Wegen des unbefugten Führens eines akademischen Titels hat das Amtsgericht Delmenhorst am Mittwoch einen Chefarzt des Delme-Klinikums in Delmenhorst (DKD) schuldig gesprochen. Der Angeklagte muss eine Geldstrafe in Höhe von 100 Tagessätzen a 770 Euro, sprich 77.000 Euro, zahlen. "Es geht nicht um seine Fähigkeiten. Er ist bestimmt ein hervorragender Arzt", erklärte der zuständige Richter Christoph Kellermann in seiner Urteilsbegründung. Nach Einsicht aller Beweise und der Anhörung mehrer Zeugen stand für ihn jedoch klar fest, dass sich der Mediziner nicht Professor nennen darf: "Ich sehe einen eindeutigen Titelmissbrauch."
Konkret geht es um einen Titel als Gastprofessor, den der Arzt des Delmenhorster Klinikums 2009 von der Universität im chinesischen Wuhan verliehen bekommen hat. Auf einer entsprechenden Ernennungsurkunde ist unter der chinesischen Bezeichnung in lateinischer Schrift "visiting professor" zu lesen. Genau diesen Titel hätte der Angeklagte in Verbindung mit der ausstellenden Universität nutzen dürfen, merkte der Staatsanwalt Mathias Hirschmann in seinem Plädoyer an. Als Klammerzusatz hätte er die deutsche Übersetzung 'Gastprofessor' schreiben dürfen: "Aber keinesfalls Professor." Der Titel "Professor" sei der höchste akademische Grad in Deutschland. "Das hat eine extrem wichtige Bedeutung – gerade in der Außenwirkung", sagte der Staatsanwalt. Hirschmann räumte ein, dass die Originaltitelnennung eine "extrem lange Schreibweise" sei: "Aber das berechtigt nicht dazu, diese mit Professor abzukürzen."
Bereits das zweite Verfahren
In seinem Plädoyer brachte der Staatsanwalt auch seine Fassungslosigkeit über den gesamten Verfahrenshergang zum Ausdruck. Er sprach gar von einer "Dreistigkeit, die der Angeklagte an den Tag legt". Denn es sei bereits das zweite Verfahren, dass er gegen den Mediziner in eben jener Sache führe. Im August 2024 hatte Hirschmann das Verfahren gegen den Chefarzt des DKD eingestellt. Er hielt ihm damals zugute, dass es in Deutschland für die Vergabe von akademischen Titeln aus dem Ausland kein Anerkennungsverfahren mehr gibt. "Das ist misslich, weil der Inhaber selbst in der Verantwortung ist, zu bewerten, wie mit dem Titel zu verfahren ist", erklärte der Staatsanwalt. Er trage damit das Risiko, die Lage falsch einzuschätzen und sich dadurch strafbar zu machen. Unter der Bedingung, dass der Angeklagte dafür sorgt, die Beschilderungen im Klinikum und alles, was damit zusammenhängt, wie Briefbögen und Stempel, entsprechend zu ändern, stellte er das Verfahren ein.
Doch genau dies habe der Angeklagte nicht gemacht. Zwar habe er eine Änderung veranlasst. Als Zusatz habe er seinem "Professor" die hochgestellte eins beigefügt, die eine ausführliche Erklärung beinhaltet. Doch das reiche laut Staatsanwalt nicht aus, weil der Zusammenhang nur mittelbar und nicht unmittelbar hergestellt wird. "Wo kommen wir denn hin, wenn jetzt jeder Dr. hoch 3xy schreibt? Wir brauchen Titelklarheit", forderte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer.
Bestätigt sieht sich der Staatsanwalt auch durch die zuständigen Behörden. An die Niedersächsische Ärztekammer hatte sich der Angeklagte selbst 2019 gewandt und bat um eine Einschätzung. Die Ärztekammer empfahl ihm, sich nicht einfach Professor zu nennen. Dies bestätigte eine Juristin der Kammer, die am Mittwoch auch als Zeugin geladen war. Vonseiten der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB) habe sie damals mitgeteilt bekommen, dass der besagte Titel des Angeklagten von der Universität in Wuhan "eine Amtsbezeichnung und kein akademischer Titel" ist.
Aufgrund der Empfehlung der Ärztekammer habe der Angeklagte jedoch nichts geändert. Auch nicht nach dem ersten Verfahren gegen ihn. Der Staatsanwalt nennt den Mediziner "beratungsresistent". Menschlich könne er nachvollziehen, dass er an dem Titel, den er seit 2009 trägt, hängt. "Das kränkt die Ehre. Aber er muss nun den Absprung schaffen", sagte Hirschmann.
Angeklagte bestreitet Vorwurf
Vor Gericht war der Angeklagte nicht persönlich erschienen, er ließ sich von seinem Anwalt vertreten. Dieser verkündete im Namen seines Mandaten, dass er den Vorwurf des Titelmissbrauchs "ausdrücklich bestreitet". Der von der Universität Wuhan verliehene Titel "ist und war eine Auszeichnung seiner Verdienste, die nur selten an Ausländer verliehen wird", erklärte der Verteidiger. Mit diesem Titel habe auch die Stadt und das Klinikum kokettiert. Das Verhalten seines Mandanten sei "keine Strafbarkeit", allenfalls ein "Formverstoß". Der Verteidiger forderte deshalb einen Freispruch.
Diese Einschätzung teilte der Richter allerdings nicht. Vielmehr bescheinigte auch er dem Angeklagten eine gewisse "Dickfelligkeit". Grundsätzlich hielt er 90-Tagessätze für ein passendes Strafmaß. Dieses hatte der Staatsanwalt bei seinem Strafbefehl vom 29. November 2024 gefordert. Hätte sich der Angeklagte darauf eingelassen, wäre dies wie ein Geständnis zu werten – was laut Richter zu seinen Gunsten gesprochen hätte. "Doch das ist nicht der Fall." Kellermann entschied sich deshalb für 100-Tagessätze: "Das ist eine hohe Geldstrafe und wohl die höchste, die ich je verhängt habe."
Der Angeklagte kann gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen.