Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Teuerung Kneipenkultur unter Preisdruck

Neben den Preissteigerungen bei Energie und Personal wird jetzt auch noch das Bier teurer. Die Gastronomen haben derzeit an mehreren Fronten zu kämpfen. Das erhöht auch die Preise auf den Speisekarten.
01.09.2022, 18:35 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Kneipenkultur unter Preisdruck
Von Tobias Hensel

Der belgisch-brasilianisch-amerikanische Braukonzern AB Inbev, dem auch die Bremer Brauerei Beck & Co mit ihren Marken Beck's und Haake-Beck gehört, erhöht ihre Preise. 20 Euro pro Hektoliter müssen Gastronomen seit Monatsbeginn mehr zahlen. Becks begründet die Preiserhöhung mit steigenden Energiekosten. Denn das Brauereiwesen sei nach der chemischen Industrie die Branche mit dem zweithöchsten Energiebedarf überhaupt in Deutschland, so der Deutsche Brauer-Bund. Und Gas ließe sich im Brauprozess nicht durch andere Energieträger ersetzen. Deshalb nun die Preiserhöhung.

Die Delmenhorster Gastronomie lässt das mittlerweile einigermaßen unbeeindruckt zurück, denn nicht bloß das Bier wird teurer, sondern auch alles andere: "Beim Frittenfett gibt es teilweise Preisaufschläge von 100 Prozent", sagt Jens Thomsen, Hotelier und Gastronom an der Bremer Straße. Zudem müssten auch die eigenen Lokale beheizt werden, die steigenden Energiekosten würden die Gastronomen also gleich mehrfach treffen. Und das Personal, das seit Beginn der Corona-Pandemie vor zweieinhalb Jahren und nach mehreren Lockdowns rar geworden ist, muss durch die schrittweise Erhöhung des Mindestlohns ebenfalls teurer bezahlt werden. Der Mindestlohn war zum 1. Juli auf 10,45 Euro je Stunde angehoben worden und wird zum 1. Oktober auf dann zwölf Euro erhöht werden.

Gewinnmarge senken, um Gäste zu halten

Diese mehrfache Teuerung könne man an die Gäste aber nur bedingt weiterreichen. Also schrumpft die Marge, die Gastronomen verdienen nicht mehr so viel Geld wie zuvor. Fehmi Mesut, der seit mehr als 30 Jahren das City Bistro Café in der Bahnhofstraße betreibt und dort zumeist als Funny bekannt ist, hat diese Woche erstmals seit längerer Zeit seine Preise erhöht: "Ich muss die steigenden Kosten an unsere Gäste weiterreichen, die Preise sind im Schnitt um zehn Prozent angezogen", sagt der Wirt. Ein kleines Bier koste bei ihm statt 3,20 Euro nun 3,60 Euro. Doch ewig könne die Preissteigerung nicht weitergehen, meint Thomsen: "Dann trinkt irgendwann ja niemand mehr bei mir Bier."

Zudem käme hinzu, dass Brauereien langfristige Lieferverträge mit der Gastronomie geschlossen hätten. Eigentlich ein kluger Zug, denn die Brauereien haben dadurch die Gewissheit, langfristig ihre Abnahme zu planen und die Gastronomie bekommt dafür von den Brauereien Ausstattung für ihre Lokale gestellt, also Gläser, Tabletts, Bierdeckel und Ähnliches. Thomsen ärgert dieser Tage aber, dass die Brauereien diesen Handel nun nutzen würden, um der Gastronomie ihre Preissteigerungen zu begründen.

Eine Alternative zu den womöglich zwingenden Preiserhöhungen ist zweierlei: Klug einkaufen oder die Karte umbauen. Tarik Cirdi, Wirt im Riva am Bahnhof, nimmt nun vermehrt vegetarische Gerichte auf die Karte. Einerseits, weil der Fleischkonsum ohnehin rückläufig sei, andererseits, weil Fleisch derzeit eben auch teurer wird und Preise aufruft, die nicht mehr an die Gäste weitergereicht werden könnten.

Ungebundener Einkauf kann Preise stabil halten

Tatjana Sprenger hat kürzlich das Cramer's an der namensgebenden Cramerstraße neu und gleichzeitig wiedereröffnet. Sie will an die alte Kneipenkultur anknüpfen, die vor ein paar Jahren auch noch das Delmenhorster Stadtleben ausgezeichnet hat. Sprenger hatte den Vorteil, dass sie nicht durch Verträge an bestimmte Brauereien gebunden ist und Preissteigerungen nötigenfalls durch einen Wechsel der Lieferanten umgehen kann. "Ich kann nach Sonderangeboten schauen, damit kann ich Preissteigerungen bei einzelnen Sortimenten ausgleichen", sagt Sprenger.

Die gebürtige Delmenhorsterin kommt aus einer Kneipiersfamilie, das Cramer's ist allerdings ihr erstes eigenes Lokal. Ein möglicherweise mutiger Schritt in ungewissen Zeiten. Aber: "Nach den Corona-Jahren müssen wir ja irgendwann wieder anfangen zu leben und vielleicht ist jetzt der richtige Zeitpunkt dafür", sagt Sprenger. Dafür hatte sie das bis zum Jahr 2016 von Wirt Uwe Klatte betriebene Lokal in den vergangenen zwei Monaten renoviert und die Toiletten saniert. Der Charme einer kleinen Kneipe mit Tresen und Stehtischen sollte dabei unbedingt erhalten bleiben: "Ich habe mich in den Tresen auf Anhieb verliebt."

An der Cramerstraße herrscht jetzt, anknüpfend an alte Zeiten, bereits ab 10 Uhr Betrieb. "Das war früher schon so und deshalb gibt es bei uns auch eine gute Kaffeemaschine und entsprechend guten Kaffee", sagt Sprenger.

Zur Sache

Britische Pubs in Existenznot

Die gestiegenen Preise für Gas und Strom bringen die ohnehin durch die Pandemie gebeutelten Pubs in Großbritannien in existenzielle Nöte. Wie aus einem offenen Brief der British Beer and Pub Association von Dienstag hervorgeht, haben die Kneipen teilweise mit einer Vervierfachung ihrer Energiekosten im Vergleich zurzeit vor der Pandemie zu kämpfen.

Der Verband fordert daher schnelle Hilfe von der Regierung. „Ohne eine rasche und substanzielle Intervention der Regierung werden eine riesige Zahl an Pubs ihre Türen für immer schließen müssen“, hieß es in dem Schreiben, das auch die Geschäftsführer mehrerer großer Pub-Ketten und Brauereien unterzeichneten.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)