In den nächsten Tagen kommt der Aufsichtsrat des SV Werder Bremen zusammen – mit einem besonderen Gast: Hubertus Hess-Grunewald. Der Werder-Präsident gehört seit einer Satzungsänderung des Vereins nicht mehr der Geschäftsführung an, dafür bald aber dem Aufsichtsrat. Doch aus formellen Gründen dauert sein offizieller Einstieg noch bis etwa März. Die sechs Mitglieder des Kontrollgremiums haben ihn trotzdem schon zu den Sitzungen eingeladen. Hinter ihnen liegen spannende erste 15 Monate als neuer Aufsichtsrat, der seinen Arbeitsstil im Vergleich zu den Vorgängern deutlich verändert hat. Eine Analyse.
Es ist sehr warm an diesem 25. August, als eine prominente Besuchergruppe Platz 11 verlässt und sich auch die anderen Sportstätten im Umfeld des Weserstadions anschaut. Die Aufsichtsratsmitglieder Harm Ohlmeyer, Marco Fuchs, Dirk Wintermann und Axel Plaat inspizieren gemeinsam mit Geschäftsführern und hochrangigen Mitarbeitern des Klubs das Leistungszentrum (LZ) und sind erschrocken. Dass die arg in die Jahre geratenen Bauten marode sind, war bekannt, das Ausmaß überrascht einige.
Seit Jahrzehnten diskutiert Werder über eine Modernisierung, passiert ist – auch wegen Problemen mit den Anwohnern – nichts. Dass der neue Aufsichtsrat das nicht länger hinnehmen will, hatte Ohlmeyer schon wenige Wochen zuvor im Trainingslager im Zillertal demonstriert. „Der Wunsch aller ist es sicherlich, weiterhin in der Pauliner Marsch zu bauen. Aber wenn das nicht weitergeht, müssen wir den nächsten Schritt machen und einen anderen Standort suchen, sonst wird es nie weitergehen. Da würde ich als Aufsichtsrat gerne etwas Schwung reinbringen“, sagte der Finanzvorstand von Sportartikelhersteller adidas im Interview mit der DeichStube. So deutlich hatte das ein Aufsichtsratsmitglied in der Vergangenheit noch nie ausgesprochen – und eine gemeinsame Besichtigung des Leistungszentrums war auch kein Thema gewesen.
Die Mitglieder des neuen Aufsichtsrats, gewählt in der denkwürdigen Marathon-Mitgliederversammlung im September 2021, wirken wesentlich aktiver als ihre Vorgänger. Von denen trat für Werder in der Öffentlichkeit eigentlich nur Marco Bode auf – mit Abstrichen noch Andreas Hoetzel. Vor allem Baumogul Kurt Zech und Medienunternehmer Thomas Krohne, von denen viel erwartet worden war, blieben unsichtbar. Genauso wie Fuchs und Plaat. Bodes Sonderrolle, zu der auch eine enge Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung gehörte, war bewusst so vereinbart worden. Das sorgte aber auch für Kritik, Bode sei zu mächtig, der Rest nur abnickend.
Werder-Aufsichtsrat verteilt Aufgaben
Die Zeiten haben sich geändert. Es gibt nicht mehr diese eine öffentlich herausstechende Person im Aufsichtsrat. „Ich hatte eigentlich kein Interesse an diesem Vorsitz“, meinte Fuchs nach seiner Wahl zum neuen Aufsichtsratsvorsitzenden. Dem Boss des Bremer Raumfahrtunternehmens OHB waren Bodes Fußstapfen eigentlich zu groß gewesen. Doch Fuchs gefiel, dass der neue Aufsichtsrat die Aufgaben schnell auf alle Schultern verteilte. Die Fortsetzung der Zusammenarbeit mit Sportchef Frank Baumann wurde zwar gemeinsam entschieden, die Vertragsverhandlungen führte Fuchs dann aber mit seinem Aufsichtsratskollegen Florian Weiß. Und der Unternehmer, der mit seiner Familie nahe München lebt und sich bei Werder auch dem Thema Digitalisierung widmet, erklärte federführend bei einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit die nicht unumstrittene Entscheidung.
