Jörg Rademacher war bedient. Allerdings nicht aufgrund der Vorstellung seiner Mannschaft, der HSG Delmenhorst. Es war die Leistung des Schiedsrichtergespanns, die dem Trainer der Delmestädter sehr sauer aufstieß. "Für mich sind viele Sachen krasse Fehlentscheidungen gewesen. In so einem wichtigen Spiel muss ich Schiedsrichter haben, die dem gewachsen sind. Für mich haben sie das Spiel gekippt", echauffierte sich Rademacher, dessen Team das Spitzenspiel der Handball-Oberliga gegen die HSG Nienburg mit 21:24 (11:10) verlor.
Eine endgültige Entscheidung ist damit zwar noch nicht gefallen, doch die Delmenhorster haben eigentlich keine realistische Chance mehr auf den Meistertitel. Die Tabellenführung haben sie durch die Niederlage an die Nienburger abgegeben, die nach 22 Spielen neun Minuspunkte auf dem Konto haben. Die Delmestädter stehen nun bei elf Minuspunkten und haben zudem eine Partie mehr absolviert. Mit dem TvdH Oldenburg und der SG VTB/Altjührden lauern zwei Konkurrenten hinter der HSG, die ebenfalls weniger Spiele ausgetragen haben und auch bei elf Minuspunkten stehen.
In der ausverkauften und stimmungsvollen Meerbachhalle erwischten die Delmenhorster einen Fehlstart und gerieten mit 0:3 in Rückstand (7.). In der Folge kamen sie etwas besser in die Partie und durch einen Siebenmeter des sicheren Schützen Mario Reiser auf 3:4 heran (13.), doch die Gastgeber nutzten einen Ballverlust der HSG und erhöhten per Tempogegenstoß wieder auf 6:3. Rademacher nahm nach einer knappen Viertelstunde eine Auszeit – der logische Schritt nach einer mäßigen Anfangsphase.
Delmenhorst führt zur Pause
Im weiteren Verlauf der ersten Hälfte war beiden Teams der Druck durchaus anzumerken, die Begegnung war relativ zerfahren. Dennoch bekamen die Gäste allmählich Oberwasser. Nachdem Dominik Ludwig mit einem Pfostentreffer die Möglichkeit zur erstmaligen Führung ausgelassen hatte, sorgte Sam Ramin doch noch dafür, dass die Rademacher-Sieben mit einem minimalen Vorsprung in die Pause ging (30.). "Die letzten zehn Minuten waren unsere Minuten. Da sind wir verdient in Führung gegangen und hätten auch schon höher führen können. Ich war nicht unzufrieden mit der ersten Halbzeit, da waren wir voll im Soll", befand der Delmenhorster Coach.
Was den Nienburgern in der Anfangsphase des Gipfeltreffens gelungen war, schafften die Gäste nach dem Seitenwechsel. Sie schienen sich richtig was vorgenommen zu haben und zogen schnell auf 15:11 davon (35.). "Wir kommen in meinen Augen super aus der Kabine", bemerkte Rademacher völlig zu Recht. Die Hausherren fanden jedoch die passende Antwort und verkürzten mit drei Treffern in Serie auf 14:15 (38.). Es begann die Phase, in der Nienburg nach und nach die Oberhand gewann – und die Rademacher mit Blick auf die Schiedsrichter nach dem Abpfiff dazu brachte, sich in Rage zu reden. "Es ist für mich unbegreiflich, was dann passiert ist", monierte der Trainer der Delmestädter. "Dass man dann nachher verunsichert ist, wenn man gar keinen Pfiff mehr kriegt und alles gegen einen gepfiffen wird, ist eine ganz normale Geschichte."

Nach dem Abpfiff waren die Delmenhorster, hier Dominik Ludwig und Mario Reiser (stehend), natürlich enttäuscht.
Gleichwohl blieb die Partie erst mal noch eng. Als Ludwig das 17:17 erzielte, war alles völlig offen (46.). Doch dann zog der neue Tabellenführer entscheidend davon. Mit fünf Toren binnen rund fünf Minuten stellte Nienburg auf 22:17 – die Vorentscheidung war gefallen. Die Delmenhorster waren bereits ins Risiko gegangen, agierten mit sieben Feldspielern, aber der gewünschte Effekt blieb aus. "Die letzten Minuten haben wir keinen Zugriff mehr gekriegt. Wir haben es noch probiert, aber es hat nicht funktioniert", sagte Rademacher, der trotz seiner massiven Schiedsrichter-Kritik fair anmerkte, dass Nienburg dann einfach cleverer agiert und verdient gewonnen habe.
"Wir haben hier wirklich versucht zu kämpfen. Es gab Phasen, in denen wir wirklich gut im Spiel gewesen sind", analysierte der HSG-Trainer, der im ersten Moment angesichts der Niederlage natürlich enttäuscht war. "Aber der Mannschaft kann ich keinen Vorwurf machen. In meinen Augen sind das heute Umstände gewesen, für die wir nicht mal was können. Für mich waren die Schiedsrichter heute ein ganz entscheidender Faktor. Dabei bleibe ich auch."