Es ist ungefähr 25 Jahre her, aber Jörg Schuda kann sich wie heute daran erinnern: Im Familienurlaub in der Schweiz hatten er und seine Frau sich in einer kleinen Fleischerei richtig gutes Gehacktes gegönnt. Knapp eineinhalb Kilo für umgerechnet 45 Deutsche Mark. Daraus wurden gegrillte Frikadellen. Und während Schuda mit strahlendem Gesicht davon erzählt, kann er sie wieder riechen und schmecken, kann er das Geschmackserlebnis von früher noch einmal erleben. Wenn es um seine Vorstellung von Genuss geht, ist dies sein Schlüsselerlebnis.
Solche Erlebnisse, solch einen Genuss möchte Schuda an seine Kunden weitergeben. Er, der Inhaber der Delmenhorster Firma Heimfrost, wünscht sich, dass wieder mehr Menschen hochwertiges, leckeres Essen zu schätzen wissen und es sich gönnen. Das ist sein Ziel. Seine Philosophie: Hochwertige, naturbelassene Lebensmittel. Damit will der Heimdienst der Supermarkt- und Discounterware, die mit verschiedensten Zusatzstoffen versehen ist, etwas entgegensetzen. Doch das hat seinen Preis, und das ist auch das Dilemma.
Als in den 1960er-Jahren die Tiefkühlware aufkam, wurden auch die ersten Heimdienste gegründet. Die Hausfrau musste nicht mehr zum Tante-Emma-Laden gehen und einen in Zeitungspapier oder Alufolie eingewickelten Riegel Eiscreme schnellstens nach Hause in die moderne Tiefkühltruhe befördern. Der Heimdienst kam nun zu ihr nach Hause und brachte weitaus mehr als Eiscreme. Was die Delmenhorster Familie Schumacher mit der Eiscreme Botterbloom begann, mündete 1978 mit der Gründung des Heimdienstes Heimfrost in ein gefrorenes Vollsortiment.
„Wir sind im Grunde ein Butler – wir bringen den Menschen, was sie haben möchten“, sagt Jörg Schuda. „Und zwar alles erntefrisch, möglichst aus der Region und schockgefroren – also nur durch Kälte konserviert“, ergänzt er. Der aktuelle Trend, sich lokal und ganz natürlich zu ernähren, ist bei Heimfrost somit ein alter Hut. „Natürlich ist das Ganze energetisch so eine Sache“, räumt Schuda selbstkritisch ein und fügt hinzu: „Aber wir konnten die Temperatur im Lagerhaus von -24 Grad Celsius auf um die -20 Grad steigern. So sparen wir eine Menge Kohlendioxid.“
Knapp 150 Mitarbeiter sind am Standort Delmenhorst und in den zwölf Niederlassungen in Deutschland beschäftigt. Die Heimfrost-Wagen sind deutschlandweit unterwegs – wenngleich nicht flächendeckend. Doch wen beliefern die Fahrer eigentlich?
Am Anfang war die Sache klar: Zielgruppe waren die klassischen Hausfrauen, die im Voraus die Mahlzeiten planten und entsprechend ihre Vorräte bestellten. Das änderte sich in den 1980er- und 1990er-Jahren, als die Ära der Discounter mit ihren niedrigen Preisen begann. Entsprechend günstig war dort auch Tiefkühlware zu haben. „Den Menschen wurde immer wichtiger, günstig einzukaufen“, sagt Schuda und ergänzt: „Das ist bis heute so. Billig soll es sein. Über Qualität machen sich die meisten Menschen kaum Gedanken.“
Er will von der Heimfrost-Philosophie aber nicht abweichen. Und so muss er mit einem "stabilen, aber leicht rückläufigen" Kundenstamm leben. „Unsere Kunden sind im Grunde die alten geblieben. Die jungen Menschen, die wir dazu gewinnen, kommen über ihre Eltern zu uns“, erzählt Schuda.
Trotzdem möchte Schuda künftig auch noch näher an die jungen Menschen ran. Denn die Entwicklung auf dem Lebensmittelmarkt bereitet ihm mehr als Bauchschmerzen. Im Handel werde die Nachfrage nach billigen Lebensmitteln immer größer, die Industrie müsse immer weiter expandieren, um mithalten zu können. Produzenten seien gezwungen, zu fusionieren und mit bald undenkbar großen Produktionsstraßen zu arbeiten. Eine zusehends schwindende Vielfalt und Qualität seien die Resultate, wie Schuda erklärt. Eiscreme sei so ein Beispiel. Für Schuda gehören da Milch und Sahne, kein Pflanzenfett rein. Da ist er konservativ.
Konservativ muss aber nicht langweilig heißen. Jörg Schuda isst alles, wie er sagt, und ist interessiert an Neuem: „Wenn ich in anderen Ländern unterwegs bin, möchte ich wissen, was dort das Besondere ist, und probiere alles“ – auch Dinge wie Schnecken oder Froschschenkel. „Ich esse für mein Leben gern. Aber nicht nur das – ich möchte den Genuss regelrecht erleben“, sagt er und ergänzt: „Deshalb mag ich so gern wertige Lebensmittel.“