Dieser Transferhammer kam für alle überraschend: Werders Abwehrchefin Michelle Ulbrich wechselt innerhalb der Frauen-Bundesliga zum FC Bayern München. Zunächst auf Leihbasis bis zum kommenden Sommer – dann haben die Bayern eine Kaufoption auf die langjährige Bremer Stammspielerin.
Für Ulbrich war das Thema so schwierig, dass sie sogar zu ihrem Trainer Thomas Horsch nach Hause fuhr, um es ihm persönlich zu sagen. Die beiden verbindet ein langer gemeinsamer Weg: Horsch war schon vor Jahren ihr Trainer am Stützpunkt und in der Bremer Landesauswahl, nun ist er es auch in Werders Frauenmannschaft. Horsch verliert eine so wichtige Leistungsträgerin nicht gerne, „aber auf der anderen Seite ist es auch eine großartige Geschichte, dass es ein Mädchen aus der Bremer Neustadt zu Bayern geschafft hat“.
Champions League war ein Faktor
Die Münchner wollten ihren Kader verstärken, weil sie in der Rückrunde noch dreifach gefordert sind – in der Liga, im Pokal und in der Champions League. Sie suchten gezielt eine Abwehrspielerin, die international spielberechtigt ist. Weil Werders Frauen nicht im Europapokal spielen, war das bei Ulbrich gegeben. Mit ihrer Erfahrung, der Spieleröffnung und ihrer Torgefahr gab es auf dem deutschen Markt keine bessere Wahl als die 28-jährige Bremerin. Horsch wundert es höchstens, dass die Topvereine wie Bayern München erst jetzt an eine Spielerin wie Michelle Ulbrich herangetreten sind.
Birte Brüggemann, Leiterin Frauenfußball bei Werder, wünscht Ulbrich viel Erfolg: „Auch wenn es aus sportlicher Sicht eine starke Schwächung zur Rückrunde ist, möchten wir dieser verdienten Spielerin die vielleicht einmalige Chance nicht verbauen, zum FC Bayern zu wechseln. Vielleicht wird ihr Traum von der Nationalmannschaft mit diesem Schritt ebenso wahr.“
Ulbrich trug seit 2011 das Trikot des SV Werder. Mit 265 Spielen ist sie Werders Rekordspielerin. Insgesamt erzielte sie 22 Tore im Werder-Trikot.
Auch Lührßen verließ Werder
Nach Nina Lührßen, die im Sommer zu Eintracht Frankfurt wechselte, verliert Werder binnen weniger Monate die zweite gebürtige Bremerin. Einerseits ist das ein Beleg für die gute Arbeit. Andererseits ist es eine sportliche Schwächung, zumal Reena Wichmann mit einer Bänderverletzung im Knie mehrere Monate fehlen wird. Immerhin: Zur Rückrunde werden die Langzeitverletzten Lina Hausicke und Verena Wieder zurück erwartet, im März könnte die aus Köln verpflichtete Sharon Beck zur Verfügung stehen.
Jetzt ist es beruhigend, dass Werder schon 17 Punkte gesammelt hat. Wegen der Aufstockung der Frauen-Bundesliga wird es nur einen Absteiger geben, Turbine Potsdam steht mit einem Punkt am Tabellenende. Werder wird auch ohne Ulbrich nicht in Abstiegsgefahr geraten.
Und was passiert, wenn Bayern die Kaufoption nicht zieht? Es könnte sein, dass Ulbrich die hohen Erwartungen an der Isar nicht erfüllt oder dass die Bayern im Sommer auf dem Weltmarkt noch einmal anders agieren wollen. Diese Option halten sie sich mit dem Leihgeschäft offensichtlich offen. Dann würde Ulbrich – nach jetzigem Stand – zurück zu Werder kommen, wo sie 13 Jahre gespielt hat. Sollte sie aber in München ähnliche Leistungen zeigen wie bei Werder, wird es zu einer baldigen Rückkehr eher nicht kommen.
"Werder immer im Herzen"
Ulbrich sagt: „Ich bin bei Werder erwachsen geworden und zu der Spielerin gereift, die ich heute bin. Nun habe ich die Chance, bei einem der größten Vereine der Welt zu spielen und mir den einen oder anderen Traum zu erfüllen. Werder wird immer einen besonderen Platz in meinem Herzen haben.“ Vorsichtshalber hat Werder es am Freitag so formuliert, dass man erst einmal „in den kommenden Monaten auf Michelle Ulbrich verzichten muss“.
Man braucht kein Prophet zu sein, um zu erahnen, dass Werder bald den nächsten Verlust einer Stammspielerin einkalkulieren muss: Denn Angreiferin Tuana Mahmoud (21) hat sich mit ihren schnellen Dribblings und einigen Toren ebenfalls ins Rampenlicht des deutschen Frauenfußballs gespielt.