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Frauenfußball-Bundesliga Werders Frauen-Leiterin Brüggemann: "Wir befinden uns auf dünnem Eis"

Vor 18 Jahren gründete Birte Brüggemann die Frauen- und Mädchenfußballabteilung bei Werder Bremen. Vor der kommenden Saison spricht sie über Erwartungen, den Kader und Gefahren für den Frauenfußball.
18.07.2025, 15:35 Uhr
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Werders Frauen-Leiterin Brüggemann:
Von Florent Comtesse

Frau Brüggemann, vor 18 Jahren haben Sie den Auftrag bekommen, als Leiterin bei Werder die Mädchen- und Frauenabteilung aufzubauen. Nun ist Ihr Baby erwachsen geworden. Wie blicken Sie auf die Jahre zurück?

Birte Brüggemann: Die letzten 18 Jahre waren eine wilde Achterbahnfahrt und es ist doch erstaunlich, wie schnell die Zeit vergeht. Ich muss aber nachbetrachtend sagen, dass wir in all den Jahren nicht viel falsch gemacht haben. Klar, es gab zwei Abstiege mit direkten Wiederaufstiegen aus der Bundesliga, aber es gab nie die riesige Krise, die manch andere Frauenteams durchmachen mussten. Das ist schon eine Erfolgsgeschichte, die wir geschrieben haben.

Das Team hat sich mittlerweile in der Frauenbundesliga etabliert, in der vergangenen Saison gab es einen neuen internen Punkterekord. Zudem noch das Pokalfinale.

Als ich angefangen habe, war der Plan, in fünf Jahren in die zweite Liga zu kommen. Und natürlich habe ich mir auch mal gewünscht, den DFB-Pokal zu gewinnen oder in der Bundesliga um die deutsche Meisterschaft mitzuspielen. Wir haben aus jeder Saison immer das Positive und das Negative mitgenommen und uns weiterentwickelt. Der Einzug ins Pokalfinale hat gezeigt: Wir spielen guten Fußball und wir sind etabliert, aber es gehört auch Losglück dazu. Wir sind dort aber souverän eingezogen und es ist wahrscheinlicher denn je, dass wir es wieder schaffen können.

Werders Vorstandsboss Klaus Filbry hat entgegen seiner sonst so ruhigen Art sogar schon angekündigt, dass der Pokal dann in der kommenden Saison gewonnen wird. Ist diese Messlatte nicht etwas zu hochgelegt?

Vielleicht war die Aussage etwas der Euphorie geschuldet, denn um den Pokal zu gewinnen, muss man auch erst mal ins Finale einziehen. Und da kann der Weg viel steiniger sein, als er letztes Jahr war. Ich denke, es wird keine Saison des Misserfolgs, wenn wir nicht ins Pokalfinale einziehen. Aber ohne große Ziele, keine sportlichen Anreize.

Was ist denn das Ziel für die kommende Bundesliga-Saison?

Durch die Aufstockung auf 14 Mannschaften und sechs Trainerwechsel ist die Liga deutlich unberechenbarer geworden. Da kommen Teams hoch, die viel in den Frauenfußball investieren. Ich denke, das Ziel wird sich klarer ergeben, wenn die Saison beginnt. Die Ziele entstehen außerdem auch aus der Mannschaft und da geht es am Wochenende erst los.

Das klingt aber eher defensiv.

Weil wir übergeordnete Ziele haben. Wir haben viele junge Spielerinnen, die wir besser machen und sie dann vielleicht für einen Mehrwert verkaufen wollen. So wie es jetzt beim Abgang von Torhüterin Livia Peng der Fall war. Wir wollen auch Geld verdienen, das ist das Geschäft, das sich entwickelt hat. Da haben wir vor ein paar Jahren noch nicht drüber nachgedacht.

Fakt ist aber auch, dass der Etat für Werders Frauenabteilung von einer halben auf drei Millionen Euro erhöht wurde. Erhöht das nicht auch den Druck erfolgreich sein zu müssen?

Durchaus. Aber eins vorweg: Ich bin total glücklich, dass der Etat für die Abteilung erhöht wurde. Wir haben mit Clemens Fritz als Geschäftsführer Fußball ein sehr gutes Zusammenarbeiten. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass andere Klubs deutlich mehr Geld zur Verfügung haben. Wir können nicht zehn hauptamtliche Stellen schaffen, sondern drei. Manche Vereine stecken auch viel Geld in neue Infrastruktur für die Frauen.

Und können so auch andere Strukturen bieten. Ihr Stadion, Platz 11, wird durch den Umbau eine große Baustelle sein. Die gesamte Abteilung befindet sich aktuell in einer Art Containerdorf.

Das ist eine Kröte, die wir schlucken müssen, weil die Anlage aktuell einfach nicht schick ist. Wir alle bei Werder sind froh, dass es jetzt durch den Umbau nachhaltig besser wird. Aber es wird so sein, dass auch zukünftig unsere Fans im Stehplatzbereich, wenn es regnet, klitschenass werden. Und die Situation in den Containern ist sicherlich auch nicht das Optimum, auch wenn sich alle pudelwohl fühlen. Denn es hat sich einiges verändert: Die Spielerinnen bekommen Essen und neues Personal, welches sich um sie kümmert. Da passiert sehr viel und hilft uns, noch professioneller zu werden.

Helfen da auch mehr Spiele im Weserstadion? Gegen den HSV wird das Haus sicherlich voll werden, ein zweites wird in der Rückrunde stattfinden.

