Nach Abpfiff wussten weder die Zuschauer noch die beiden Trainer, wie genau sie das 24:24 (11:8) zwischen der HSG Delmenhorst und der HSG Grüppenbühren/Bookholzberg in der Handball-Oberliga Nordsee einordnen sollten. Die Delmestädter waren als klarer Außenseiter ins Match gegangen, doch sie führten mit acht Treffern eine Viertelstunde vor Schluss. Am Ende schien die Landkreis-HSG das Match jedoch noch zu drehen, lag über die gesamten 60 Minuten jedoch nie vorne. In der Schlussminute hatten beide Mannschaften die Chance auf den 25. Treffer, schafften das jedoch nicht. "Ich weiß nicht, wie ich es einschätzen soll. In meinem Kopf dreht sich noch alles. Wir hatten es eigentlich. Es ist irgendwie schade, aber vor dem Spiel hätten wir das Remis genommen", sagte Delmenhorsts Coach Jonas Meißner. Sein Gegenüber Stefan Buß war ebenfalls zwiegespalten. "Was soll ich sagen? Ist das ein Punktgewinn oder Punktverlust? Am Ende können wir das Spiel noch gewinnen. An sich ist es zu wenig, aber Delmenhorst hat gut gespielt", meinte er.
Zum Spiel: Einigermaßen gemächlich ging es los im Derby. Den ersten Angriffen fehlte die Wucht, sodass es vier Minuten dauerte, bis Marcel Cuda den ersten Treffer des Tages zum 1:0 für die Hausherren erzielte. Sowohl Silas Schumacher als auch Moritz Schröder parierten in den Anfangsminuten jeweils einen Siebenmeter. Die Abwehrreihen standen gut, sodass vor allem Würfe aus schweren Winkeln und schlechten Positionen die Folge waren. Nach elf Minuten stand es so 2:2. Vor allem Luca Egan haderte: Der Delmenhorster Linksaußen scheiterte erst an Schröder und dann am Innenpfosten und zimmerte danach einen Siebenmeter an die Latte. So durfte nach 13 Minuten mit Lian Timmermann nach Egan und Till Eisenmenger bereits der dritte Schütze an die Linie. Der Teenager zeigte sich beeindruckend nervenstark und verwandelte im Spielverlauf alle vier Strafwürfe.
Landkreis-HSG spielt ohne Tempo
Die Landkreis-HSG wirkte in der Offensive unkonzentriert und verlor beim 4:5 gleich dreimal in Folge das Spielgerät, ohne einen Abschluss zustand gebracht zu haben. Doch auch die Delmenhorster leisteten sich technische Fehler, sodass die Partie weiterhin torarm blieb. Die Delmenhorster spielten ihre Angriffe lang aus und immer wieder war es Marcel Cuda, der für seine Farben netzte und sie so in Front hielt – 9:7 (25.). Die Gäste ließen sich von den Delmenhorstern entnerven und wurden sehr ungenau. Die Meißner-Mannen blieben auch bei angezeigtem Zeitspiel regelmäßig ruhig und trafen spät. Der Lohn für die disziplinierte Darbietung war eine durchaus verdiente 11:8-Führung zur Pause.
Die Gastgeber kamen stark aus den Kabinen: Cuda schloss zwei lange Angriffe erfolgreich ab, Timmermann blieb aus sieben Metern nervenstark. So legten die Delmenhorster ein 15:10 (36.) vor. Schumacher zeigte wie schon im ersten Durchgang mehrere starke Paraden. Die Gäste erwischten bis hierhin einen rabenschwarzen Tag. Offensiv trafen sie schlechte Entscheidungen und standen so nach 40 Minuten bei lediglich zehn eigenen Treffern. Stefan Buß zog nun die Auszeit, doch es folgte ein erneuter ungenauer Abschluss. Auf der Gegenseite erhöhten Cuda und Co. stetig die Führung auf 17:10. Thies Hermann sah nach einem Foul nun die Rote Karte, Timmermann traf den nächsten Strafwurf zum 18:10 (43.). Schumacher zeigte zwei weitere Paraden gegen Bennet Krix. Auf der Gegenseite bekam Schröder zwar ab und an eine Hand ans Leder, dieses ging in aller Regel aber dennoch rein.
Eine spannende Schlussphase
Die Gäste bäumten sich jedoch noch einmal auf: Da die Meißner-Sieben sich im Angriff zu ziele einfache Fehler leistete und eine schlechte Wurfauswahl traf, kam die Buß-Sieben zehn Minuten vor dem Ende auf 15:20 heran. Die Gäste stellten nun auf eine doppelte Manndeckung um. "Die Entscheidung war Gold wert, so sind wir ins Laufen gekommen, haben einfache Tore gemacht und Delmenhorst wusste nicht mehr, was es machen sollte", schilderte Buß.
Es wurde nun spannend in der Stadionhalle: Timmermann traf nur die Latte, Carsten Jüchter verkürzte im Gegenzug auf vier Tore, zudem musste Cuda zwei Minuten auf die Bank. Erneut war es Schumacher der parierte, doch die Heim-HSG verlor wieder das Leder und stand nun auch in der Deckung nicht mehr gut. Eine Frage der Kraft? Die Gäste brauchten für ihre Tore nun nur wenige Sekunden, die Gastgeber wirkten stehend k.o. So zog Meißner sein letztes Timeout bei 22:21 mit vier Minuten und 17 Sekunden auf der Uhr. "Gegen die doppelte Manndeckung ist es schwer Antworten zu finden", sagte er. Der HSG-Coach reagierte auf die fehlende Durchschlagskraft und nahm seinen Keeper im Angriff raus.
Ein Punkt für beide Teams
Das funktionierte durchaus, so trafen die Delmenhorster im Sieben-gegen-Sechs zweimal. Doch in der Abwehr waren sie nun deutlich unterlegen und bekamen keinerlei Zugriff mehr. Beim Stand von 24:24 bei weniger als einer Minute Spielzeit kamen die Gäste in Ballbesitz und hatten erstmals die Chance auf die Führung – doch Jüchter spielte einen Fehlpass. Die Delmenhorster hatten so noch einen Angriff, doch dieser missglückte ebenfalls und die Partie endete unentschieden. "Wir decken 3-2-1 über 60 Minuten. Die Jungs reißen sich den Arsch auf und dann müssen die ständig Mann gegen Mann gegen solche Ochsen Lösungen finden", schilderte Meißner. Es sei daher nicht verwunderlich, dass am Ende die Kraft ausgehe und das Selbstbewusstsein kleiner werde, wenn der Gegner immer näher komme. "Und wir konnten wenig wechseln, hatten nur zehn Mann. Ich ziehe aber auch den Hut vor der Leistung der Grüppenbührener, wie die nochmal zurückgekommen sind. Das ist eine Topmannschaft", ordnete Meißner ein.
Diese zeigte das jedoch nur in der Schlussphase, wie Buß erkannte: "Wir haben 50 Minuten keinen Handball gespielt. Wir waren statisch. Sind nicht in die Tiefe gegangen. Haben vorne keinen Zweikampf gewonnen. Delmenhorst hat sehr stark gedeckt. Die waren mit Feuer und Leidenschaft dabei und wir haben es einfach nicht hinbekommen, unser Spiel zu spielen."