stadt Delmenhorst hat am Dienstagmorgen das Wasser für zwei Wohnblöcke im Wollepark abgestellt. Grund sind ausstehende Gas- und Wasserrechnungen, die die Vermieter nicht bezahlt haben.
Mehrere Anwohner stehen um das Standrohr herum, von dem sechs Zapfsäulen abgehen, aus denen das Wasser fließt. Der Hydrant ist am Ende der Straße Am Wollepark aufgestellt worden, nachdem die Stadt ernst gemacht hat und am frühen Dienstagmorgen die Wasserverbindung zu den Blöcken 11 und 12 gekappt hat. Wie berichtet, reagiert die Stadtwerkegruppe damit auf ausstehende Zahlungen der Eigentümerverwaltungsgesellschaft, die sich mittlerweile auf rund 185 000 Euro belaufen.
So richtig fassen können es viele der Bewohner offenbar noch nicht so recht. „Ich wohne im fünften Stock“, beschwert sich eine Frau über die Zumutung. „Ich bezahle doch für die Wohnung, und der Vermieter ist irgendwo in Berlin, den interessiert das alles nicht.“
So geht es auch Renata Glowaka, die im Haus 11 wohnt. Für sie fühlt sich der Wasserstopp an wie eine Bestrafung. „Ich weiß nicht, was ich getan haben soll“, klagt sie. Die Miete wurde von ihrer Seite aus regulär bezahlt. „Aber der Vermieter behält das ganze Geld für sich. Ich habe bei ihm angerufen und gesagt, dass ich meine Kaution zurück will. Aber er sagt, das ist nicht sein Problem.“ Die 58-Jährige ist langsam am Verzweifeln. Sie wohnt in der dritten Etage des Gebäudes, der Weg bis nach unten zum Wasserhahn ist für sie eine Tortur. „Ich bin krank, ich habe Probleme mit dem Herzen und Osteoporose. Ich kann das Wasser nicht 300 Meter und dann in den dritten Stock hoch schleppen“, sagt sie.

Anwohnerin Renata Golwaka hat mehrere große Töpfe voll mit Wasser in ihrer Wohnung und auf dem Balkon stehen, die sie vorsorglich abgefüllt hat, als die Leitungen noch nicht gekappt waren.
Weil die Stadtwerkegruppe bereits im Vorfeld per Aushang in mehreren Sprachen die Bewohner von dem Vorhaben informiert hatte, hat sich Glowaka darauf vorbereitet. Die ganze Wanne in dem kleinen Badezimmer ihrer Wohnung hat sie volllaufen lassen, außerdem hat sie alle großen Töpfe befüllt, die sie zur Verfügung hatte. Sie stehen jetzt in der Küche und auf dem Balkon, eben dort, wo Platz ist. „Das Wasser ist zum Kochen, das in der Wanne für die Toilette und zum Waschen“, erklärt sie. Ein paar Tage dürfte sie damit sicherlich über die Runden kommen. Danach muss sie wohl auch runter zum Zapfhahn, um sich Wasser zu besorgen. Und Wäsche waschen geht in der derzeitigen Situation ebenfalls nicht.
Angst vor dem Jugendgericht
Sorgen macht sich die 58-Jährige aber vor allem um ihre Pflegetochter. „Sie ist 13 Jahre alt und muss zur Schule. Und das Gericht droht, sie mir wegzunehmen. Die sehen nur eine Wohnung ohne Wasser und ohne Heizung“, sagt Glowaka, die ihre Tochter deswegen vorübergehend zu ihren Großeltern nach Polen geschickt hat, wo sie das Schuljahr beenden soll. „Ich hoffe, dass sie nach den großen Ferien wieder zurückkommen kann“, erzählt die Polin.
Insgesamt sind von dem Wasserstopp mindestens 350 Bewohner betroffen, die offiziell in den 80 Wohnungen der beiden Blöcke gemeldet sind. Inoffiziell leben dort aber noch deutlich mehr Menschen. Wie lange die Bewohner ohne Wasser ausharren müssen, ist nicht klar. „Bis auf weiteres“ hieß es dazu von Seiten der Stadtverwaltung.
Für Menschen mit besonderem Hilfebedarf, etwa Familien mit Säuglingen oder Menschen mit Behinderungen, stellt die Stadt vorübergehend Notunterkünfte zur Verfügung. Außerdem will die Ordnungsbehörde ein Auge auf die weitere Entwicklung haben und im Notfall die Bewohner umquartieren. Die Verwaltung geht jedenfalls davon aus, dass es bereits wenige Tage nach dem Wasserstopp in den Wohnungen zu teils unhaltbaren Zuständen kommen könnte.
Flüchtlingsunterkünfte als Ausweichquartiere
Sobald die Gesundheit der Bewohner gefährdet ist oder Ordnung und Sicherheit nicht mehr aufrecht erhalten werden können, will die Stadt, so hat sie es angekündigt, eingreifen. Derzeit nicht genutzte Flüchtlingsunterkünfte stehen zur Unterbringung zur Verfügung. Und auch die Polizei ist darauf vorbereitet, die Situation im Auge zu behalten.
In zwei Wochen, so jedenfalls plant es die Stadtwerkegruppe, soll dann auch das Gas in den beiden Wohnhäusern abgestellt werden. Jedenfalls, wenn sich in Geldsachen bis dahin noch nichts getan hat. Damit will die Stadtverwaltung gegen die Vermieter vorgehen, die ihren Verpflichtungen nicht nachkommen und die Nebenkosten nicht bezahlen. Und sie will damit ein Zeichen gegen die Verwahrlosung des Quartiers setzen.