Ein sogenannter Freigänger der Justizvollzugsanstalt (JVA) Vechta hat sich in Delmenhorst mit dem Coronavirus infiziert. In ganz Niedersachsen ist es die erste bestätigte Infektion eines Häftlings. In der JVA-Abteilung in Delmenhorst leben zwölf Menschen, die während ihrer Haftstrafe wieder in einem Beschäftigungsverhältnis arbeiten. Nach Angaben des Niedersächsischen Justizministeriums informierte der Arbeitgeber die JVA am Freitag, 8. Mai, über einen bestätigten Corona-Fall bei einem Kollegen. Daraufhin wurde auch der Inhaftierte getestet und isoliert.
Am Dienstag erhielt die Abteilung dann von einem Labor die Information, dass sich der Häftling mit dem Virus infiziert hat. Das Gesundheitsamt ordnete daraufhin eine Quarantäne an, welche die Mitarbeiter zu Hause einhalten. Unter Beachtung von Hygienemaßnahmen arbeiten in Delmenhorst deshalb Kollegen aus Vechta. Die Corona-Tests für die acht Mitarbeiter waren allesamt negativ. Bei den übrigen Inhaftierten liegen ebenfalls sieben negative Ergebnisse vor, in vier Fällen steht die Meldung des Labors noch aus.
Niedersachsen hat im Zuge des Infektionsschutzes viele neue Regeln für die Arbeit im geschlossenen Vollzug aufgestellt. Für 88 Kleinkriminelle mit einer Haftstrafe von weniger als zwölf Monaten hatte das Ministerium etwa den Gang in das Gefängnis verschoben. Die Entlastung soll mehr Kapazitäten schaffen.
Der offene Vollzug ging aber auch in Delmenhorst weiter. Laut Christian Lauenstein, Sprecher des Justizministeriums, hat es durchaus Überlegungen gegeben, auch diesen einzuschränken. „Das Nachgehen einer Erwerbstätigkeit ist aber ein wesentlicher Bestandteil der Resozialisation“, erklärte Lauenstein gegenüber dem DELMENHORSTER KURIER. In der Abwägung habe man sich deshalb dagegen entschieden, diesen Freigang auszusetzen. Mit der geringeren Anzahl der Häftlinge sei die Situation im offenen Vollzug eine andere. „Damit kann man gut umgehen“, sagte Lauenstein.
In Delmenhorst sieht Lauenstein kein Fehlverhalten der JVA-Mitarbeiter. „Es hat alles funktioniert. Die Meldewege wurden eingehalten, die Isolation wurde gut umgesetzt.“ Trotzdem werde das Ministerium den Fall noch einmal genauer begutachten. Einen Anlass, den offenen Vollzug in ganz Niedersachsen nun auszusetzen, sieht der Sprecher nicht. „Das Risiko ist nicht im Vollzug entstanden, sondern außerhalb. Das sollte man nicht den Gefangenen anlasten“, stellte Lauenstein klar.