Ein Regionalliga-Stürmer sorgte für den lang ersehnten Bremer Befreiungsschlag: Eren Dinkci traf bei seinem Bundesligadebüt wenige Minuten nach seiner Einwechslung per Kopf zum 1:0-Sieg in Mainz. Der gerade erst 19 Jahre alt gewordene Angreifer versenkte eine Flanke von Tahith Chong zu einem der wichtigsten Werder-Siege in dieser Saison im Tornetz. Damit endete für Werder nicht nur die Serie von neun nicht gewonnenen Spielen, die Mannschaft von Trainer Florian Kohfeldt konnte mit diesem Auswärtssieg in der Tabelle auch einen Puffer von acht Punkten zwischen sich und den Abstiegskandidaten aus Rheinland-Pfalz bringen.
Zunächst gab es in Mainz jedoch noch einen weiteren personellen Rückschlag zu verkraften: Wegen Problemen am Sprunggelenk konnte Leonardo Bittencourt nicht spielen, mit drei Toren ist er zweitbester Bremer Torschütze der laufenden Saison. Weil auch die normalerweise gesetzten Angreifer Niclas Füllkrug, Milot Rashica und Davie Selke verletzt fehlten, lagen die Hoffnungen in der Offensive zunächst wieder auf Josh Sargent und Yuya Osako. Statt Bittencourt durfte der Österreicher Romano Schmid von Beginn an auf den Rasen.
Doch ganz so defensiv, wie es die Mainzer offenbar erwartet hatten, agierte Werder deshalb nicht. Im Mittelfeld formierte sich bei eigenem Ballbesitz die gute alte Werder-Raute – und nach den ersten 20 Minuten hatte Bremen stolze und eigentlich unglaubliche 81 Prozent Ballbesitz, ein Wert, den sonst gewöhnlich Bayern München gegen die Schalker erreicht. Auch die erste Torchance bot sich folgerichtig Werder: In der neunten Minute versuchte es Sargent per Kopf, konnte aber nicht wirklich gefährlich werden. Diese Chance tat den Bremern dennoch gut, denn nur wenige Momente zuvor hatte mal wieder Ömer Toprak für einen kurzen Schreckmoment gesorgt, als er einen eher harmlosen Ball in der eigenen Hälfte direkt dem Gegner in die Beine spielte. Doch zum Glück für Werder konnte Christian Groß die Sache bereinigen.
Werder kam in dieser ersten Halbzeit zu weiteren Torchancen, die teils durch Pech, teils durch Unvermögen nicht zur Führung reichten. Ein Fernschuss von Maximilian Eggestein (23.) war schlicht zu harmlos, in dieser Kategorie sorgte Sargent nur 120 Sekunden später gar für die Krönung: Nach einer Ecke kam er direkt vor dem Tor völlig frei zum Kopfball – doch statt diese Top-Gelegenheit zu nutzen, fabrizierte er einen der harmlosesten Kopfball-Aufsetzer dieses Spieltages. Die beste Chance vor der Pause hatte somit Abwehrspieler Marco Friedl, der einen richtig scharfen Fernschuss abfeuerte (32.). Der Mainzer Torhüter Zentner wehrte diesen Ball durch eine Glanzparade zu Ecke ab.
Jubiläum für Gebre Selassie, Aus für Toprak
Auf der Gegenseite konnte sich Werders Torhüter Jiri Pavlenka einmal in Szene setzen, es war eine Mischung aus Glück und Können, und das kam so: Bei einem Konter nach einem langen Ball lief der Mainzer Torjäger Mateta alleine in Richtung Strafraum. Pavlenka entschied sich sehr spät, aus seinem Tor zu kommen – erwischte dann aber in letzter Sekunde den Ball und spitzelte ihn mit dem Fuß ins Seitenaus. Wäre er nur eine halbe Sekunde später in diesen Zweikampf gegangen, hätte das für Werder böse enden können. So aber war alles gut für Werder. Die erste Hälfte endete als ein Duell zweier Mannschaften, die das Toreschießen nicht wirklich erfunden haben, folgerichtig torlos.
Bis hierhin hatte nur Werders Spielführer Theo Gebre Selassie etwas zu feiern: Der Tscheche, längst eine amtierende Werder-Legende, stand am Sonnabend zum 250. Mal für Bremen in der Bundesliga auf dem Platz und holte damit den noch legendäreren Claudio Pizarro ein. Von solchen Werten ist Ömer Toprak in seinem erst zweiten Werder-Jahr natürlich weit entfernt, dafür scheint er alle Rekorde im unglücklichen Ausscheiden knacken zu können. Gegen Mainz musste der Abwehrspieler nach 53 Minuten vom Feld. Zunächst hatte er, ohnehin nicht besonders frisch wirkend, den Ball gegen Mateta verloren, dann signalisierte Toprak Schmerzen und musste vom Feld; für ihn übernahm Milos Veljkovic den Platz in der Abwehrkette. Kaum vorstellbar, dass Toprak am kommenden Mittwoch im Pokalspiel bei Hannover 96 mitwirken kann.
Mit dem Herausspielen klarer Torchancen fremdelten beide Mannschaften auch nach der Pause, obwohl beiden nur ein Sieg in diesem Spiel tabellarisch wirklich zu helfen schien. Der sonst recht treffsichere Kevin Möhwald reihte sich ein in die Liste der Harmlosen, sein Fernschuss nach 68 Minuten erzeugte aber wenigstens mal wieder ein wenig Torgefahr. Eggestein gelang es zehn Minuten später nach einem Eckball auch nicht besser. So kam Werders Regionalliga-Stürmer Dinkci in der Schlussphase zu seinem Bundesligadebüt - und versenkte auf höchstem Niveau die Flanke von Chong so cool im Tor, als hätte er nie in einer anderen Liga gespielt.