"Ja, Schönheit geht der Freiheit voran", schrieb der Dichter Friedrich Schiller in einem seiner Briefe "über die ästhetische Erziehung des Menschen". Und der im Jahr 1956 in Stuttgart geborene und heute in Berlin lebende Künstler Thomas Kilpper hat daraus ein Triptychon erarbeitet, das in der Artothek der Städtischen Galerie Haus Coburg ausgeliehen werden kann.
Kilpper, der auch an der Kunstschule im norwegischen Bergen unterrichtet, lässt in seinem dreiteiligen Druckwerk den Geheimnisenthüller Edward Snowden Schiller fragen: "Hi Mr. Schiller, can art unify society?" und lässt dabei noch eine ganze Reihe weiterer prominenter Persönlichkeiten auf der gedruckten Bühne hervortreten. Ein im ersten Moment vielleicht abwegiger Gedanke, den ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter Snowden, der später die Seiten wechselte und Geheimnisverrat betrieb, um den sogenannten NSA-Skandal aufzudecken – Spionage und Abhörmaßnahmen im ganz großen Stil durch bis dahin unbekannte Abteilungen der Nationalen Sicherheitsbehörde der Vereinigten Staaten von Amerika – mit Kunst in Verbindung zu bringen. Doch Snowdens Ansatz, der zu internationalen Verwerfungen geführt hatte, war ein aufklärerischer.
Die im Mai 2010 verstorbene Künstlerin Louise Bourgeois blickt von der Seite ins Geschehen. Auch sie hatte Ideen der Aufklärung in ihrer Kunst verarbeitet. Doch es sollte Jahrzehnte dauern, bis der Kunstbetrieb Bourgeois' Kunst anerkannte und es zu ersten Ausstellungen kam. Ähnlich erging es auch der im November 1991 verstorbenen Künstlerin Charlotte Moorman, die zunächst für ihre Kunstperformances angefeindet wurde, später aber zum Weltstar avancierte. Insbesondere Auftritte mit einem Cello und die Zusammenarbeit mit Künstlern wie Joseph Beuys oder den Komponisten John Cage und Nam June Paik brachten ihr Ruhm und durchaus positive Besprechungen.
Snowden flüchtete sich nach Bekanntwerden seiner Enthüllungen im Sommer 2013 nach Russland, denn keines der westlichen Länder wollte in Hinblick auf die eigenen diplomatischen Beziehungen zu den USA Snowden eine Heimat gewähren. Zwei Jahre später empfahl das Europäische Parlament in einer Resolution, sämtliche Vorwürfe gegen Snowden fallenzulassen und ihm als Menschenrechtler Schutz zu gewähren. Es kam anders: Im Herbst vergangenen Jahres bekam Snowden die russische Staatsbürgerschaft verliehen.
Zeitliche Brisanz
Kilppers Triptychon datiert auf das Jahr 2014 und wurde exklusiv für den Hamburger Kunstverein Griffelkunst angefertigt. Es nahm damals die Resolution des Europäischen Parlaments vorweg und griff direkt in die damals herrschende Debatte ein. Es ist, sagt Galerieleiterin Matilda Felix, das erste Werk Kilppers, das in seinem Atelier und nicht an anderen Orten entstanden sei. Denn Kilpper ist dadurch bekannt geworden, dass er seine Holzschnitte direkt in den Böden geschichtsträchtiger Orte gefertigt hat. Diese Druckplatten zum Drüberlaufen fungierten in verschiedenen Ausstellungen dann tatsächlich so, dass Papierbahnen ausgelegt waren und die Besucher der Ausstellungen am Ende ein Stück dieses dann original gewordenen Kunstwerks mit nach Hause nehmen konnten, so Felix.
Im Jahr 1998 hatte Kilpper eine englisch "Don't look back" genannte Installation mit Holzschnitt und Drucken im ehemaligen Camp King der US-Armee in Oberursel angefertigt und ausgestellt. Kilpper hatte dort das 300 Quadratmeter große Holzparkett der ehemaligen Basketballhalle mit zeitkritischen Motiven bearbeitete und anschließend Abdrucke genommen. Das Gebäude diente dem US-Geheimdienst nach 1945 zu Verhören gefangener Nationalsozialisten. Vorher war in dem Gebäudekomplex das zentrale Gefangenenlager der NS-Luftwaffe untergebracht, wo auch abgeschossene alliierte Piloten verhört wurden. Bis 1993 war noch immer die US-amerikanische Luftwaffe dort aktiv, hatte das Areal dann aber aufgegeben. 1998 fiel es in den Besitz der Bundesrepublik, wurde weitgehend abgerissen und zu einem Wohngebiet umgebaut. Kilpper wollte dort mit seiner Arbeit auch auf die Entstehungsgeschichte des Bundesnachrichtendienstes (BND) hinweisen. Reinhard Gehlen, hatte dort ab 1946 mit der "Organisation Gehlen" den Vorläufer des heutigen BND geschaffen, war aber vor der Befreiung Deutschlands im militärischen Geheimdienst der nationalsozialistischen Wehrmacht tätig.
Mit seinem Triptychon "Hi Mr. Schiller", will Kilpper auf den Zusammenhang zwischen Ästhetik und Emanzipation, Kunst und Freiheit hinweisen, wie in Schiller einst entwickelte. Gerade durch die Abbildungen von Moorman, Bourgeois, der Frauenrechtlerin Simone de Beauvoir und darin sehe ich Wurzeln universeller und emanzipativer Schritte zu Freiheit. Auf den drei Grafiken antwortet Schiller wieder auf Englisch: "Yes, Mr. Snowden, beauty paves the way to freedom" – "Schönheit ebnet den Weg zur Freiheit." Manchmal mag es helfen, sich dem zu erinnern.