Natürlich helfen diese Spiele. Wir sind durch die Erfolge der letzten Jahre nun mehr zu einer Marke geworden. Dazu gehört aber auch Marketing, Social Media und Sichtbarkeit. Die stillen Zeiten sind vorbei, wir werden immer öffentlicher. Und dabei werden wir mit immer mehr Dingen konfrontiert, als es früher der Fall war.

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Welche sind das?

Das mediale Interesse wird größer. Es entstehen mehr Gerüchte um Wechsel und Transfersummen. Berater spielen zudem eine größere Rolle. Ich will jetzt nicht sagen, dass ich Angst davor habe, aber schon Respekt, weil wir uns gerade auf ganz dünnem Eis befinden. Wir wollten dieses Rattenrennen des Männerfußballs nicht mitmachen, sondern aus den Fehlern des Männerfußballs eigentlich lernen. Aber wir sind gerade auf dem Weg, ein paar negative Mechanismen anzunehmen, und das macht mir ein bisschen Sorge. Ich bin nicht die, die es aufhalten wird. Werder wird nicht der Verein sein, der es aufhalten kann. Aber der Druck wird größer.

So gab es auch viele Gerüchte um ihre Spielerinnen. Sie selbst haben einen personellen Umbruch angekündigt.

Umbruch ist so ein typisches Wort im Fußball, doch so groß ist unser Umbruch jetzt gar nicht. Wir haben Stand heute mit Livia Peng und Sophie Weidauer zwei Stammspielerinnen verloren, deren Abgänge uns sportlich und menschlich sehr schmerzen. Es ist aber auch so, dass wir beide zu den Spielerinnen entwickelt haben, die sie jetzt sind. Zudem haben wir bei Livia Peng eine Ablösesumme bekommen. Und Sophie hatte einige Angebote, jetzt ist sie zu Union Berlin gegangen und hat sicherlich das Zeug dazu, A-Nationalspielerin zu werden. Das wäre auch ein wenig unser Verdienst.

Und Sie haben mit sechs neuen Spielerinnen und der Rückkehr von Michelle Ulbrich nach ihrer Leihe zum Double-Sieger Bayern den Kader deutlich breiter aufgestellt.

Das war auch unser Ziel. Wir haben jetzt einen guten Kader, der komplett ist und mit dem wir Stand heute in die Saison gehen wollen. Ich denke, wir haben eine gute Mischung in der Mannschaft. Und wir freuen uns natürlich riesig, dass Michelle Ulbrich wieder da ist.

Heißt das, dass auch die beiden U23-Nationalspielerinnen Larissa Mühlhaus und Tuana Mahmoud bleiben werden?

Wir wissen, dass Larissa und Tuana zwei hochinteressante Spielerinnen sind, die aber noch ein Jahr Vertrag haben. Wir wollen sie unbedingt bei den nächsten Schritten begleiten und sie wachsen lassen. Deswegen planen wir auch mit den beiden für die kommende Saison. Fußball ist aber unberechenbar. Wenn noch Angebote kommen und die für alle Seiten interessant sind, dann müssen wir diskutieren. Das Transferfenster ist ja noch lange offen.

Wie wichtig ist für die Spielerinnen auch ihre neue Trainerin Friederike „Fritzy“ Kromp? Sie übernimmt erstmals einen Cheftrainerposten in der 1. Liga. Besteht darin nicht auch ein Risiko?

Für Thomas Horsch war es die erste hauptamtliche Cheftrainerposition überhaupt, das hat nicht viel zu bedeuten. Selbst mit erfahrenen Trainern ist der Erfolg nicht garantiert. „Fritzy“ ist eine Trainerin, die sehr viel Wert auf den Nachwuchs und nachhaltige Förderung legt und großartig in der Talentförderung ist. Das hat sie beim DFB und in Frankfurt bewiesen und kennt auch noch einige Spielerinnen aus der Zeit. Und ihre fachliche Kompetenz ist unbestritten. Sie ist eine Teamplayerin und hat nun zwei hauptamtliche Co-Trainer, das ist natürlich eine gute Unterstützung.

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Hat das auch Kapitänin Lina Hausicke von einer Verlängerung überzeugt?

Sicherlich hatte Lina interessante Angebote, aber sie hat sich bewusst für Werder entschieden, weil wir ihr eine Perspektive bieten konnten. Lina bildet sich bereits in der Scouting-Abteilung weiter, Ricarda Walkling zum Beispiel hat auch schon eine 20-Stunden-Stelle bei Werder. Und das ist es, was neben dem Sportlichen für Werder spricht. Das ist auch in dem Sinne ein wenig unsere DNA.

Sie haben mit Lena Petermann und Medina Desic zwei erfahrene Spielerinnen dazugewonnen. Auch um die jungen Spielerinnen bestmöglich zu unterstützen?

Bei Lena ist es so, dass wir ihr neben dem Heimkommen, sie kommt ja aus Cuxhaven, auch einen zweiten Karriereweg als Athletiktrainerin bei uns anbieten konnten. Zudem hilft sie uns mit ihrer Erfahrung natürlich immens weiter. Medina ist eine Spielerin, die wir schon vor Jahren auf dem Zettel hatten und die immer sehr interessant für uns war. Zudem ist ihr Partner in Bremen, da wären wir doof gewesen, hätten wir da nicht angefragt. Ich bin mir sicher, dass beide im Kader, der nun eine neue Hierarchie bekommt, große Bereicherungen sein werden.

Zur Person

Birte Brüggemann (54)

war selbst Spielerin, Trainerin und DFB-Stützpunktkoordinatorin in ihrer Geburtsstadt Bremen. Seit 2007 leitet sie Werders Mädchen- und Frauenabteilung.

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