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Werder-Kolumne Werder und die Kuriositäten der Torjäger-Kanone

Bis zum Saisonende kann zwar noch eine Menge passieren, aber die Chance steigt, dass ein Werder-Spieler mal wieder die Torjägerkanone gewinnt. Das wäre aus vielen Gründen sehr besonders, meint Jean-Julien Beer.
24.04.2023, 18:22 Uhr
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Werder und die Kuriositäten der Torjäger-Kanone
Von Jean-Julien Beer

Zu jedem Saisonfinale der Bundesliga gehört der Kampf um die Kicker-Torjägerkanone. Seit Wochen liegt Werders Niclas Füllkrug vorne, obwohl er seit zwei Spielen verletzt zuschaut. Seine 16 Saisontore reichen immer noch zur Führung in der Torjägerliste, ihm folgen der Freiburger Vincenzo Grifo und Frankfurts Kolo Muani mit 13 Treffern. Auf Platz sechs nun in Lauerstellung: Bremens Marvin Ducksch, der nach seinem Dreierpack in Berlin auf elf Tore kommt.

Als die Kanone zum bisher letzten Mal im Weserstadion vergeben wurde, bekam sie ein Schalker: Klaas Jan Huntelaar schoss in der Saison 2011/12 für die Knappen 29 Tore und hielt die Kanone nach dem letzten Spieltag in die Höhe. Selbst wenn diesmal ein Bremer die Kanone gewinnt, würde sie nicht im Weserstadion überreicht, weil Werder am letzten Spieltag bei Union Berlin antritt. Je nachdem, wie viele Stürmer dann realistische Chancen auf die Trophäe haben, gehen entsprechend viele Kanonen von Nürnberg aus auf die Reise in die jeweiligen Stadien.

Für diese Fälle gibt es in der Nürnberger Kicker-Zentrale mehrere Kanonen, die gravierten Schilder mit dem Namen des Siegers und der Saison werden erst nach Schlusspfiff für den Gewinner aufgeklebt. Die restlichen Kanonen werden fürs nächste Jahr aufgehoben. Verglichen damit, wie die Geschichte der Torjägerkanone mal begann, ist das ein Luxus. Die Idee entstand in den 1960er-Jahren, und die erste Frage lautete damals nicht, wer die Kanone gewinnt. Sondern: Wo bekommen wir eine Kanone her? Mitarbeiterinnen des Verlags stöberten damals durch Nürnbergs Kaufhäuser und wurden fündig. Die ersten Exemplare sahen deshalb wuchtiger aus, handgeschnitzt und aus massivem Holz. Der Kölner Hannes Löhr und Bayerns Gerd Müller bekamen solche Exemplare. Heute ist die Kanone kleiner. Sie wiegt nur noch drei Kilo, das Rohr ist gerade mal 26 Zentimeter lang.

Aber jeder Stürmer will sie haben. Zuletzt gewann sie Robert Lewandowski, fünf Jahre hintereinander. Weil der Pole nun in Barcelona stürmt, wird es einen neuen Gewinner geben. Sollte es Niclas Füllkrug sein, wäre das sehr besonders: Einen deutschen Torschützenkönig gab es letztmals 2014/15, als der Frankfurter Alex Meier mit 19 Treffern gewann. Ein Werder-Stürmer sicherte sich letztmals 2005/06 die Kanone: Miroslav Klose mit 25 Toren – ein Bestwert, den Klose später bei Bayern nie mehr erreichte. Die Bremer Kanone blieb seine einzige.

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Nur zwei Jahre zuvor gewann Werders Ailton beim Double 2003/04 mit 28 Toren die Kanone. Was zwei Folgen hatte. Die erste: Im März 2007 bot der Steuerberater Werner Helleckes die Ailton-Kanone mit anderen Trophäen des Brasilianers bei Ebay an, weil der Stürmer Schulden bei ihm haben sollte. Das Internetauktionshaus stoppte die Versteigerung bei rund 600.000 Euro, weil Ailton eine einstweilige Verfügung erwirkte.

Die zweite Folge war bitter für Werder und machte Ailton nicht glücklich: Wegen seiner vielen Tore griff der damalige Schalker Manager Rudi Assauer zu und eröffnete seinem Bremer Präsidentenfreund Franz Böhmert, dass er nicht nur Ailton verpflichtet, sondern auch Abwehrchef Mladen Krstajic. Beide ohne einen Cent Ablöse, weil ihre Verträge ausliefen.

Das müsste man sich heute mal vorstellen: Füllkrug und Ducksch hätten für die nächste Saison bei Werder keinen Vertrag mehr und würden gemeinsam zu Schalke oder sonst wohin wechseln. In den gar nicht so sozialen Medien würde ein Tsunami über Werders Vereinsführung hereinbrechen. Aber: So verlockend die Idee für manchen Manager auch sein mag, das kongeniale Duo zu verpflichten – das würde heute teuer. Duckschs Vertrag endet im Sommer 2024, der von Füllkrug erst 2025.

Dass beide in der nächsten Saison noch für Bremen stürmen, ist wegen Werders finanzieller Situation unwahrscheinlich. Sie sind nicht nur wegen ihres blinden Spielverständnisses eine Rarität: Unter den besten sieben Torjägern der Liga gibt es überhaupt nur zwei deutsche Profis, Ducksch und Füllkrug.

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Hinter ihnen klafft bei Werder eine gewaltige Lücke: Jens Stage folgt mit drei Toren, alle anderen trafen zweimal, einmal oder nie. Der nächste Verein mit zwei Spielern in der Torjägerliste ist Bayern mit Jamal Musiala (11 Tore) und Eric Maxim Choupo-Moting (10). In der Bundesligageschichte gewannen übrigens nur zwei weitere Bremer die Kanone: Mario Basler (20 Tore in der Saison 1994/95) und Rudi Völler (23 Tore in der Saison 1982/83). Nach Lage der Dinge wird der Kicker am 34. Spieltag nun mindestens eine Kanone nach Berlin schicken – was neuerdings ja ein sehr guter Ort für Bremer Tore ist…

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