Ja, er war da. Mehr aber eben auch nicht. Denn Niclas Füllkrug plagt sich weiterhin mit Wadenproblemen herum, weshalb der SV Werder Bremen kurzfristig erneut auf seinen Top-Torjäger verzichten musste. Das Auswärtsspiel bei Hertha BSC verfolgte der 30-Jährige somit als Zuschauer auf der Bank – allerdings ohne Aussicht auf eine Einwechslung. Das ließ die Blessur einfach nicht zu. Anders als noch vor einer Woche war Füllkrugs Laune trotz der Zwangspause aber glänzend, weil er aus nächster Nähe sah, wie seine Mannschaft mit einer phänomenalen Fan-Unterstützung im Rücken das so eminent wichtige Duell bei den abstiegsbedrohten Hauptstädtern mit 4:2 (2:0) für sich entschied. Und sein etatmäßiger Sturmkollege Marvin Ducksch einen echten Sahnetag erwischte.
Bei der Aufstellung gab es durch den Füllkrug-Ausfall im Vergleich zur Vorwoche keinerlei Änderungen – erstmals im Jahr 2023. Maximilian Philipp, der zuletzt während der 1:2-Heimniederlage gegen Freiburg sein Premierentor im Werder-Dress erzielt hatte, durfte erneut neben Marvin Ducksch ran, auf den Achterposition vor Sechser Christian Groß vertraute Trainer Ole Werner einmal mehr dem Gespann Jens Stage/Leonardo Bittencourt. In der Abwehrkette übernahm Milos Veljkovic allerdings anders als zuvor den rechten Part, Kapitän Marco Friedl blieb links und der zentrale Part gehörte dem Ex-Herthaner Niklas Stark, der kurz vor dem Anpfiff von den Berliner Verantwortlichen nachträglich offiziell verabschiedet wurde.
Ducksch bringt Werder früh in Führung
Mit den Nettigkeiten hatte es sich damit auf Seiten der Gastgeber allerdings erst einmal. Die Fans des Hauptstadtclubs kamen schon verspätet in die Kurve, um ihrer Unzufriedenheit nach den jüngsten Darbietungen Ausdruck zu verleihen, beim Warmmachen gab es dann noch ein paar Pfiffe für das Team des Neu- und Wieder-Coaches Pal Dardai. „Zerreißt euch endlich für Hertha BSC!“ forderten einige Anhänger mit einem großen Banner. Anders sah die Gemütslage im gegenüberliegenden Bremer Lager aus. Im ausverkauften Olympiastadion machten rund 20.000 Werder-Fans mächtig Stimmung, unterstützten ihr Team mit aller Vehemenz und sorgten in den Blöcken rund um das geschichtsträchtige Marathontor für grün-weiße Heimspiel-Atmosphäre.
Die erste Chance gehörte aber den Berlinern. Marco Richter setzte Dodi Lukebakio in Szene, dessen Schuss aber zu zentral auf Torhüter Jiri Pavlenka geriet und deshalb geklärt werden konnte (3.). Fast im Gegenzug meldete sich dann Werder an – und wie. Im Mittelfeld waren Mitchell Weiser und Herthas Lucas Tousart zusammengerauscht, doch ein Freistoßpfiff von Schiedsrichter Robert Schröder (Hannover) blieb aus. Jens Stage kam so an den Ball, trieb ihn erst voran und steckte dann punktegenau auf Marvin Ducksch durch. Der Angreifer traf abgezockt zur Führung (6.), und da auch der Video-Assistent trotz ausgiebiger Prüfung keine Zweifel mehr an der Gültigkeit des Treffers hatte, war Werder ein echter Traumstart gelungen.
