Thies Libchen hatte es bereits im Vorfeld gesagt. "In diesem Spiel erwartet keiner etwas von uns", meinte der Trainer des Handball-Oberligisten HSG Delmenhorst vor der Partie gegen das Spitzenteam TV Cloppenburg. Zu ungleich waren die Voraussetzungen: Der Tabellenvorletzte empfing den Ersten, zudem plagen die Delmenhorster enorme Personalsorgen. Angesichts dessen war die Leistung, die das Libchen-Team in der Stadionhalle zeigte, speziell in der ersten Halbzeit richtig gut. Nach dem Seitenwechsel blieb das Duell jedoch nicht mehr ausgeglichen, sodass sich die Hausherren dem TVC letztlich doch deutlich mit 24:34 (13:15) geschlagen geben mussten.
Dass der Primus einen am Ende souveränen Auswärtssieg feiern durfte, hatte sich im ersten Durchgang wahrlich nicht abgezeichnet. Stattdessen schien es so, als ob eine faustdicke Überraschung im Bereich des Möglichen liegen könnte. Thies Libchen hatte gefordert, dass seine Schützlinge "die Stimmung hochhalten" und "alles reinwerfen" müssten, um die Cloppenburger so lange es geht zu ärgern – und genau das gelang den Delmenhorstern. "Wir hatten einen Plan, der 25 Minuten gut aufgegangen ist", betonte der HSG-Coach. Seine Mannschaft machte einen hoch motivierten Eindruck, trat furchtlos auf und überrumpelte den haushohen Favoriten zunächst förmlich. Vorne nutzten die Gastgeber ihre Chancen konsequent, in der Defensive waren sie griffig, Torhüter Bassam Farasha parierte zudem einige Male stark. Über 3:0 (3.) ging die HSG so mit 5:1 in Führung (8.).
HSG bestimmt erste 20 Minuten
Der Ex-Delmenhorster Janik Köhler, der seit dieser Saison die Cloppenburger trainiert, war merklich unzufrieden, tigerte an der Seitenlinie auf und ab und knallte in der achten Minute seine Timeout-Karte auf den Tisch. Für seine Mannen gab es erst mal eine ordentliche Ansage. Doch am Spielverlauf änderte sich in den folgenden Minuten nichts. Die Delmenhorster bestimmten das Geschehen und erzielten in Person von Jörn Janßen das 10:5 (16.). Erst nach 20 Minuten kamen die Gäste besser in die Partie und verkürzten auf 9:11 (22.). Thies Libchen nahm nun eine Auszeit, die zum genau richtigen Zeitpunkt kam. Jannik Dallügge markierte wenig später das 13:10 (24.). Doch in den Schlussminuten der ersten Hälfte wendete sich das Blatt. Die Delmestädter trafen plötzlich gar nichts mehr, während Cloppenburg einen Gang hochschaltete und die Partie mit einem Fünf-Tore-Lauf drehte. So brachte sich die HSG um den Lohn für eine beachtliche erste Hälfte.
Vor dem Beginn der zweiten Halbzeit stellte sich die Frage, ob der TVC an die Phase vor der Pause anknüpfen oder ob Delmenhorst wieder zurückkehren würde. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Anfangs blieb die HSG noch in Schlagdistanz (14:17/34.), aber dann brachten die Gäste ihre ganze Qualität auf die Platte. Sie traten jetzt abgebrüht auf, trafen eiskalt, konnten sich auf ihren Keeper verlassen und zogen so unaufhaltsam davon. Über 20:14 (39.) stellte das Köhler-Team auf 25:16 (44.). Als Tim Brauner kurz darauf wegen eines aus Schiedsrichter-Sicht zu harten Einsteigens die Rote Karte sah, brach den ohnehin dünn besetzten Delmenhorstern ein weiterer erfahrener Akteur weg. Die Cloppenburger ließen nichts mehr anbrennen und fuhren einen am Ende klaren Erfolg ein, der allerdings etwas zu hoch ausfiel.
Kellerduell steht an
Das sah auch Thies Libchen so. Da das Resultat jedoch keine Überraschung darstellte, war der Delmenhorster Trainer nach dem Spiel nicht geknickt. "Es ist okay. Man muss das einzuordnen wissen", sagte er und verwies auf die mangelnden Alternativen auf der Bank: "Uns haben die Wechselmöglichkeiten gefehlt." Unter anderem musste Libchen neben den vorher bekannten Ausfällen auch noch auf Leistungsträger Frederic Oetken verzichten. Es gelte nun, die Partie schnell abzuhaken.
Am kommenden Sonnabend steht für die HSG eine ganz wichtige Begegnung an. Sie gastiert zum Kellerduell beim Schlusslicht TSV Bremervörde. Der Gegner hat mit einem 37:34-Sieg gegen den TuS Rotenburg jüngst Selbstvertrauen gesammelt.