Herr Horsch, gleich am ersten Spieltag muss Werder am Montagabend bei Titelkandidat VfL Wolfsburg antreten. Ist das ein undankbarer Start in die Saison der Frauen-Bundesliga?
Thomas Horsch: Inzwischen kennen wir das, es gab für uns schon einige Kracherspiele zum Saisonstart. Im Endeffekt ist es egal, auch wenn man natürlich meinen könnte, es wäre jetzt ein günstiger Zeitpunkt, weil viele Wolfsburger Spielerinnen bei Olympia waren. Wir freuen uns einfach auf ein tolles Spiel. Wir fahren gerne dorthin, weil wir uns sehr gerne mit so einer starken Mannschaft messen. In der vergangenen Saison waren wir dicht dran, haben aber am Ende unglücklich knapp verloren. Wir wollen dort unbedingt mal punkten – vielleicht wird uns das diesmal gelingen.
Werder beendete die Saison ohne Abstiegskampf auf dem siebten Platz, mit beachtlichen 28 Punkten und 34 geschossenen Toren. Ist das die Messlatte für die neue Saison?
Für mich ist eher die Art und Weise, wie wir da Fußball gespielt haben, die Messlatte. Das würden wir gerne stabilisieren. Es geht nicht unbedingt um die Punkte. Wir haben eine Entwicklung genommen, indem wir vergangenes Jahr die Leistungsträger gehalten und Verstärkungen wie Juliane Wirtz oder Sophie Weidauer geholt haben. Dadurch konnten wir uns fußballerisch deutlich weiterentwickeln – das wollen wir in der neuen Saison fortsetzen.
Auffallend war, dass sich der Spielaufbau und das Herausspielen von Torchancen verbessert haben. Was soll im nächsten Schritt folgen?
Wir arbeiten bereits seit einiger Zeit daran, unser Offensivspiel und unsere Chancenverwertung zu verbessern. Das ist uns in einigen Spielen auch schon gelungen. Der Ansatz für die neue Saison ist, dass wir enge Spiele gewinnen wollen, wenn wir die Chancen dazu haben. Wenn wir mit dem Gegner auf Augenhöhe sind, vielleicht aber die bessere Spielanlage haben – dann müssen wir auch zuschlagen, um die Spiele für uns zu entscheiden. Wichtig ist dafür natürlich auch eine gute Arbeit gegen den Ball. Ich würde es mit dem Wort Konsequenz beschreiben. Die Mannschaft soll im Spiel alles mit der nötigen Konsequenz machen, das muss man sehen und spüren können.
Durch die bevorstehende Aufstockung der Liga von 12 auf 14 Mannschaften wird es nur einen Absteiger geben. Nimmt das den großen Druck – und erleichtert es die Gedanken an die fußballerische Entwicklung?
Es nimmt ein wenig den Druck, trotzdem muss man auch hier erst einmal eine Mannschaft hinter sich lassen. In der Liga zu bleiben, sollte unser Anspruch sein. In den nächsten Jahren wird der Druck nicht weniger, denn irgendwann werden sie in diese Liga kommen: der Hamburger SV, Mainz 05, der VfB Stuttgart, Borussia Dortmund, Schalke 04, der 1. FC Nürnberg und andere. Die wollen alle in die Frauen-Bundesliga. Deshalb war es rückblickend für uns als SV Werder Bremen sehr wichtig, dass wir in den letzten Jahren dringeblieben sind und uns stabilisiert haben. Jetzt kommt die 14er-Liga, dann vielleicht die 16er-Liga und so weiter. Deshalb müssen wir hier in Bremen die Rahmenbedingungen und den Fußball weiter verbessern, damit wir auch dann immer noch in der Frauen-Bundesliga mitspielen können. Das muss unser großes Ziel sein.
Viele Spielerinnen fielen zuletzt krank aus, andere sind schwerer verletzt. Muss man die Saison deshalb in zwei Abschnitte teilen? Erst der Start mit dem jetzigen Personal, im Winter dann eine Art Neustart?