Auch Dirk Wintermann scheut öffentliche Auftritte nicht. Der Unternehmer aus Großenkneten schaute bei allen Sparten des Clubs vorbei wie zum Beispiel beim Tischtennis, beim Schach oder auch beim Handball. Er engagierte sich zudem stark für den Frauenfußball. „Ich versuche, die verschiedenen Sichtweisen zu verstehen, um dann vielleicht einen entsprechenden Impuls im Aufsichtsrat zu geben. Wir müssen als Aufsichtsrat wieder mehr mit den Menschen um uns herum kommunizieren“, erklärte Wintermann in einem Interview. Gemeinsam mit Fuchs vertrat er den Aufsichtsrat in der Satzungskommission und regte dabei die Gründung einer Fan-Abteilung als eigene Sparte bei Werder an. Das wird nun geprüft. Zudem stößt Wintermann in den sozialen Medien immer wieder Diskussionen an, bei denen es nicht immer nur um Werder geht, sondern auch mal um die Rolle der DFL oder des DFB.
Ulrike Hiller startete ebenfalls ziemlich forsch, übte in einem DeichStube-Interview gleich mal Kritik an privaten Wettanbietern – und damit auch an Werder-Sponsor „betway“. Das sorgte intern für etwas Verstimmung. Ansonsten setzte sich die erste Frau im Aufsichtsrat des Clubs vor allem für die Gleichberechtigung ein und dürfte sich gefreut haben, dass nun in der Geschäftsführung (Anne-Kathrin Laufmann) und im Präsidium (Claudia Lasch) erstmals auch Frauen vertreten sind.
Werder ist da ein Vorreiter in der Liga – und will auch beim Frauenfußball vorankommen. Da hatte der neue Aufsichtsrat die Idee, dass sich Frank Baumann als Geschäftsführer Fußball nicht nur um die Männer, sondern auch die Frauen kümmern soll. Beide Teams möchte Werder unbedingt in der Bundesliga halten – und Baumanns Doppelfunktion soll ein deutliches Signal dafür sein. Der Sportchef soll erst skeptisch gewesen sein, heißt es, nun ist er sehr engagiert.
Weitere Aufgaben in der Geschäftsführung, die nach der Satzungsänderung komplett vom Aufsichtsrat bestellt wird, wurden anders verteilt. Neu dazu kam für den Bereich Organisation und Personal Tarek Brauer, der allerdings schon zur Geschäftsleitung gehörte. Und das Kontrollgremium ist bereits wieder gefordert. Es geht um die Zukunft von Klaus Filbry als Vorsitzenden der Geschäftsführung und Baumann. Beide Verträge laufen im Sommer 2024 aus. Es ist offen, ob sie weitermachen wollen. Das hängt natürlich auch davon ab, wie der Aufsichtsrat denkt.
Da kommt Hess-Grunewald ins Spiel, der diese wichtigen Personalien natürlich mitentscheiden soll. Gleiches gilt für das Thema Investor – diese unendliche Geschichte bei Werder. Dachte man! Denn anders als seine Vorgänger gab vor allem Ohlmeyer Gas. „Wir müssen 2023 zumindest bereit dazu sein“, kündigte er im vergangenen Sommer an. Die Geschäftsführung wurde damit beauftragt, erstmals genau herauszuarbeiten, unter welchen Bedingungen ein Investor einsteigen kann. Gleichzeitig wurde intensiv nach einem Partner gesucht, es dürfen gerne auch mehrere sein. In den nächsten Monaten soll richtig Bewegung in die Sache kommen.
Der neue Aufsichtsrat lässt sich da aber ungern in die Karten schauen, daran ändert auch die selbst verordnete Transparenz nichts. Zu sensible Themen werden erst intern abgearbeitet. Das künftig zu siebt. Bis zu den nächsten Wahlen 2025 wird der Aufsichtsrat (Fuchs, Hiller, Ohlmeyer, Wintermann, Weiß, Plaat) um Hess-Grunewald aufgestockt, der als Vereinspräsident auch den Vorsitz übernehmen soll. Es bleibt abzuwarten, wie sich das auf die Arbeit und das öffentliche Auftreten des Kontrollgremiums auswirken wird.