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Mehr Entlastung Arbeiterwohlfahrt fordert Energie-Sozialtarif

Die Arbeiterwohlfahrt im Bezirk Weser-Ems fordert weitere Entlastungen von Menschen mit keinem oder geringem Einkommen.
25.05.2022, 08:00 Uhr
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Arbeiterwohlfahrt fordert Energie-Sozialtarif
Von Gerwin Möller

Der Krieg in der Ukraine und die weiteren Folgen der Corona-Pandemie führen zu weitgehenden sozialen Belastungen. Bund, Länder und auch die Kommunen suchen nach finanzieller Entlastung der Bevölkerung, insbesondere durch den Krieg sind die Kosten für Energie und Lebensmittel in die Höhe geschossen. Die Arbeiterwohlfahrt erinnert jetzt an Betroffene der Krise, die von den bisher beschlossenen Maßnahmen wenig bis gar nicht profitieren.

Harald Groth: Ja, bestimmte Bevölkerungsschichten, zum Beispiel diejenigen, die Transfereinkommen beziehen, Menschen mit Grundsicherung und diejenigen, die Leistungen vom Job-Center beziehen, die wurden vergessen. Und auch Kinder. Aber das muss man gesondert erklären.

Für Kinder soll doch ein Kinderbonus gezahlt werden?

Das allein reicht aber nicht aus. Kinder sind schon in den Regelsätzen der Haushaltsvorstände mit bedacht, und zwar unter dem Existenzminimum. So entstand das Bildungs- und Teilhabepaket, für die Inanspruchnahme muss ein gesonderter Antrag gestellt werden. Vielfach wurden solche Anträge nicht gestellt, auch in der Pandemiezeit. Ich werbe dafür, dass endlich die Regelsätze der Kinder bedarfsgerecht ausgestattet werden und dieses verschiedene Splitting beendet wird.

Sie setzen sich auch für eine vorzeitige Anpassung der Regelsätze ein?

Die Methode der Feststellung der Regelsätze, das merken wir gerade, ist in gewisser Weise aus der Zeit gefallen. Zur Ermittlung der Steigerungsraten werden statistische Daten herangezogen, die teilweise zwölf bis 18 Monate zurückliegen. Das hatte zur Folge, dass in diesem Jahr die Regelsätze der Grundsicherung um 0,76 Prozent angehoben wurden. Verschärfend kam hinzu, dass damals die Mehrwertsteuer vorübergehend zu einer Preissenkung geführt hatte. Und das in einer Zeit, in der die Preissteigerung 20 bis 30 Prozent beträgt.

Die immense Steigerung der Energiekosten kommt noch hinzu.

Ja, das kann der Staat regeln, dies kann, da viele Energieversorger in der Hand von Kommunen sind, auch das Unternehmen mit Sozialtarifen regeln. Dafür müssten natürlich zuvor die Kommunen als Eigentümer erklären, dass sie auf ihre Ausschüttungen und Renditen verzichten.

Preissteigerungen gibt es auch am Wohnungsmarkt, bezahlbarer Wohnraum wird knapp.

Die aktuelle Lage, mit Baukostensteigerungen und Lieferengpässen, fördert nicht das Bauen günstiger Wohnungen. Im Gegenteil, die Situation verleitet zum renditeorientierten Bauen. Um bezahlbaren Wohnraum zu fördern, muss man heute mehr im Bestand machen. Städte machen das bereits, dort werden Bindungs- und Belegungsrechte, die auslaufen, verlängert. Dadurch könnte man auch klimafreundliche Innovationen fördern.

Das geht auch in Delmenhorst?

Man muss an die Gesellschaften herangehen. Man weiß ja vor Ort, wo gegenwärtig Bindungen auslaufen, in Delmenhorst sind das allerdings wohl nur noch 500. Kommunen können sich auch einmischen, wenn ganze Gebinde von Wohnanlagen verkauft werden. Dafür muss man sich als Stadt aber auch interessieren. Solche Gebinde sind vergleichsweise auch günstiger, als wenn einzelne Wohnungen neu gekauft werden. So etwas muss aufgespürt werden, beispielsweise sollte einmal im Neuen Deichhorst geschaut werden. Dort heißt es, würde der Hausverwalter gerade versuchen, rund 150 Wohnungen frei zu halten. Und das macht man nur, so sagen Wohnungswirtschafter, wenn man ein Objekt verkaufen will. Weil das preissteigernd wirkt. Da sollte die Stadt Delmenhorst sich interessiert zeigen und nach einer Veräußerungsabsicht fragen. Die Kommunen brauchen eine aktive Wohnraumpolitik. Und wenn die Wohnungsbaugesellschaften wegen der gestiegenen Baupreise momentan nicht bauen, haben sie ja wenigstens Eigenkapital gebildet, das sie auch auf diese Weise einsetzen könnten. Auch bei der Formulierung von Bebauungsplänen kann eine Kommune schon eine Anzahl geförderter oder wenigstens günstiger Wohnungen vorschreiben. Das muss aber schon in der Satzung geregelt sein. Wenn da erst ein Eigentümer ist, der renditeorientierten Wohnungsbau plant, dann ist es zu spät, dann kann ich dem nur noch nachlaufen. Dort, wo die Stadt Grundeigentümer ist, muss sie auch von den hohen Kaufpreisen runterkommen und vielleicht mehr Gebrauch vom Erbpachtrecht machen. Es geht also nicht allein darum, dass Menschen jetzt pauschal 500 Euro ausgezahlt bekommen, es muss darum gehen, strukturell etwas zu verändern, das ist unsere Position bei der Arbeiterwohlfahrt.

Zur Person

Harald Groth (79) ist Vorsitzender des Präsidiums des Bezirksverbandes Weser-Ems der Arbeiterwohlfahrt. 1972 wurde er erstmals Ratsherr, der Delmenhorster gehörte von 1986 bis 2003 dem Niedersächsischen Landtag an.

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