Nein, so sehe ich das nicht. Sophie Weidauer oder Maja Sternad werden uns nur wenige Wochen fehlen, zudem haben wir beim 1:1 zuletzt im Testspiel gegen den Ligakonkurrenten 1. FC Köln gezeigt, dass wir auch so eine konkurrenzfähige Mannschaft haben, die Bundesliga spielen kann. Wir haben eine gute Truppe mit einer guten Mentalität zusammen. Die Kreuzbandverletzten wie Lina Hausicke und Sharon Beck sind für uns im Winter dann tatsächlich wie Neuzugänge.
Das erste sogenannte „Highlight-Spiel“ der Saison wird es in Bremen geben, am 12. Oktober im Weserstadion gegen Bayer Leverkusen. Rechnen Sie wieder mit einer Rekordkulisse?
Der Verein wird alles daran setzen, noch einen drauf zu setzen und noch mehr Fans für das Spiel zu gewinnen. Zuletzt bei unseren Spielen gegen Köln und Freiburg war der Unterrang im Weserstadion schon komplett voll. Deshalb rechne ich wirklich mit einer Rekordkulisse. Ich hoffe, dass die Leute in der Stadt im Oktober wieder richtig Lust auf diese Mannschaft haben – und dass wir durch unsere spielerische Entwicklung auch ein paar neue Zuschauer dafür begeistern können, sich dieses Spiel im Weserstadion anzusehen. Wir bekommen sehr viel positives Feedback. Ich glaube, dass viele Leute in Bremen und der Umgebung Bock auf uns haben.
Einige Fans werden sich dann wundern, dass Nina Lührßen nicht mehr da ist – sie war ein prägendes Gesicht des Bremer Frauenfußballs. Wie schwer wiegt der Verlust, dass diese gebürtige Bremerin jetzt für Eintracht Frankfurt spielt?
Das ist ein sehr interessanter Punkt. Nina Lührßen kenne ich schon sehr lange, ich bin mit ihr aus der Bremer Landesauswahl einen ganz langen Weg gegangen. Es ist verständlich, dass sie mit der Aussicht auf Spiele in der Champions League unseren Verein verlassen hat, das gehört im Fußball dazu. Sie war eine absolute Leistungsträgerin, eine Führungsspielerin und ein Bremer Gesicht – aber es ist bemerkenswert, dass wir ihren Verlust im Training und in den Testspielen sehr gut aufgefangen haben. Unser Neuzugang Caroline Siems spielt auf der linken Seite, als wäre das nie anders gewesen. Bei Standardsituationen müssen wir Nina natürlich durch mehrere Spielerinnen ersetzen. Ich hätte sie sehr gerne noch dabei, das ist doch klar, aber im Moment bekommen wir es ohne sie erstaunlich gut hin.
Eine Neuerung gibt es bei den Schiedsrichterteams: Nach den vielen krassen Fehlentscheidungen der vergangenen Saison wird es laut DFB nun „ausschließlich spezialisierte“ Schiedsrichterassistentinnen geben – und erstmals auch vier Männer. Ein überfälliger Schritt aus Sicht der Trainer?
Es ist immer gut, wenn eine Weiterentwicklung stattfindet. Wenn man etwas verbessern möchte, kann es für die gesamte Liga nur hilfreich sein. Aber wie man beim Spiel von Werders Männern zum Bundesligastart in Augsburg gesehen hat, gab es trotz aller Schulungen gleich am ersten Spieltag Diskussionen und strittige Szenen. Das wird es in irgendeiner Form immer geben. Ich kann als Trainer nur dafür plädieren, dass man in der Frauen-Bundesliga weiter an diesem Thema arbeitet.
Der deutsche Spitzenschiedsrichter Deniz Aytekin wäre nach eigener Aussage bereit, auch mal Spiele in der Frauen-Bundesliga zu leiten. Er wird aber nicht gefragt. Würden Sie es begrüßen, wenn auch Schiedsrichter aus der Männer-Bundesliga bei den Frauen zum Einsatz kämen?
Aus meiner Sicht kann das sehr gerne gemacht werden.