Den Gastgebern war die Verunsicherung nach diesem neuerlichen Rückschlag anzumerken. Viele Ungenauigkeiten prägten das Spiel, immer wieder landete der Ball vorschnell im Seitenaus oder beim Gegner. Doch auch die Bremer Profis ließen trotz des Vorsprungs zunächst die nötige Souveränität in ihren Aktionen vermissen. Auch sie leisteten sich überflüssige Ballverluste und Abspielfehler, weshalb es ihnen kaum einmal gelang, das Geschehen gegen einen angeschlagenen Kontrahenten entscheidend zu beruhigen. Das glückte stattdessen über das Ergebnis. Christian Groß war neben Weiser auf die rechte Seite geeilt und flankte punktegenau auf Ducksch, dem es nicht allzu schwer gemacht wurde, mit dem Kopf zu treffen (27.) – ein Tor mit Seltenheitswert, da Werders Offensivmann nicht gerade als ausgewiesenes Kopfballungeheuer gilt.
Die Bremer lagen also mit 2:0 vorn und hätten beinahe durch Maximilian Philipp ganz schnell erhöht, doch sein schöner Schuss wurde gerade noch entscheidend zur Ecke abgefälscht (30.). Exakt zehn Minuten später verpasste Ducksch nur knapp den Hattrick, als er nach guter Vorarbeit von Bittencourt daneben zielte (40.). Kurz vor der Pause lupfte Philipp den Ball genau in den Lauf von Stage, dessen überhasteter Heber jedoch nur auf dem Kasten landete (45.). Werder hätte längst höher führen können, wenn nicht sogar müssen – und das war inzwischen der einzige Vorwurf, dem man dem Team an einem bis dato perfekten gelaufenen Nachmittag machen konnte.
Hertha verteilt Geschenke, Werder bedankt sich
Nach dem Seitenwechsel wurde Versäumtes aber zügig nachgeholt. Weil Werder auch weiterhin ziemlich unbedrängt Fußball spielen durfte. Nachdem eine erste Hereingabe der Bremer noch nicht von Erfolg gekrönt war, schickte Anthony Jung den erlaufenen Ball direkt wieder in die Gefahrenzone, wo der überragende Ducksch die Zeit hatte, das Spielgerät in aller Ruhe mit der Brust aus der Luft zu holen und kompromisslos zum Dreierpack in die Maschen zu hämmern (51.). Das Stadion wurde immer leiser, zumindest der Teil, der es mit den Berlinern hielt. Werders Fans sangen hingegen noch lauter und schenkten sich sowie ihrem Verein einen denkwürdigen Feiertag.
Apropos Geschenke: Nach etwas mehr als einer Stunde leisteten sich Hertha-Verteidiger Augustin Rogel und Keeper Oliver Christensen ein desaströses Abstimmungsproblem, das nicht nur symbolisch für das ganze Dilemma des Tabellenletzten stand, sondern auch Mitchell Weiser ins Spiel brachte, der völlig problemlos gegen seinen Ex-Verein auf 4:0 erhöhte (63.). Ole Werner nutzte die Gelegenheit und brachte Romano Schmid sowie Eren Dinkci für Bittencourt und Philipp, das neue Duo erlebte direkt einen Gegentreffer. Weil Werder nicht energisch genug verteidigte, kam Jessic Ngankam zum Abschluss und verkürzte (68.). Sollte es tatsächlich noch einmal brenzlig werden?
- Werder in der Einzelkritik: Note 1 für Ducksch und Groß
Die Bremer hätten fast postwendend geantwortet, doch ein Friedl-Kopfball landete nur auf dem Tor (72.). Wenig später foulte Veljkovic Ngankam im Strafraum, den fälligen Elfmeter verwandelte Lukebakio zum 2:4 (79.). Wirklich zittern musste Werder aber nicht mehr. Dafür fiel die Schlussoffensive der Gastgeber einfach viel zu spärlich aus. Trotz einer sechsminütigen Nachspielzeit brachten Ducksch und Co. den Sieg letztlich sicher über die Ziellinie – und ließen nicht nur Niclas Füllkrug und alle weiteren Werder-Fans glücklich zurück, sondern machten in der Tabelle einen ganz wichtigen Schritt in Richtung Klassenerhalt. Das „Heimspiel“ in der Fremde war unter dem Strich also ziemlich gut gelaufen.